Der frühere Grossbanker Pascal Botteron geht mit Künstlicher Intelligenz auf die Suche nach einer ESG-Outperformance. Im Interview mit finews.ch erklärt er, warum es das G ist, welches diese bringt.


Herr Botteron: Anstatt sich auf ESG-Investments zu konzentrieren, konzentrieren Sie sich bei Green Blue Invest nur auf das G, also Governance. Warum?

G kann als das Steuerrad gesehen werden, mit dem ein Unternehmen Einfluss nehmen und Veränderungen bewirken kann. Mit anderen Worten, wir betrachten das G als Lokomotive einer guten ESG-Integration.

Können Sie ein Beispiel geben?

Gerne: ein Unternehmen mit einem guten Umweltansatz (E) muss nicht unbedingt über einen guten sozialen Ansatz (S) oder eine gute Governance (G) verfügen. Andererseits wird ein Unternehmen mit einem guten G mit hoher Wahrscheinlichkeit das E und das S ansprechen. Dies haben wir in Gesprächen mit vielen Managern, aber auch in akademischen Untersuchungen beobachtet. Unsere Investment-These ist, dass Governance eine langfristige Outperformance auslöst und eine gute ESG-Kultur mit sich bringt.

Ihr Ansatz, das G zu messen, basiert auf Sprachanalyse und Erkennung. Können Sie das erläutern?

Die Bewertung der Qualität von Governance umfasst viele Aspekte wie Strategie, Kultur, Mitarbeiter, Engagement, Stakeholder-Management und Umwelt. Um zu verstehen, wie jedes dieser Elemente von einem Unternehmen behandelt wird, hat Professor Didier Cossin vom IMD ein sprachbasiertes systematisches Modell entwickelt, das aus Clustern von positiven und negativen Wörtern besteht.

«Eine gute Anlagestrategie braucht einen Performance-Katalysator»

Dieses Modell wird auf die Jahresberichte der Unternehmen angewandt und führt zu einer Bewertung der gesamten Unternehmens-DNA, genauer gesagt zu einem Governance-Score.

Praktisch Ihre ganze Karriere war darauf ausgerichtet, die Märkte irgendwie zu übertreffen. Jetzt scheinen Sie das Rezept gefunden zu haben. Wie ist das passiert?

Im Laufe der Jahre bin ich zu der Überzeugung gelangt, dass sich eine gute Anlagestrategie durch eine Kombination mehrerer Kriterien auszeichnet: ein Performance-Katalysator, ein Thema, das durch eine makroökonomische Sichtweise unterstützt wird, und eine authentische Performance-DNA, die sich nicht in ein Back-Testing einpassen lässt. Diese Kombination ist nicht leicht zu finden. Aber ich glaube, dass die Good-Governance-Strategie alle diese Aspekte anspricht.

Wie erklärt sich das ökonomisch?

Es ist ein ökonomischer Grundsatz, dass ein gut geführtes Unternehmen eine Outperformance generieren sollte. Unser Modell finde darüber hinaus ein wichtiges fehlendes Stück der aufstrebenden ESG-Branche: Die Messung des G und seines Einflusses auf das E und S. Basierend auf dieser akademischen Forschung haben wir ein Back-Testing mit starken Performance-Ergebnissen durchgeführt. Nach einem weiteren Live-Test waren alle Zutaten vorhanden, um den Good Governance Fund aufzulegen.

Wie sind Sie bei Green Blue Invest aufgestellt, und wie wachsen die Vermögen?

Wir verfolgen zwei Programme. Das erste identifiziert, wie beschrieben, Good Governance in US-Unternehmen. Die hervorragenden Bewertungen, die wir von unabhängigen ESG-Ratingunternehmen erhalten haben, und die starke Performance seit unserer Auflegung Anfang 2019 haben uns Anerkennung im Markt verschafft.

