Grundsätzlich sollte die sogenannte Mindfulness jeden Bereich des Lebens durchdringen. Doch gerade bei der Arbeit hält die Praxis ganz konkrete Tricks bereit, welche beim Verarbeiten der täglichen Informationsflut helfen können. Vier Beispiele. 

Von Angelika von der Assen


Der Terminkalender ist prall gefüllt, neue E-Mails landen im Minutentakt in der Inbox, die Meetings gehen nahtlos ineinander über und mindestens drei «Top Priorities» sollten umgehend erledigt werden. Klingt das vertraut? «Big Busyness» ist allgegenwärtig und sorgt dafür, dass sich viele konstant überwältigt fühlen. Also noch mehr und schneller arbeiten, um alles erledigen zu können?

Wer diesen Ansatz ausprobiert, kommt früher oder später zum Schluss: «The way we work isn’t working!» Nicht ohne Grund nennt man den Menschen im Englischen «Human Being» und nicht «Human Doing». Der Schlüssel zu einem erfolgreichen und nachhaltigen Umgang mit unserer reizüberfluteten und kurz-getakteten Arbeitswelt liegt in der Balance zwischen Tun und Sein. Ein möglicher Ansatz, um dieses Gleichgewicht zu finden, ist «Mindfulness», zu Deutsch Achtsamkeit.

Die folgenden vier Tipps können helfen, den Aktionismus hinter sich zu lassen – und am Ende trotzdem mehr zu erreichen.

1. Fuss vom Gas für mehr Speed

Gerade wenn man das Gefühl hat, überhaupt keine Zeit zu haben, sind Mini-Auszeiten besonders wichtig. Kurz anhalten, den Blick vom Telefon oder Computer lösen, innehalten – ein paar Atemzüge lang reicht schon aus. Gut integrieren lassen sich solche Mini-Auszeiten beim Wechsel von einer Aktivität zur nächsten. Nehmen Sie dazu ein paar bewusste, tiefe Atemzüge, tauchen Sie aus der Arbeit auf und kommen Sie wieder mit sich selbst in Kontakt. Selbst ein so kurzer Moment des «Einfach nur Seins» reicht oft, um den geistigen Reset-Knopf zu drücken, den überlasteten Präfrontalen Kortex – unser «Exekutiv-Gehirn» – zu erfrischen, Prioritäten richtig einzuordnen und Aufgaben wieder mit mehr Energie anzupacken.

2. Ziele und Werte als Leitstern nutzen

Um weniger zu tun und damit mehr zu erreichen, braucht es einen persönlichen «Leitstern». Als Orientierungspunkt beschreibt er, was Sie erreichen wollen, was Sie wirklich erfüllt und was dazu getan werden muss. Denn wenn alles auf der To-Do-Liste dringend und wichtig erscheint, so helfen traditionelle Zeitmanagement-Strategien nicht weiter.

Eine kurze Achtsamkeitsübung kann helfen durchzuatmen, sich zu entspannen und den richtigen Fokus zu setzten: Nehmen Sie insgesamt drei Atemzüge, wobei Sie beim ersten Ihre ganze Aufmerksamkeit auf Ihren Atem richten und bewusst tief und lang ein- und ausatmen. Beim zweiten Atemzug lockern Sie zusätzlich Schultern, Gesicht und Hände und spüren der sich einstellenden Entspannung nach. Beim dritten Atemzug fragen Sie sich still: Was ist jetzt gerade wirklich wichtig?

Lassen Sie sich mit der Beantwortung ruhig etwas Zeit. Oft werden Sie überrascht sein, wenn als Antwort etwas ganz anderes herauskommt als das, was gerade zuoberst auf Ihrer To-Do-Liste steht. Besonders wirkungsvoll ist diese Übung auch am frühen Morgen, kurz nach dem Aufstehen: Wenn Sie sich Klarheit darüber verschaffen, was heute wirklich wichtig ist, so können Sie einen hilfreichen Fokus für den Tag setzen und werden sich seltener in weniger wichtigen Aktivitäten verlieren.

3. Öfter nein sagen

Wenn Sie Ihren persönlichen Leitstern kennen und Sie sich dank der vorherigen Übung bewusst darüber sind, was jetzt gerade wirklich wichtig ist, so fällt es leichter, nein zu Aktivitäten zu sagen, die Sie nicht weiterbringen. Denn oft verpflichten wir uns zu solchen Tätigkeiten aus dem Wunsch nach Anerkennung, um zu gefallen oder aus Angst, irgendetwas zu verpassen. Ein bewusstes Nein zu solchen Aktivitäten lässt Ihnen mehr Zeit für das Wesentliche und reduziert das Stressempfinden.

Wenn Ihnen das schwer fällt, so hinterfragen Sie in einem stillen Moment des Seins die Gründe dafür, warum Sie oft ja zu Dingen sagen, die nicht mit Ihren wirklichen Prioritäten und Werten übereinstimmen. Und werden Sie sich bewusst, was für einen hohen Preis Sie dafür bezahlen.

4. Kein Multitasking – wirklich

Wenn so vieles erledigt werden soll, erscheint es verführerisch, einfach mehrere Dinge gleichzeitig zu tun. Bis vor einigen Jahren galt Multitasking noch als «Top Skill» und erstrebenswerte Fähigkeit. Doch neurowissenschaftliche Untersuchungen haben inzwischen gezeigt, dass Multitasking eine Illusion ist. Der Mensch kann sich nicht wirklich auf zwei Dinge gleichzeitig konzentrieren. Vielmehr springt die Aufmerksamkeit ständig zwischen zwei Aufgaben hin und her. Dieser Wechsel braucht jedes Mal Zeit, je nach Komplexität der Aufgabe zwischen ein paar Sekunden bis zu mehreren Minuten. Deshalb raubt uns Multitasking mentale Energie, führt zu Fehlern oder schlechterer Ergebnisqualität und reduziert insgesamt unsere Produktivität. Wenn wir uns auf jeweils eine Aufgabe konzentrieren, so sinkt das Stressempfinden.

Allgemein gilt: Je unbewusster und fremdbestimmter wir durch unseren Arbeitsalltag gehen, desto stärker haben wir das Gefühl, in einem Hamsterrad zu rennen. Mindfulness kann diesem Gefühl entgegenwirken. Mehr Achtsamkeit im Beruf und ausserhalb des Büros kann helfen, ein fokussierteres und entspannteres Leben zu führen.


Angelika von der Assen ist seit mehr als zwanzig Jahren in der Entwicklung von Führungskräften in der Schweiz und international tätig. Selbst Führungskraft und Mindfulness Consultant, ist sie ist in der Schweiz eine der Pioniere, die Achtsamkeit in die Chefetagen verschiedener Unternehmen bringt, mit Business-tauglichen Methoden, basierend auf wissenschaftlichen Erkenntnissen und unabhängig von bestimmten Weltanschauungen. Angelika von der Assen leitet das bei Google entwickelte Achtsamkeitsprogramm «Search Inside Yourself», das in Unternehmen und als öffentliches Seminar angeboten wird.