Peter Fanconi blickt zum 20-jährigen Jubiläum des Impact Investors Blue Orchard optimistisch auf die ESG-Entwicklungen. Im Interview mit finews.ch sagt er fundamentale Veränderungen in der Finanzbranche voraus.


Peter Fanconi, Blue Orchard gibt es seit 20 Jahren, Sie sind dort seit über zehn Jahren aktiv, seit 2016 als Verwaltungsratspräsident und zuvor als CEO: Wenn Sie die Wahrnehmung zu Impact Investing von damals mit heute vergleichen: Was sind die grössten Unterschiede?

Peter Fanconi: Das sind zwei komplett unterschiedliche Welten. Damals hatte noch niemand verstanden, dass gezielte Investments effektiv gesellschaftliche Veränderungen bewirken und eine Performance erzielen können. Impact Investing war damals auf ein paar wenige Philantropen und UHNWI ausgerichtet, teilweise unterstützt von Entwicklungsbanken. Es herrschte das Vorurteil, dass Impact den Anleger Rendite kosten würde. Der Wandel begann vor rund zehn Jahren mit der Institutionalisierung und dem Aufbau einer eigentlichen Impact-Investing-Asset Klasse. Der Industrie gelang es in der Folge, ihren Track-Record aufzuzeigen und zu belegen, dass Impact Investing durchaus sehr gute Performances erzielen kann. Der Rest war schliesslich Überzeugungsarbeit, wobei gesellschaftliche und ökologische Entwicklungen der Industrie mehr und mehr in die Hände spielen und die Nachfrage laufend zunimmt.

Zudem haben wir seit Jahren ein Zinsumfeld, das für Impact Investing förderlich ist. Ist das ein Treiber?

Das sehe ich nicht so. Impact-Produkte gelten ja nicht als Substitut für Cash. Impact Investing erfordert aufgrund seiner Struktur – die Investments erfolgen ja hauptsächlich in Schwellenländern – ein bestimmtes Verständnis beim Anleger, das sich in den vergangenen Jahren stetig verbessert hat.

«Die Öffentlichkeit drückt auf einen Wandel»

Ich sehe hier wirklich eine fundamentale Veränderung, unabhängig vom Zinsniveau. Schauen Sie die grossen Asset Manager im angelsächsischen Raum an: Diese haben ihre Anlagepolitik in jüngerer Zeit komplett auf Nachhaltigkeit ausgerichtet.

Hat die Branche eine Art ideologischen Wandel vollzogen?

Ich denke, der Wandel vollzieht sich auch aufgrund des Drucks der Öffentlichkeit. Bei Blue Orchard spüren wir dies in einer andauernden starken Nachfrage. Wer heute als Bank oder als Asset Manager kein gutes ESG- und Impact-Angebot hat, kann seine Kunden bald nicht mehr bedienen.

Welche Herausforderungen bedeutet dies für Blue Orchard, wenn diese Entwicklung so rasant verläuft?

Wir spüren auf Grund der neuen Anbieter und des massiven Ausbaus der Impact-Anlageklasse natürlich auch mehr Wettbewerb. Um diesen Wettbewerb bin ich sehr froh, sofern es sich dabei nicht um ein blosses Lippenbekenntnis handelt. Denn mehr Wettbewerb erhöht die Wahrnehmung für das Thema Impact Investing,. Davon profitieren natürlich vor allem die Empfänger der Anlagegelder und letztendlich auch Blue Orchard.

Der Boom hat auch seine Schattenseiten. Anbieter, die aus reinen Marketingüberlegungen solche Produkte auflegen, die dann den Anforderungen nicht standhalten.

Das stimmt leider: Green- oder Impact-Washing sind die negativen Begleiterscheinungen dieser Entwicklung. Natürlich möchte die gesamte Asset Management-Branche an dieser neuen Anlageklasse teilhaben.

«Von Schroders wird man noch einiges hören»

In zwei bis drei Jahren wird sich jedoch zeigen, wer sich mit guten Produkten durchsetzt und wer aus dem Markt wieder verschwinden wird. Jeder neue Anbieter wird auch an den Resultaten, dem Impact, gemessen. Neben einer langjährigen Erfahrung ist dazu auch eine institutionelle Grösse ausschlaggebend.

Aber vom reinen Fokus auf Mikrofinanz sind Sie etwas abgerückt.

