Carsten K. Rath: «Hier fühlt man sich wie bei einer Adelsfamilie»

Schweizer Luxushotels hat Hotel-Experte Carsten K. Rath schon viele gesehen. Die Villa Castagnola am Ufer des Luganersees kann mit den bekanntesten Grand Hotels des Landes mithalten.

Im Tessin treffen schneebedeckten Alpen auf Palmen, schmiegen sich malerische Orte an die Ufer der berühmten Seen. Es ist seit Jahrhunderten ein Rückzugsort für Künstler und Freigeister –, er zieht mittlerweile aber auch eine entschieden mondänere Klientel an. Das liegt vor allem an den erstklassigen Hotels der Region. Eines davon ist das «Grand Hotel Villa Castagnola», das selbst ein Stückchen Tessiner Geschichte ist. 

Die edle Villa Castagnola, eingebettet in ihrem subtropischen Privatgarten. (Bild: zVg)

Ein Hotel mit 140-jähriger Tradition

Das heutige Fünf-Sterne-Hotel wurde im Jahr 1880 von einer russischen Adelsfamilie erbaut. Wenig später erwarb ein Schweizer Ehepaar die Privatresidenz und wandelte sie in ein Hotel um. 1982 übernahmen Ivan Zorloni und Claudia Zorloni-Garzoni die Immobilie, modernisierten sie gründlich und erweiterten sie.

Das Ehepaar kümmert sich noch heute, über 40 Jahre später, um den Hotelalltag – mit viel Elan und Herzblut. Die beiden Schweizer lernten sich übrigens in der «École hôtelière de Lausanne» kennen –, «beim Kartoffelschälen», wie mir Ivan Zorloni bei einem Glas Schaumwein erzählt.

Die liebevolle Hingabe der beiden Hoteliers spüre ich überall im Haus. Alles hat seinen Platz, jeder Raum erzählt seine eigene Geschichte. Das Dekor ist eine verzaubernde Mischung aus stilvollem, mit der Region eng verbundenem Mobiliar und moderneren, geographisch verstreuten Einflüssen. Ein goldener Buddha-Kopf unter einem italienischen Kunstwerk des 17. Jahrhunderts? In der Villa Castagnola passt das zusammen! 

Doch das Beste an meiner 70 Quadratmeter grossen Suite liegt ausserhalb: Der Blick auf den in der Sonne schimmernden See und die schneebedeckten Berge tut der Seele genauso gut wie die warmen Farben der Tapeten und des Bettzeugs. Ausserdem freue ich mich über den Luxus, gleich zwei Badezimmer zu haben – eines davon mit Badewanne.

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Der Blick von meinem Balkon auf die einzigartige Landschaft Luganos. (Bild: zVg)

Ob Sauna, Segeln oder Schmausen: Für Unterhaltung wird gesorgt 

In Lugano habe ich die Qual der Wahl: Wandern oder Segeln? Paragliding oder Mountainbike-Tour? Mein Glück ist, dass ich meinen Lieblingssport auf dem hoteleigenen Tennisplatz ausüben kann. Aber Achtung: Wem die Rückhand ausrutscht, der muss dem Ball im Lago di Lugano nachschwimmen! 

Apropos: Der private Lido am See ist ein echtes Highlight. Er ist stilvoll, ruhig gelegen und exklusiv den Hotelgästen vorbehalten. Positiv überrascht mich der beheizte Innenpool, der für das recht kleine Hotel mit seinen 72 Zimmern und Suiten erstaunlich gross ist und einen schönen Blick auf den Garten und den See bietet. Biosauna, Caldarium, Dampfbad – auch im Wellnessbereich ist alles da, was das Herz begehrt. Und alles ist ebenso stilvoll und elegant wie der Rest des Hotels. 

Nach meiner Auszeit im Spa-Bereich mache ich mich tiefenentspannt auf den Weg in die Galleria Arté al Lago, eines der drei Hotelrestaurants unter der Leitung von Executive Chef Alessandro Boleso. Das Restaurant ist stolzer Besitzer von 16 Gault-Millau-Punkten, die es für seine raffinierten Kompositionen auch verdient hat. In Erinnerung geblieben ist mir vor allem die Rinderhochrippe mit Schalotten-Kimchi sowie die geräucherte Ananas mit Lakritze. Kostenpunkt für das Sechs-Gänge-Degustationsmenü: 150 Franken.

Der Name des Restaurants ist Programm: Die  Galleria Arté stellt Gemälde und Skulpturen einer Reihe von internationalen Künstlern aus. Alle sechs Monate ändert sich die Kollektion. 

Das gastronomische Angebot der  Villa Castagnola  runden das  Le Relais  (15 Gault-Millau-Punkte) und das lockerere  La Rucola  ab, das auch einige vegane Speisen anbietet. Alles möglichst regional und saisonal, versteht sich. 

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Die Gemälde und Skulpturen, das Essen und die Landschaft: In der  Galleria Arté ist irgendwie alles Kunst. (Bild: zVg) 

In der Villa Castagnola kann man die Geschichte an den Wänden ablesen

In der  Cocktail Bar lasse ich den Abend bei Live-Pianomusik ausklingen. Als die meisten Gäste sich schon auf ihre Zimmer zurückgezogen haben, besuche ich noch die im Garten zwischen Bananenpalmen versteckte  Banano Bar, die etwas Märchenhaftes hat. Die Lichter Luganos, der stille See, die Sterne – da gerät man schnell ins Träumen. 

Als am nächsten Nachmittag ein Regenschauer über den See hinwegzieht, mache ich es mir im  Salone del Camino gemütlich, dessen Gobelins aus dem 17. Jahrhundert die Atmosphäre einer längst verlorengegangenen Welt heraufbeschwören.

Genau das ist es, was mir an der Villa Castagnola so sehr gefällt: Die Geschichte des Hauses und der Region steht nicht nur auf der Webseite oder im Hotelprospekt, sondern ist in jeder Ecke zu spüren. Ich fühle ich mich aber nie wie in einem verstaubten Museum – eher wie zu Gast bei einer befreundeten Adelsfamilie.

Das liegt sicherlich auch an den zuvorkommenden Mitarbeitern. Schon beim Check-in merke ich: Hier haben alle Spass an ihrer Arbeit. Besonders Franco ist mir in Erinnerung geblieben. Der sympathische Kellner ist seit über 40 Jahren Teil des Teams. Gerade in der schnelllebigen Hotelbranche ist eine solche Loyalität ein Zeichen dafür, dass das Management vieles richtig macht.

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Wer seinen Afternoon Tea im gemütlichen Salone del Camino nimmt, reist einige Jahrhunderte in die Vergangenheit. (Bild: zVg) 

Die Schweiz blickt auf eine lange Tradition exzellenter Grand Hotels zurück – eine Geschichte, die bis heute anhält. Auch im Tessin warten einige erstklassige Hotels auf Gäste aus aller Welt, in Ascona zum Beispiel das Castello del Sole oder das Hotel Eden Roc, in Lugano die Villa Principe Leopoldo. Das Grand Hotel Villa Castagnola kann sich dank seiner zeitlosen und geschichtsträchtigen Eleganz mühelos in diese illustre Aufzählung einiger der besten Hotels der Schweiz einreihen.


Als früherer Grandhotelier und Betreiber des Hotel Rankings «Die 101 besten Hotels» ist Carsten K. Rath Globetrotter von Berufs wegen. Sämtliche Hotels, über die er für Finews schreibt, bereist er auf eigene Rechnung.

Rath ist zudem Autor des Buches «Die 101 besten Hotels Schweiz 2025». Es ist hier erhältlich.