Die Vorlaufindikatoren zeigen alle in die gleiche Richtung – südwärts. Und zwar so richtig fest. Wir müssen uns auf magere Zeiten einstellen, auch wenn die Schweiz vergleichsweise gut gerüstet bleibt, die Krise zu bewältigen.

Es ist gerade ziemlich schwierig, im Strom der Negativnachrichten über die Weltwirtschaft die positiven Nachrichten rauszufischen. Vermutlich, weil es kaum noch Erfolgsstories gibt – aber dazu etwas später. Vielmehr braut sich etwas zusammen, dass die wenigsten von uns miterlebt haben.

Es sind dies die Zeiten der dramatischen Aussagen. Chris Rupkey, eine Ökonom bei der MUFG, schrieb: «Es bräuchte ein Wunder, um diese Rezession noch davon abzuhalten, sich in die Grosse Depression II auszuwachsen. Was denken bloss die Investoren an der Börse? Sie sollten um ihr Leben laufen. Wir sind dem Untergang geweiht.»

Das wohin ist klar, aber nicht das wie fest

Die dazu passenden Bilder sind leicht zu finden. In Paris stehen die Armen über Hunderte von Metern vor den Essenausgabestellen an. In England und den USA häufen sich die Berichte, dass Schwarze eine viel höhere Sterblichkeit haben als Weisse und zu Tausenden an Covid-19 erliegen.  Es sind dies wahrlich düstere Bilder.

Dazu passen nun auch die Zahlen. In ihrer Interpretation geht es primär um die Frage, ob der Einbruch eher wie beim Ölpreisschock in den 1970-er Jahren ausfällt oder ob wir, wie eben Ökonom Rupkey meint, geradewegs Richtung «Great Depression II» marschieren.

Der schlimmste Einbruch seit 45 Jahren

Die ehrliche Antwort auf diese Frage nach der Tiefe der Krise wäre natürlich: Wir haben keine Ahnung. Erstens wissen wir nicht viel über das Virus. Ausser dass es sehr ansteckend ist, viele Menschen daran sterben und dass es weder Medikament noch Impfstoff gibt. Wenn wir also versuchen, den weiteren Verlauf der ökonomischen Krise abzuschätzen, bewegen wir uns in sehr dünner Luft; der Verlauf der jetzigen Ansteckungswelle und die Ungewissheit über eine zweite (oder auch dritte) Welle, die Hoffnung respektive die Bedenken bezüglich der Herstellung eines Impfstoffs – all dies hat einen enormen Einfluss auf die künftige wirtschaftliche Entwicklung.

In der am (heutigen) Freitag zu Ende gehenden Arbeitswoche hat der Bund versucht, uns etwas Klarheit zu verschaffen über die zu erwartenden Probleme. Die Ökonomen, welche den Staat beraten, erwarten im Jahr 2020 für die Schweiz einen Einbruch des Bruttoinlandprodukts um 6,7 Prozent und eine durchschnittliche Arbeitslosigkeit von 3,9 Prozent. Diese Verlangsamung der wirtschaftlichen Aktivitäten ist die schärfste seit 1975.

Die Anzeichen einer Negativspirale

Dazu kommt ein gewaltiges Minus im Staatshaushalt. Säckelmeister Ueli Maurer rechnete am Mittwoch der Nation schon mal vor, was die Massnahmen des Bundes in der Krise bislang verschlungen haben, respektive wohl mindestens verschlingen werden. Die Schweiz dürfte Stand heute ein Defizit von 30 bis 40 Milliarden Franken erleiden. Da sind die 40 Milliarden Bürgschaften für stillgelegte Firmen noch nicht eingerechnet, denn diese müssen zurückbezahlt werden. Kann die Schweiz sich ein solches Defizit leisten? Ja klar, kann sie. Der Verschuldungsgrad ist vergleichsweise gering und die zu leistenden Zinsen für neue Schulden ebenso. Aber natürlich sind alle Schulden eine Belastung für künftige Generationen.

