Sascha Wullschleger: «Wir treffen uns hier nicht nur zum Reden»

Die Schweizer Privatbank BIL finanziert seit vier Jahren die mittlerweile angesehene Decentralized-Finance-Konferenz in Lugano. Im Gespräch mit finews.ch erklärt BIL-Lugano-Chef Sascha Wullschleger, welchen Nutzen das Institut daraus zieht, sich mit der Crème de la Crème der internationalen Kryptoszene zu vernetzen.


Sascha Wullschleger, die Decentralized-Finance-Konferenz findet diese Woche zum vierten Mal in Lugano statt. Warum engagiert sich die Privatbank BIL als Sponsorin und Mitorganisatorin so stark im Technologiesektor?

Wir sind stolz darauf, dass wir seit vier Jahren mit Scytale Digital dieses Networking- und Technologieforum auf die Beine stellen.

Die Geschäfts- und Finanzwelt entwickelt sich ständig weiter; wir bleiben offen, wachsam und interessiert an neuen Branchen, die talentierte Fachleute anziehen und neue Investitions­chancen eröffnen.

«Decentralized Lugano untersucht das Potenzial von Web3-Technologien.»

Die BIL Group ist darüber hinaus eine unternehmerische Bank. Wir waren überzeugt, dass eine Plattform, die Fachleute und Unternehmerinnen sowohl aus traditionellen Industrien als auch aus der neuen Welt der digitalen Vermögenswerte zusammenbringt, die Zusammenarbeit zwischen diesen Bereichen fördert.

Wie genau entstand die Idee zu dieser Konferenz?

Im Jahr 2020 arbeitete ich mit den Schlüsselpersonen von Scytale Digital, CIO Mark Cachia und CEO Christoph Kampitsch, zusammen. Nach einer Brainstorming-Sitzung beschlossen wir, Scytales Jahresanlass im Süden der Schweiz, in Lugano, auszurichten – in dieser atemberaubenden Landschaft als Kulisse.

Das Ziel war, zukunftsorientierten Unternehmerinnen und Investoren Wissen über innovative digitale Vermögenswerte zu vermitteln. Decentralized Lugano untersucht das Potenzial der Web3-Technologien, ihre Auswirkungen auf verschiedene Sektoren und fördert den Austausch sowie die Zusammenarbeit unter Branchenführern.

Hätte der Event nicht eher in Zürich oder im Crypto Valley Zug stattfinden sollen?

Lugano ist der drittwichtigste Finanzplatz der Schweiz. Unser Hauptanliegen war, Blockchain-Expertinnen mit Unternehmern und Investoren zu vernetzen.

Die Stadt hat 2022 mit der Einführung des LVGA-Tokens zusammen mit BTC und USDT ein Zeichen gesetzt und Zahlungen für öffentliche Dienstleistungen ermöglicht – ein Schritt der Verwaltung, um Lugano als führenden Blockchain-Hub Europas zu positionieren.

«Die BIL-Niederlassung in Lugano wurde bereits im Jahr 1985 eröffnet.»

Dank der Zusammenarbeit zwischen dem BIL-Büro Lugano und Scytale Digital findet der private Event bewusst hier statt: Wir bringen weltweite Spitzenexpertinnen nach Lugano, um ihr Know-how zu teilen.

Zwei Jahre in Folge durften wir Gavin Wood als Keynote-Speaker begrüssen – den Mitgründer von Ethereum und Schöpfer von Polkadot sowie Kusama.

Wie gross ist die BIL-Niederlassung in Lugano? Wer sind Ihre Zielkund:innen?

Unser Büro wurde bereits 1985 eröffnet und beschäftigt heute sieben Mitarbeitende, die eine globale Kundschaft betreuen. Als Boutique-Bank bieten wir internationalen UHNWIs innovative Vermögenslösungen.

Unsere Zusammenarbeit mit wegweisenden Innovator:innen hat unser Geschäft nachhaltig wachsen lassen. Wir betreuen Unternehmerfamilien, Führungspersönlichkeiten und professionelle Investor:innen.

Wer treibt den Anlass – neben BIL – sonst noch voran?

BIL Suisse ist Gastgeberin und Hauptsponsorin. Scytale Digital organisiert den Anlass und sorgt dafür, dass jedes Jahr hochkarätige Sprecherinnen und Sprecher sowie Innovatorinnen und Innovatoren teilnehmen.

«Wenn ich das jetzt verrate, bekomme ich womöglich Hausverbot.»

Decentralized Lugano hat sich durch die Qualität des Wissenstransfers ausgezeichnet und ist zur Plattform geworden, wo Unternehmer:innen und Investor:innen neue Synergien schaffen.

Welche Erkenntnisse oder Erfolgsgeschichten aus den ersten drei Ausgaben prägen das Programm von 2025?

Eine wichtige Lektion ist die intime Atmosphäre mit den richtigen Leuten – so entstehen tiefgehende Gespräche zwischen Entwickler:innen, Investor:innen und Politik.