Wir haben bereits vor einigen Jahren mit der Diversifikation in die Bereiche Private Equity und Infrastruktur begonnen und verfügen heute über eine breitere Produktepalette und können dadurch mehr Bedürfnisse abdecken. Der Fokus auf die Schwellenländer ist aber geblieben und wir können von unserer Mikrofinanz-Expertise profitieren.

Ihr Hauptaktionär, der Asset Manager Schroders, ist auf dem Gebiet eher noch Novize?

Es findet tatsächlich ein Wissens- und Know-how-Transfer statt. Wir stellen Schroders die langjährige Expertise und Erfahrung von Blue Orchard zur Verfügung. Das funktioniert sehr erfreulich. Von Schroders wird man zu diesen Anlagethemen in Zukunft einiges hören.

ESG und Impact Investing werden laufend stärker reguliert. Bedeuten mehr Auflagen mehr Aufwand?

Nur bedingt. Der zunehmende Einfluss von Regulatoren und das Aufstellen von Standards dient der weiteren Professionalisierung der Branche. Das nützt schlussendlich allen: Der Industrie, den Investoren und auch den Empfängern der Anlagegelder.

Der Verkauf der Mehrheit von BlueOrchard an Schroders im Jahr 2019 war ein Meilenstein in der 20-jährigen Geschichte. Wie hat das Unternehmen den Verkauf an einen der renommiertesten Asset Manager der Welt verarbeitet?

An der unternehmerischen Freiheit von Blue Orchard hat sich wenig verändert. Auf der Anlageseite sind wir vollkommen unabhängig geblieben. Dank unseres starken Hauptaktionärs können wir gegenüber grossen Investoren nun auf Augenhöhe begegnen.

«Wir haben den Fonds in sechs Monaten aufgestellt. Das war einmalig.»

Natürlich ist für uns auch von Vorteil, dass Schroders über ein internationales Vertriebsnetz verfügt. Gleichzeitig ist es so, dass Schroders uns nicht mit neuen Assets überflutet. Wir können das gemeinsam steuern.

Sie spüren also nicht den Druck des Hauptaktionärs, der im Zuge der grossen Nachfrage Kundengelder platzieren muss?

Nein, Schroders versteht, dass Impact Investments strukturell ganz anders aufgebaut sind und gewisse Produkte nicht unbeschränkt wachsen können. Hingegen unterstützt uns Schroders sehr gut dabei, neue Produkte aufzubauen und mit Anfangskapital im Markt zu platzieren. So gelang es beispielsweise sehr schnell, den weiltweit ersten Covid-Fonds für Kleinunternehmen in Schwellenländern aufzubauen. Das Seed Capital von Schroders war der Auftakt, so dass sich Entwicklungsbanken überall auf der Welt in einer gemeinsamen Initiative am Fonds beteiligt haben. Wir haben den Fonds innerhalb von sechs Monaten aufgestellt. Das war einmalig.

Besteht nicht die Gefahr, dass Blue Orchard irgendwann im Schroders-Universum aufgeht?

Unsere Beziehung mit Schroders ist partnerschaftlich. Das ist für beiden Parteien zentral. Dass Schroders-CEO Peter Harrison bei uns im Verwaltungsrat sitzt, ist Ausdruck davon.

Ihr Hauptprodukt, den Microfinance Fonds mussten Sie vergangenes Jahr für Neugelder schliessen, weil es auf der Anlageseite zu Engpässen bei neuen Projekten gab. Wie ist der Stand heute?

Ich muss das korrigieren: Der Fonds ist im Status des «Soft Closing». Das bedeutet, er ist nach wie vor offen für Investoren, wir kontrollieren lediglich die Zuflüsse stärker. Der Fonds wächst darum weiter und erzielt nach wie vor eine exzellente Rendite.

«Diese persönlichen Begegnungen haben mich gelehrt, demütiger zu sein.»

Der Grund für das «Soft Closing» lag teilweise auch an der steigenden Nachfrage: Wenn ein Grossinvestor innerhalb von zwei Monaten einige Hundert Millionen investieren will, funktioniert dies bei Mikrofinanz nur über ein gestaffeltes Vorgehen, sonst nimmt die Qualität der Investments ab.

Was waren für Sie persönlich die grossen Meilensteine bei Blue Orchard?

