Eine einheitliche Offenlegung der ESG-Daten über Sektoren und Regionen hinweg tue not. Dies sei ein wichtiger Beitrag zur Weiterentwicklung des ESG-Konzepts, sagt Micaela Forelli von M&G.

Von Micaela Forelli, Country Head M&G Switzerland

Bei unseren Anlageentscheidungen berücksichtigen wir als Fondsmanager ein breites Spektrum von Aspekten aus dem ESG-Bereich (Umwelt, Soziales und Governance) – zumal wir schon immer Faktoren wie die Unternehmenskultur, die Geopolitik und die Regulierung bei der Beurteilung von Anlagen beachtet haben.

ESG ist somit kein neues Konzept, hat sich aber in den vergangenen Jahren zu einer strukturierteren Disziplin entwickelt. Ausschlaggebend dafür waren das wachsende Interesse der Kunden, der zunehmende Druck der Aufsichtsbehörden und die Fortschritte von Anlegerinitiativen wie den UN-Prinzipien für verantwortliches Investieren.

Hochwertige Informationen

Ein weiterer Faktor war das Aufkommen spezialisierter Anbieter von ESG-Dienstleistungen, die den Anlegern hochwertigere Informationen bieten. Sie ermöglichen ihnen dadurch, ESG-Aspekte mit einem formaleren Ansatz in ihre Anlageprozesse zu integrieren.

Als erste Stufe für die Beurteilung der ESG-Referenzen eines Unternehmens gilt oft die Betrachtung des ESG-Scores. Diese beruht auf externen Quellen der ESG-Analyse wie MSCI und Sustainalytics und soll die Beurteilung der ESG-Risiken eines Unternehmens erlauben.

Informationen entscheidend

Die Scores stellen einen sinnvollen Ausgangspunkt dar, sollten jedoch nicht isoliert verwendet werden. Besonnene Anleger werden individuelle Scores mit Vorsicht betrachten. Sie wissen, dass diese Kennzahlen ein oft komplexes System unterschiedlicher Aspekte aus einer einzigen Perspektive betrachten.

Research-Ergebnisse untermauern diese Ansicht: Da die Bewertungen der einzelnen ESG-Ratingagenturen stark voneinander abweichen, ist es nicht ratsam, sich ausschliesslich auf die Scores zu verlassen.

Der wahre Wert verbirgt sich hinter dem Score eines Unternehmens: Entscheidend ist die Frage, was die Daten und Analysen über die Risiken des Unternehmens verraten, und wie gut das Unternehmen diese Risiken steuert. Die Einschätzung, ob sich ein Unternehmen verbessert oder verschlechtert, kann einen wertvollen Warnhinweis darstellen und wichtige Informationen zur Qualität der Geschäftsleitung liefern.

Einheitliche Offenlegung

Oft veranlasst die Analyse zu Gesprächen mit dem Unternehmen, um seine Politik und seine Massnahmen besser zu verstehen. Die Zusammenarbeit mit der Führungsebene von Unternehmen im Hinblick auf Governance-Fragen und andere ESG-Aspekte schafft Mehrwert.

Unsere Rolle liegt bei Bedarf als Soundingboard für Unternehmen und dem kritischen Hinterfragen der Geschäftsleitungen, falls sie unseren Erwartungen nicht gerecht werden.

Oft noch bruchstückhaft

Dabei sind die von den Unternehmen gemeldeten ESG-Daten äusserst wichtig. Diese sind oft noch bruchstückhaft und von unterschiedlicher Qualität, zumal die Aufsichtsbehörden in den einzelnen Ländern unterschiedliche Reporting-Anforderungen und -Standards festgelegt haben. Die Verfügbarkeit der Daten verbessert sich jedoch, und die Bewertungen nähern sich an.

Entwicklungen wie die kürzliche Gründung einer Arbeitsgruppe für klimabezogene Finanzberichterstattung (Task Force for Climate-related Financial Disclosures, TCFD) sollten eine einheitlichere Offenlegung der ESG-Daten über verschiedene Sektoren und Regionen hinweg zur Folge haben – ein entscheidender Beitrag zur Weiterentwicklung des ESG-Konzepts.

Szenario gewinnt an Dynamik

ESG-Informationen werden auch auf andere Weise genutzt. In einem Umfeld niedriger Renditen stehen Vermögensverwalter zunehmend unter Druck. Sie müssen beweisen, dass sie nicht nur in der Lage sind, langfristige Finanzerträge zu erwirtschaften. Sie können den Kunden auch dabei helfen, andere Ziele mit ihren Anlagen zu erreichen.

Besonders relevant ist dies für die nächste Generation von Anlegern, von denen viele zunehmend darauf achten, aus welchen Quellen die von ihnen erworbenen Produkte und Dienstleistungen stammen und welche Auswirkungen sie haben.

Das gilt für «Fast Fashion»-Kleidung ebenso wie für Spar- und Anlageprodukte. Dieses Szenario gewinnt an Dynamik und bietet Vermögensverwaltern wachsende Anreize, ihre Unternehmensanalysen und allgemeinen Anlageprozesse durch eine ESG-Komponente zu ergänzen und damit den Interessen dieser Anlegergruppe besser gerecht zu werden.

Verbesserungen auf Unternehmensebene

Vermögensverwalter betrachten die Corporate Governance schon lange als Indikator für die Unternehmensqualität und als Mechanismus, damit Unternehmen im Interesse ihrer Aktionäre geführt werden. Der wachsende Fokus auf diesen Aspekts zwingt die Unternehmen auch dazu, Angaben zu sozialen und Umweltaspekten in grösserem Umfang offenzulegen.

Diese stärkere Offenlegung in den Unternehmen sollte einen positiven Wandel auslösen und den Anlegern ermöglichen, bessere Entscheidungen zu treffen. Letzten Endes dürfte es jedoch keinen Ersatz für die direkte Zusammenarbeit mit den Geschäftsleitungen geben, um echte nachhaltige Verbesserungen auf Unternehmensebene zu erreichen.