Die UBS und CEO Ralph Hamers wollen eine mögliche Strafverfolgung wegen Geldwäscherei aussitzen. Doch Gerichtsdokumente bringen bislang unbekannte Details zu Hamers und seiner Verantwortung bei ING zutage.
Die Begründung des Gerichtshofs in Den Haag, eine Strafverfolgung gegen den heutigen UBS-CEO Ralph Hamers wegen seiner mutmasslichen Verantwortung im Geldwäschereifall bei ING einzuleiten, enthält einige «Smoking Guns».
Grundsätzlich hält das Gericht frühere Aussagen von Hamers nicht für glaubwürdig, er habe als ING-CEO keine Anzeichen bemerkt und auch keine Warnungen erhalten, dass die niederländische Grossbank Geldwäscherei im grossen Stil betreibe.
Keine neue Faktenlage?
Im Jahr 2018 hatte die ING mit der Staatsanwaltschaft einen Vergleich geschlossen, der jegliche Verantwortung des Management und Hamers in dem Fall ausschloss. ING musste hingegen eine Busse 775 Millionen Euro bezahlen.
Hamers und die UBS wollen eine mögliche Strafverfolgung – die Staatsanwaltschaft muss zunächst eine Anklage prüfen – offenbar aussitzen. Neue Beweise habe der Gerichtshof in dem Fall nicht vorgelegt und die bisherige Faktenlage habe sich nicht geändert.
Mehrmals über Mängel gewarnt
Das stimmt so nicht. Im Dokument des Berufungsgerichts finden sich einige Details zu Vorgängen, die bislang nicht bekannt gewesen waren. Hamers habe im Jahr 2014 vom damaligen Leiter der Rechtsabteilung eine Email zu strukturellen Mängeln in der Compliance erhalten. Es müssten sofort Massnahmen ergriffen werden, wurde Hamers gewarnt. Ansonsten würden diese Mängel «nicht nur für ING ein grosses Strafverfolgungsrisiko darstellen, sondern auch für die Mitglieder der Geschäftsleitung».
Hamers sei in den monatlichen Updates der ING-Rechtsabteilung und internen Revision häufig über die Compliance-Mängel orientiert worden: Kundenakten seien unvollständig, Risikobewertungen seien falsch, Kundenbeziehungen seien zu spät oder gar nicht beendet worden, die Überwachungssysteme funktionierten nicht richtig. Und: Die Compliance-Abteilung sei zu schwach besetzt und die Qualität des vorhandenen Personals sei nicht ausreichend.
EZB warnte vor Risiken von Straftaten
2015 erhielt die ING Post von der Europäischen Zentralbank (EZB). Im Inspektionsbericht stellte die EU-Regulierungsbehörde verschiedene Mängel in der ING-Compliance fest. Hamers hatte in Einvernahmen gesagt, ihm sei der Bericht bekannt. Interventionsbedarf habe er aber keinen gesehen, solange die Bank in Diskussionen mit der EZB stünde. Das Berufungsgericht hält fest, Hamers sei von der EZB «mehrmals» auf die Compliance-Mängel hingewiesen worden, wie auch auf Risiken von Straftaten.
Ebenfalls im Jahr 2015 büsste die niederländische Bankenaufsicht DNB die ING wegen Nichteinhaltung des Gesetzes zur Verhütung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung. ING sei sich der Risiken bewusst gewesen, dass Konten für illegale Transaktionen verwendet würden.
Hamers Erinnerungslücken
Hamers will sich nicht an vorgängige Warnungen der DNB erinnert haben. Im Gegensatz dazu waren sich sein Stellvertreter, CFO Koos Timmermans, und der ING-Chef Niederlanden Nick Jue über die DNB-Warnungen sehr wohl bewusst gewesen. Timmermans trat denn auch von seinen Funktionen zurück.
Das Gericht machte diese Korrespondenzen bislang nicht öffentlich. Doch könnten sie laut dem Kläger, Pieter Lakemen von der aktivistischen Aktionärsstiftung Sobi, unwiderlegbare Beweise liefern, das Hamers über die strukturellen Compliance-Mängel innerhalb der ING im Bilde war.
Urteilen muss der Strafrichter
Die Strafverfolgungsbegründung des Berufungsgericht lässt daran eigentlich keinen Zweifel. Die Schlussfolgerung sei richtig, dass die ING-Spitze über die Compliance-Mängel informiert war. Hamers wäre als CEO verpflichtet gewesen, Massnahmen zu ergreifen. Dies habe er versäumt. Aus Kostengründen sei die Compliance nicht aufgestockt worden. Hamers habe bewusst akzeptiert, dass verbotene Handlungen in der Bank auftreten würden.
Das Gericht stelle jedoch nachdrücklich fest, dass dies rechtlich und überzeugend nicht beweise, dass der Angeklagte Straftaten begangen hat. Dieses Urteil sei dem Strafrichter vorbehalten.
Die Einleitung der Strafverfolgung Hamers' stellt eine grosse Belastung für ihn als UBS-CEO wie auch für die Bank selber dar. UBS-Präsident Axel Weber sprach seinem CEO zwar das volle Vertrauen aus. Doch kann sich der Fall zum grossen Stolperstein für den 54-Jährigen erweisen, als Hoffnungsträger der UBS deren digitale Transformation voranzutreiben.
Der Ton hat sich geändert
Was Hamers und die UBS beunruhigen muss, sind die bislang unbekannten Töne, welche das Gericht anschlägt. Es rügt Hamers direkt für sein Verhalten im 2018 abgeschlossenen Verfahren. Er habe keine Verantwortung übernommen und sich in den Einvernahmen durch einen Anwalt vertreten lassen.
Das Gericht sei nicht blind gegenüber Emotionen und Diskussionen, die durch den Vergleich mit der ING und das Versäumnis, die Top-Manager zur Verantwortung zu ziehen, ausgelöst worden seien.