Erste Kandidatinnen und Kandidaten mit sehr guten Chancen kristallisieren sich für die Nachfolge von Julius-Bär-CEO Philipp Rickenbacher heraus – allesamt überraschend, aber hochkompetent, um einen erfolgreichen Neustart der Zürcher Traditionsbank zu gewährleisten.

Die Suche nach einem Nachfolger von Philipp Rickenbacher an der operativen Spitze der Schweizer Traditionsbank Julius Bär läuft auf Hochtouren, wie aus Zürcher Finanzkreisen zu vernehmen ist.

Eigentlich hätte Rickenbacher bereits im vergangenen Dezember als CEO des Instituts zurücktreten können; vergangenen November hatte die Privatbank gebeichtet, dass sie strukturierte Kredite im Umfang von 606 Millionen Franken an ein «europäisches Konglomerat» – die Signa-Gruppe des östereichischen Investors René Benko – gesprochen hatte.

Lohnbestandteile eingebüsst?

Danach war der Schaden bereits angerichtet und klar, dass unter Rickenbachers Ägide ein Neustart nicht funktionieren würde.

Rickenbacher verzichtete damals offenbar auf einen Rücktritt, um seine aus früheren Jahren angesammelten respektive aufgeschobenen Aktienboni nicht zu verlieren, wie es in der Szene heisst. Denn bei einer Kündigung seinerseits hätte die Bank diese früheren Lohnbestandteile vermutlich nicht in vollem Umfang ausbezahlt.

Egon Zehnder mandatiert

Wie auch immer: Rickenbacher blieb, bis ihm die Bank vor der Bekanntgabe der Geschäftszahlen für 2023 die Trennung nahelegte, wie auch finews.ch berichtete. Damit hatte der bisherige CEO seine früheren aufgeschobenen Vergütungen auf sicher. Doch haftet ihm seither der Makel an, dass er im Zusammenhang mit dem Signa-Debakel – gelinde gesagt – keine gute Figur gemacht hat.

Inmitten dieser Wirren musste Julius Bär unter der Führung von Bankpräsident Romeo Lacher einen Nachfolger suchen. Zu diesem Zweck führte das Unternehmen zunächst mit mindestens drei Executive-Search-Firmen Sondierungsgespräche, wobei die Wahl schliesslich auf den Marktführer Egon Zehnder fiel. Dies, «weil man damit nichts falsch machen konnte», wie intern kolportiert wird.

Als Resultat davon existiert nun eine Shortlist mit einem guten halben Dutzend Namen. Julius Bär wollte auf Fragen von finews.ch dazu keine Stellung nehmen.

Credit-Suisse-Kandidaten als Klumpenrisiko

Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass die häufig erwähnten früheren Credit-Suisse-Kader André Helfenstein, Francesco De Ferrari und Claudio de Sanctis, letzterer heute bei der Deutschen Bank, nicht als Top-Favoriten gelten.

Wie Recherchen ergaben, befürchtet das Nominations- und Kompensations-Komitee im Verwaltungsrat, dass die Herkunft von der vor einem Jahr gestrauchelten CS möglicherweise imageschädigend sein könnte. Ausserdem hat auch Julius-Bär-Präsident Lacher gut 26 Jahre bei der CS in verschiedenen Chargen gearbeitet, so dass eine CS-Übergewichtung auch intern einige Bedenken auslösen könnte.

Das Profil für den nächsten Chef ist klar umrissen. Es braucht CEO-Erfahrung in einer grösseren Bank mit rund 7'500 Mitarbeitenden, profundes Know-how des Kerngeschäfts Wealth Management, Verständnis für die Komplexität der Schweiz und des hiesigen Marktes im Kontext Europas, grosse Kenntnisse Asien, wo Juliius Bärs zweiter Heimmarkt

Smart und locker – stets umstritten

Früherer UBS-Konzernchef Ralph Hamers (Bild: Keystone)

Trotz der hohen Anforderungen mangelt es offenbar nicht an valablen Kandidatinnen und Kandidaten, so dass es nicht zwingend ist, ehemalige CS-Leute in die erste Wahl zu nehmen. Ein interessanter Name, der offenbar geprüft wird, ist Ralph Hamers. Der smarte und lockere Holländer, der im Herbst 2020 überraschend die Konzernleitung der UBS übernahm, war zwar in dieser Funktion aus verschiedensten Gründen stets umstritten. Doch gleichzeitig kann man ihm keine gröberen Fehler in seiner Amtszeit bis im Frühjahr 2023 nachweisen.

Zu seinen grössten Verdiensten dürfte die beschleunigte Digitalisierung der grössten Schweizer Bank gehören sowie die Modernisierung der Unternehmenskultur, was bei einem bis heute sehr stark strukturierten Konzern wie die UBS durchaus Sinn gemacht hat. Auch die Geschäftszahlen sprachen für ihn und mit Key4 hat er in seiner Amtszeit ein Digitalangebot lanciert, das im Schweizer Markt inzwischen einige Früchte trägt, wie finews.ch schon früher berichtete.