Ich habe alle unsere Fokusländer über die Jahre mehrmals bereist und für mich war es eine grosse Bereicherung zu sehen, dass Mikrofinanz und Impact Investing einen grossen Einfluss haben und den Menschen vor Ort ein besseres Leben ermöglichen. Was mich besonders fasziniert: Egal auf welchem Kontinent, in welchem Land oder in welcher Kultur – die Menschen haben das Bedürfnis, sich wirtschaftlich zu entwickeln, zu bilden und Chancen zu ergreifen, um für sich selber und ihre Familien eine gesunde Lebensgrundlage zu schaffen. Diese persönlichen Begegnungen haben mich geprägt und gelehrt, demütiger zu sein. Gleichzeitig haben sie mein Weltbild zurecht gerückt: Unsere entwickeltes Europa oder die USA sind nicht der Nabel der Welt. Wir haben mit unseren Investments bisher rund 200 Millionen Menschen erreicht. Das sind 200 Millionen individuelle Geschichten, die sich erzählen liessen. Im kürzlich veröffentlichten Buch zum 20-jährigen Jubiläum «This is my story» haben wir immerhin ein Dutzend dieser Geschichten erzählen können.

Sie sind seit über zehn Jahren aktiv bei Blue Orchard dabei, waren CEO und sind seit 2016 Verwaltungspräsident. Wie lange wollen Sie das bleiben?

Daran verschwende ich keine Gedanken. Mein Engagement ist eine Herzensangelegenheit. Mit 54 Jahren droht mir ja auch keine Altersguillotine... Blue Orchard wird noch länger ein Teil meines Lebens sein.

Inwiefern prägen Ihre Tätigkeit bei Blue Orchard und ihre damit zusammenhängenden Überzeugungen die Engagements bei der Graubündner Kantonalbank (GKB) und bei EFG International?

Ich denke, meine Grundhaltung ist bei allen drei Finanzinstituten dieselbe und sie fliesst bei den beiden Banken auch ein: Die GKB gilt heute als die nachhaltige Kantonalbank. Das Nachhaltigkeitsthema wird auch bei der EFG immer zentraler und es ist mir ein grosses persönliches Anliegen, dass beide Banken diese Themen verinnerlichen.

Die Finanzindustrie sieht sich als Teil einer Gesamtlösung, um Probleme wie Klimawandel, Armut, Bildung sowie gesellschaftlicher und technologischer Wandel für eine nachhaltigere Wirtschaft anzugehen. Kann das die Finanzindustrie wirklich?

Davon bin ich überzeugt. Die Einbindung der Finanzindustrie ist die einzige Lösung, um mit dem Hebel von privaten Geldern Entwicklungen zu steuern. Denn nur mit Steuergeldern lässt sich dies nicht erreichen. Ich bin aber auch davon überzeugt, dass Teile der Finanzindustrie diese Entwicklung verschlafen werden und dadurch Teile ihrer Kundenbasis verlieren werden. Mein Optimismus rührt daher, dass der Druck der Kunden so enorm geworden ist. Vor diesem Hintergrund haben sich viele der grössten Investoren der Welt komplett auf Nachhaltigkeit ausgerichtet. Das hätte kein Regulator geschafft.


Peter Fanconi ist Verwaltungsratspräsident von Blue Orchard, wo er zuvor auch CEO war. Der 54-jährige Jurist präsidiert zudem den Bankrat der Graubündner Kantonalbank und ist Präsident der Privatbank EFG International. Zuvor war er CEO des Hedgefonds Harcourt und CEO der Vontobel Private Bank gewesen. Blue Orchard entstand 2001 auf Initiative der Vereinten Nationen (Uno) und gilt heute als einer der führenden Impact Investoren in Schwellenländern.

 

 

 

Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
  • Julius Bär, weil der Kurs seit dem Signa-Debakel genügend gesunken ist.
    20.3%
  • Vontobel, weil das Unternehmen 2024 die Wende im Asset Management schaffen wird.
    8.79%
  • EFG International, weil die Bank keinerlei interne Probleme bekundet und stark wächst.
    14.91%
  • UBS, weil die Grossbank auch als Privatbank enormes Potenzial bietet.
    46.36%
  • Banque Cantonale Vaudoise, weil sie unter den Kantonalbanken ein grosses Private Banking anbietet.
    9.63%
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