Frühere Ausgaben brachten echte Resultate wie neue Finanzierungen, Partnerschaften und regulatorische Einsichten hervor. 2025 setzen wir auf vertrauensvolle Formate, die Dynamik schaffen, um die Zukunft dezentraler Systeme zu gestalten.

Was sind die konkreten Highlights dieses Jahres?

Das Line-up vereint Führungskräfte aus Fintech, Gaming, Energie und KI – ein Spiegel dafür, wie weit Dezentralisierung reicht. Zudem stehen grosse Partnerschaften bevor… aber wenn ich sie jetzt verrate, bekomme ich womöglich Hausverbot. Also: abwarten!

Viele Panels thematisieren tokenisierte Real-World-Assets und bankfähige Infrastruktur. Welche Meilensteine muss DeFi 2025/26 erreichen, damit traditionelle Banken sie als Kern- statt Experimentalsparte behandeln?

Die Veränderung ist bereits im Gang: Banken bauen aktiv mit DeFi. J.P. Morgan wickelt mit Onyx tokenisierte Sicherheiten ab, Société Générale gibt regulierte Sicherheitstoken auf öffentlichen Chains aus.

«Die Schweiz zeigt, dass regelbasierte Ansätze Innovation nicht abwürgen müssen.»

Gleichzeitig wird weiter experimentiert – etwa mit composable KYC, autonomen Kreditmärkten oder tokenisierten Zentralbankreserven. Die kommenden Meilensteine sind nicht nur technischer oder regulatorischer Natur, sondern auch kulturell: Es geht um Vertrauen, Interoperabilität und gemeinsame Standards.

Die Schweiz gilt als pragmatisch, doch EU-MiCA und Basel-Regeln werden strenger. Wie balancieren Projekte Compliance und das permissionless Ethos?

Es ist kein Entweder-Oder, sondern Systems-Design, das beidem gerecht wird. Die Schweiz zeigt, dass regelbasierte Ansätze Innovation nicht abwürgen müssen. MiCA zwingt nun ganz Europa nachzuziehen.

Der Schlüssel ist Modularität: Kern­infrastruktur, die mit regulierten Umgebungen interagiert, ohne den offenen Zugang anderswo einzuschränken.

Da das Venture-Funding im Kryptobereich zurückgegangen ist: Welche Kennzahlen abseits von TVL priorisieren VCs heute bei DeFi- und Web3-Start-ups?

VCs legen Wert auf Projekte, die reale Probleme erkennen und skalierbare Lösungen liefern. Entscheidend sind Nutzer­gewinnung, -bindung und praktische Anwendungen.

Gefragt sind starke IP, Prozess­optimierung und Potenzial für Enterprise-Sales. Die besten Chancen verbinden überlegene Technik mit konkretem Nutzen und nachhaltigen Partnerschaften.

Auch Manager des FC Barcelona sprechen in Lugano. Erzielen tokenisierte Fan-Engagement-Modelle bereits wiederkehrende Umsätze oder bleiben sie Spielerei?

Das hängt vom Club und der Umsetzung ab. Frühere Fan-Token sorgten für Aufsehen, doch wie stabil die Erlöse sind, ist noch offen. Interessanter ist, dass Klubs wie «Barça» Blockchain tiefergehend prüfen, besonders im Datenbereich.

«Wir sind hier, um zu bauen.»

Daten­analytik wird zentral – für Spieler­leistung und Fan-Insights. Gleichzeitig sehen wir Experimente wie FIFA Rivals und NFL Rivals von Mythical Games, die Gameplay, Fan-Identität und digitales Eigentum stärken. Solche Nutzungs- und Entertainment-Schnittstellen zeigen, wohin die Reise geht.

Auf welche KPIs sollen Teilnehmende im Mai 2026 zurückblicken und sagen, Decentralised Lugano 2025 hat sie vorangebracht?

Auf die Anzahl sinnvoller Kooperationen oder Initiativen, die hier entstanden sind. Seien es neue Finanzierungen oder deren Integrationen in Ökosysteme wie Polkadot oder in Firmen, die nach Gesprächen in Lugano stärker auf Dezentralisierung setzen.

Wir treffen uns nicht nur zum Reden, wir sind hier, um zu bauen – wenn wir 2026 konkrete Ergebnisse auflisten können, haben wir unser Ziel erreicht.


Sascha Wullschleger ist seit sieben Jahren für die Privatbank BIL Suisse tätig, wo er als Head Wealth Management die Niederlassung in Lugano leitet. Er engagiert sich stark in der Vernetzung von Unternehmerinnen und Unternehmern mit der Technologie-Branche. Bevor er zur BIL stiess, war er im Tessin mehr als sechs Jahre als Senior Relationship Manager für die Genfer Union Bancaire Privée tätig sowie gut zwölf Jahre für die niederländische ABN Amro Bank.