Noch nie waren Schweizer Weine so exzellent wie heute. Sie halten preislich mit der ausländischen Konkurrenz locker mit. Dies zeigen Weine aus sechs Schweizer Anbauregionen die finews.ch-Weinredaktor Peter Keller ausgewählt hat, und die weniger als 20 Franken kosten.

Anfang eines neuen Jahres ist das Portemonnaie vielleicht etwas leerer als sonst. Das Geld sitzt nicht mehr so locker, so dass man auch in Sachen Wein nicht ungern auf preisgünstigere Beispiele ausweicht. Kann da die Schweiz etwas Gescheites bieten?

Klar ist, im absoluten Spitzenbereich ist unser Land der ausländischen Konkurrenz sogar grösstenteils überlegen. Weine über 100 Frnaken sind hierzulande selten – im Gegensatz etwa zu Bordeaux, Burgund oder zur Toskana. Die Qualität der einheimischen Weine ist in den letzten zwei Jahren massiv gestiegen.

Viele tolle Crus

Da wir alle Tropfen praktisch selber trinken, ist das Renommee im Ausland eher überschaubar. Das ist zwar schade, hat aber den Vorteil, dass sich die Preise in einem vernünftigen Rahmen bewegen. Unbestritten ist: Im industriellen Massenbereich mit Verkaufspreisen von fünf, sechs Franken hat die Schweiz keine Chance.

Da produzieren Südfrankreich, Spanien, Chile und wer auch immer günstiger. Unsere Kosten für Löhne und Böden sind höher. Und in diesem Segment spielt ausschliesslich der Preis eine Rolle. Wer aber bereit ist, für eine Flasche zwischen 15 und 20 Franken auszugeben, findet hierzulande viele tolle Crus. Das zeigen unsere sechs Beispiele, je eines aus jedem Anbaugebiet:

1. Deutschschweiz: Räuschling 2019, Weingut Bachmann, Stäfa

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Die weisse Spezialität wird vornehmlich am Zürichsee angebaut. Das Beispiel des Weinguts Bachmann wird im Stahltank ohne biologischen Säureabbau vergärt und ausgebaut. Es präsentiert sich reintönig, sortentypisch und mit einem fruchtig-floralen Duft. Das alles für 19 Franken.

Weitere Merkmale: trocken, saftig, frisch, elegant, mittelschwer, gute Länge. Der Familienbetrieb hat sich neu ausgerichtet und wird jetzt von Theres Bachmann und ihrem Ehemann Jonathan Bachmann geführt.

2. Genf: Aligoté le Coin d’Or 2018, Domaine du Paradis, Satigny

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Die weisse Sorte ist bekannt aus dem Burgund und wird hierzulande nur vereinzelt angebaut. Sie ergibt reintönige, frische, aromatisch eher zurückhaltende Weine, die jedoch hervorragend zu Süsswasser-Fischen passen.

Ein gutes und erst noch preiswertes Beispiel keltert die zuverlässige Domaine du Paradis. Der im Stahltank ausgebaute Wein ist geprägt von Zitrus-Aromen, reichhaltig und endet mit einem leicht salzigen Abgang für 16.50 Franken.

3. Waadt: Petit Clos Grand Cru 2019, Domaine La Colombe, Féchy

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Zu den Waadtländer Spitzenproduzenten zählt die Domaine La Colombe der Familie Paccot (im Bild Laura Paccot). Gearbeitet wird nach biodynamischen Methoden. Die Weine haben eine gute Spannung und Lebendigkeit, wie auch dieser im Stahltank ausgebaute Chasselas für 17 Franken beweist.

Er ist trocken, dicht, frisch, gehaltvoll, gut strukturiert und hat ein langes, leicht salziges Finale. Petit Clos ist eine lehmhaltige Lage auf 500 Metern über Meer.

4. Tessin: Sottoroccia 2018, Tenuta San Giorgio, Cassina d’Agno

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Der Einstiegswein des Winzers Mike Rudolph ist eine gelungene Assemblage aus hauptsächlich Merlot, etwas Cabernet Franc und Cabernet Sauvignon. Fruchtigkeit, Würze und Struktur bilden eine schöne Harmonie.

Der unkomplizierte, zugängliche Wein ist mittelschwer, rund, elegant und endet mit einer guten Länge. Er ist vielseitig einsetzbar für 19.50 Franken.

5. Wallis: Gamay de Branson 2018, Cave de l’Orlaya, Fully

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Die aus dem Beaujolais stammende Sorte Gamay fristet eher eine Mauerblümchen-Dasein. Eigentlich zu Unrecht, denn sie liefert nicht zu schwere, fruchtbetonte Weine mit einem schönen Trinkfluss. So auch dieses Beispiel aus der Cave de l'Orlaya, das einen steilen Aufstieg erlebt.

Die französische Besitzerin und Winzerin Mathilde Roux hat den Betrieb völlig umgekrempelt und produziert herkunftstypische Weine der Extraklasse ab 19 Franken.

6. Drei-Seen-Region: Pinot noir Aime Terre 2019, Javet & Javet, Vully

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Das Gut der Gebrüder Javet, das es zu beachten gilt, liegt am Murtensee. Er bildet zusammen mit dem Neuenburger- und Bielersee die Drei-Seen-Region.

Der grazile Pinot noir gedeiht hier besonders gut. Aus der Sorte werden im Idealfall finessenreiche, dichte, gut strukturierte Weine gekeltert. Der biodynamisch erzeugte Wein glänzt mit diesen Eigenschaften zum Preis von 19 Franken.


Peter Keller ist Weinakademiker und schreibt auch für die «NZZ am Sonntag».