«Wir haben die Unternehmen mit KI-Einsatz identifiziert»

Zusätzlich zu diesem Fonds betreiben wir für institutionelle Investoren mehrere Beratungsmandate, die dieses Research umsetzen.

Das zweite Programm haben wir im vergangenen Februar gestartet, nachdem wird zwei Jahre lang auf dem Gebiet der Dekarbonisierung geforscht haben. Die Strategie beruht darauf, dass börsennotierte Unternehmen an der Forschung teilnehmen müssen, um Dekarbonisierungsziele zu erreichen. Wir glauben, dass Unternehmen mit den stärksten Patenten in diesem Bereich den stärksten Einfluss auf die Kohlenstoffreduzierung haben werden. In der Folge profitieren sie vom Wachstum einer entstehenden Dekarbonisierungsindustrie.

Das klingt nach einem hohen Research-Aufwand.

Ja. Wir haben uns hier mit Bisfico zusammengetan, einem auf diesen Bereich spezialisierten Forschungsunternehmen. Mit einem umfangreichen Einsatz von KI haben wir fast 300 Dekarbonisierungs-Themen identifiziert, die wir in einem globalen Universum von 8700 börsennotierten Unternehmen abdecken.

ESG-Investing wird zum Mainstream - Giganten wie Blackrock werden auch hier dominant. Wie können Sie trotzdem Wettbewerbsvorteile ausnutzen?

Wir unterscheiden uns in vielerlei Hinsicht von den ganz grossen Playern. Einer der Hauptunterschiede ist die Tatsache, dass wir ESG-Spezialisten im Gegensatz zu Investment-Generalisten sind. Einer unserer Kunden stellte die Analogie zwischen dem Aufkommen von ESG-Investmentprodukten und dem Aufkommen von Hedgefonds vor vor 25 Jahren her.

«Die Resonanz von institutionellen Kunden ist ein grosses Plus»

Damals suchten Investoren nach Spezialisten, also Hedgefonds, während Generalisten wie die Grossbanken allgemeinere Anlagevehikel als Teil ihres breiten Angebots anboten. In ähnlicher Weise sehen wir heute einen Platz auf dem Markt für voll spezialisierte ESG-Boutiquen-Manager.

Was sind die nächsten Ziele bei Green Blue Invest?

Wir möchten unsere Position als Innovationsfabrik für ESG-Investitionen stärken. Wir wollen unsere ESG-Ratings, unsere Produktperformance und Kundenakquisitionen nutzen, um das Unternehmen zu vergrössern. Um weiterhin Performance und erfolgreiche F&E zu liefern, akquirieren wir derzeit gemeinsam mit unseren Partnern Daten, um unseren Innovationsweg fortzusetzen.

Hat Covid-19 Ihr Wachstum behindert?

Was die Geschäftsentwicklung betrifft, so wird uns das Ende der verschiedenen Covid-Lockdowns erlauben, wieder Kunden zu besuchen und auch Interessenten zu sehen, die in den letzten zwölf Monaten starkes Interesse an unseren Lösungen gezeigt haben. Wir rechnen mit einer guten Entwicklung auf beiden Seiten des Atlantiks. Die jüngste positive Resonanz von institutionellen Kunden aus dem In- und Ausland ist ein grosses Plus, um sowohl unsere Produktentwicklungen als auch das Wachstum unserer Kundenbeziehungen weiter voranzutreiben.


Pascal Botteron ist Mitgründer und CEO der ESG-Investment-Boutique Green Blue Invest in Genf. Vor der Gründung im Jahr 2019 hatte Botteron eine Bankenkarriere durchlaufen, während der er bei der Deutschen Bank in verschiedenen Führungspositionen in der Vermögensverwaltung tätig war. Der promovierte Finanzwissenschafter Botteron verfolgte daneben auch eine akademische Laufbahn, mit Dozentenstellen an der Universität Zürich, am IMD in Lausanne sowie am HEC in Paris.

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