Ohne Nebengeräusche

Hamers Handicap war lediglich, dass sich UBS-Präsident Colm Kelleher einen anderen CEO wünschte, was er schliesslich ja auch erhielt – mit Sergio Ermotti. Dem Holländer im Schweizer Exil haftet zwar immer noch der Makel an, dass ihm vorgeworfen wird, als früherer CEO der niederländischen Grossbank ING Bank allzu lockere Geldwäscherei-Kontrollen zugelassen zu haben. Je mehr sich dieses Verfahren in die Länge zieht, desto grösser wird die Wahrscheinlichkeit, dass es eingestellt wird, wie mittlerweile sogar holländische Medien kolportieren.

Insofern spricht einiges für Hamers, der gut ins Konzept der schweizerisch wie auch international ausgerichteten Julius Bär passen würde, zumal diese nach dem Signa-Debakel zwingend einen Neustart ohne branchenspezifische Nebengeräusche und viel Integrität braucht.

Kuriose Situation

CEO von EFG International Giorgio Pradelli (Bild: EFG)

Das Einzige, was man Hamers vorhalten könnte, wäre seine begrenzte Asien-Erfahrung – ein Wachstumsmarkt, der bei Julius Bär besonders wichtig ist. Daran gemessen gilt ein anderer Top-Banker als aussichtsreicher Kandidat, wie weitere Recherchen von finews.ch ergaben: Giorgio Pradelli.

Der CEO der Schweizer Privatbank EFG International, die kurioserweise ab und an als Übernahmeziel von Julius Bär gehandelt wurde, würde die nötige Asien-Expertise mitbringen. Denn das Unternehmen ist zwischen Hongkong und Singapur sehr erfolgreich unterwegs, und mit der Übernahme der Tessiner BSI im Jahr 2017 kam noch weiteres Geschäft in der Region hinzu.

An einem Wendpunkt

Der Turiner Pradelli steht recht eigentlich an einem Wendepunkt in seiner Karriere. Seit 2018 im Amt, hat er EFG International zu einer der erfolgreichsten kotierten Schweizer Privatbanken in den vergangenen Jahren gemacht; allein seit 2022 hat sich der Aktienkurs um mehr als 60 Prozent erhöht.

EFG International profitierte in den Wirren rund um die Demontage der CS gehörig von abspringenden Kundenberaterinnen und -berater sowie von entsprechenden Neugeld-Zuflüssen. Die jüngst präsentierten Zahlen sorgten erneut für ein Kursfeuerwerk an der Börse. Für Pradelli wäre nach bald sieben Jahren bei EFG International ein Wechsel – zu Julius Bär – insofern nun günstig; ob damit auch ein Schulterschluss mit EFG International wieder aufs Tapet käme, bleibt abzuwarten.

Hierzulande noch wenig bekannt

Annabel Spring 555

CEO HSBC Global Private Banking Annabel Spring (Bild: LI/HSBC)

Die Auswahl an valablen Kandidatinnen und Kandidaten beschränkt sich indessen nicht auf die Schweiz. Gerade weil Stellenvermittler bestimmte Personen von einzelnen Banken nicht abwerben können, weil diese ihre Finanzinstitute bereits ihre Kunden sind, weichen die Executive-Search-Firmen häufig ins Ausland aus, wo sie durchaus gute Kandidatinnen und Kandidaten finden. Eine davon ist Annabel Spring.

In hiesigen Kreisen eher wenig bekannt, bringt die Australierin beste Voraussetzungen für den Topjob bei Julius Bär mit. Darum figuriert sie auch auf der Shortlist. Spring ist seit 2020 CEO von HSBC Global Private Banking, also der internationalen Vermögensverwaltungs-Sparte des britisch-chinesischen Finanzkonzerns, zu dem sie 2019 stiess.

Auf Tuchfühlung mit Colm Kelleher

Zuvor war sie neun Jahre bei der Commonwealth Bank of Australia tätig, wo sie zuletzt als Group Executive in der Sparte Wealth Management arbeitete und direkt an den CEO berichtete. Spring hatte auch leitende Funktionen bei der US-Grossbank Morgan Stanley inne, wo sie insgesamt 15 Jahre tätig war und in ihrer Funktion als Global Head of Firm Strategy and Execution mit dem heutigen UBS-Präsidenten Kelleher zusammenarbeitete respektive ihm direkt unterstellt war.

Aufgrund ihrer persönlichen Herkunft (Asien-Pazifik) sowie ihrer aktuellen Anstellung bei einer höchst asien-orientierten Bank (HSBC) bringt sie auch das erforderliche Know-how um Julius Bär in diesem Wachstumsmarkt weiterzubringen.

Mehr Geld für die Chefs

Mit diesem Palmarès überrascht es nicht, dass Spring als eine der Top-Anwärterinnen für die Nachfolge Rickenbachers gilt. Der Findungsprozess ist noch in vollem Gang, doch wie intern zu vernehmen ist, hat sich Julius Bär zum Ziel gesetzt, im Juni 2024 den oder die neue CEO zu präsentieren.

Attraktive pekuniäre Rahmenbedingungen will Julius Bär an der nächsten Generalversammlung (GV) vom 11. April 2024 schaffen. Die Aktionärinnen und Aktionäre sollen eine höhere Lohnsumme zur Verfügung stellen. Statt wie vorgesehen 18 Millionen Franken sollen sie insgesamt rund 35 Millionen bewilligen, wie das Finanzportal «Tippinpoint» zuerst berichte und auch den GV-Unterlagen zu entnehmen ist.

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