Und diese Momentaufnahme wurde erstellt zu einer Zeit, in der die meisten Schweizer noch eine Stelle haben, wenn auch immer mehr eine vom Staat subventionierte (mittels Kurzarbeit). Der wirtschaftliche Niedergang aber ist weltweit und selbst der Wachstumsmotor China hat im ersten Quartal zum ersten Mal seit langer Zeit ein Negativwachstum verzeichnet. Diese globale Wachstumsschwäche ist es, die gewisse Ökonomen dazu verleitet, von der Grossen Depression II zu sprechen. Lockdown, Arbeitslosigkeit, Nachfragerückgang, Konsumrückgang, höhere Staatsausgaben und höhere Steuern, tiefere Gewinne. Unter diesen Gesichtspunkten erstaunt es schon, wie die Aktienmärkte einen Drittel ihrer Verluste aus dem ersten Quartal in den zwei ersten Wochen vom April wettmachen konnten.

Bedenken für den Tourismus

Aktienkurse sind bekanntlich vorwärtsblickend und auf die zu erwartenden Firmengewinne abgestimmt. In der (harten) Realität erwartet uns wohl als erstes ein Einbruch im Freizeitbereich und der Konsumgüterindustrie. Unsere Einkommen werden als Ganzes tendenziell sinken und damit der Anteil, welcher für (weniger wichtige) Konsum- und Luxusgüter zur Verfügung steht. Davon auch betroffen sein wird der Tourismus und insbesondere der Flugverkehr. Es ist schwer vorstellbar, dass diese Industrie einfach so aus ihrer grössten Krise seit vielen, vielen Jahren unbeschadet herauskommt und die gleichen Leistungen erbringen kann wie zuvor. Fliegen wird teurer werden und damit gibt es weniger Reisen. Die UBS erwartet im Tourismus der Schweiz einen Einbruch der Bruttowertschöpfung von bis zu 35 Prozent.

«Die Situation in den Dienstleistungsbranchen erweist sich als wesentlich prekärer als in der Industrie und stellt die Dienstleistungsbranchen vor noch nie dagewesene Herausforderungen, während Produktionsschwankungen in dieser Grössenordnung für die Industrie kein Neuland darstellen», so das Chief Investment Office der UBS Schweiz in einer am Freitag veröffentlichten Analyse.

Konzentration aufs Wesentliche

Der Blick auf die Industrie und die Finanzbranche bringt uns zu den wenigen positiven Aspekten. Auch wenn die meisten Industriezweige dieses Jahr ein Umsatzminus erleiden dürften, sind viele davon vergleichsweise gut gerüstet, die Pandemie zu überstehen – so lange sie nicht noch länger dauert und viel schlimmer wird. Für Versicherungen, Finanzdienstleister, aber auch IT-Firmen erwartet die UBS einen Rückgang der Bruttowertschöpfung von maximal 5 Prozent. In der Telekommunikation, im Gesundheitswesen und natürlich vor allem in der Pharmabranche erwartet die Bank gar ein Plus von bis zu 5 Prozent. Alle diese Branchen haben eine hohe Resilienz gegenüber der Coronakrise, so die UBS.

Wenn es der Schweiz gelingt, die allermeisten Teile der verarbeitenden Industrie, der Finanzbranche, IT und Forschung/Entwicklung zu erhalten, wenn es gelingt, bessere Rahmenbedingungen für die Wirtschaft zu schaffen als im Ausland, dann kann die Corona-Epoche für die Schweiz glimpflich ablaufen.

«Die Wirtschaftsmotoren der Schweiz wie Pharma, Versicherungen, IT, Forschung und Kommunikation sind hingegen nur schwach tangiert. Dies bekräftigt unsere Erwartung einer raschen Erholung der Wirtschaft und der weiterhin hohen Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz», schreibt auch die UBS.

Das alte Lied vom Starken gegen den Schwachen

Unter dem Strich bleibt ein Bild der enormen Kontraste. Bestehende Gegensätze werden verstärkt, mit Armen, die noch ärmer werden (weil sie nicht mehr arbeiten dürfen, wie beispielsweise in Indien) und Reichen, die sich dank einer guten Ausgangslage viel schneller aus der Klemme befreien können. Diese Betrachtung betrifft nicht nur das Individuum, sondern auch die Staaten, respektive deren Wirtschaft.

Selbst wenn es gelingen sollte, das Virus soweit zu bekämpfen, dass wir wieder relativ problemlos leben können, sind die Spuren der Verheerung nicht so schnell beseitigt.

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