Der Goldpreis hat neue Höhen erreicht. Laut dem bekannten Finanzwissenschafter Dan Steinbock ist das erst der Beginn einer langen Hausse.

Jeder Goldinvestor kennt die Faustregel: Steigen in den USA die Zinsen, dann stärkt dies den Dollar – und schwächt den in der US-Währung berechneten Goldpreis. So gesehen ist die jüngste Hausse im Gold (die Unze handelt aktuell 11 Prozent höher als zum Jahresanfang bei 1'278 Dollar) nicht mehr als ein Strohfeuer.

Denn in den USA hat die Normalisierung der Tiefzinspolitik eingesetzt. Den meisten Beobachtern zufolge ist es damit nur eine Frage der Zeit, bis auch in den grossen Wirtschaftsnationen die Zinsen ansteigen.

Suche nach sicheren Häfen

Einer, der nicht an ein Strohfeuer im Gold glauben mag, ist Dan Steinbock (Bild unten). Der Publizist und Gründer der Difference Group, der als Forscher an den Shanghai Institutes for International Studies in China sowie am EU Centre in Singapur lehrt, ist vom Gegenteil überzeugt. Er glaubt, dass für Investoren ein neues, goldenes Zeitalter anbricht.

Nicht ganz überraschend argumentiert Steinbock dabei mit dem Fluchtreflex vor politischen Unsicherheiten. Der Bügerkrieg in Syrien, das Zündeln von Nordkorea, die bevoerstehenden Wahlen in Deutschland und Frankreich, aber auch die neue Eiszeit zwischen den USA und Russland: Das alles, sagt finews.first-Autor Steinbock, lasse die Anleger nach sicheren Häfen Ausschau halten.

Dan Steinbock 500

Ein neuer Goldstandard

Laut dem gebürtigen Finnen ist den Investoren dabei der gängigste Fluchtweg versperrt. Staatsanleihen seien angesichts der von Zentralbanken weltweit angefachten Blase im Obligationenmarkt nicht mehr die naheliegende Wahl. Viel attraktiver findet Steinbock hingegen Gold, weil es in vielen Portefeuilles untervertreten und in zahlreichen Leitwährungen unterbewertet sei.

Der Asienspezialist macht auch subtile Verschiebungen im Welthandel aufmerksam. Letzten März hat die russische Zentralbank ein Büro in Peking eröffnet. Die beiden Staaten wollen in der Währungspolitik zusammenspannen – und womöglich könnten die Russen zum wichtigen Goldlieferanten Chinas avancieren. Bereits gibt es Spekulationen über einen neuen gemeinsamen Goldstandard, der ohne der «Greenback» der Amerikaner auskommt.

Die Faustregel vergessen

Dies könnte dazu führen, dass Gold bald nicht mehr nur aus der Dollar-Perspektive betrachtet wird. Schon heute stammen Steinbock zufolge 90 Prozent der Nachfrage nach physischem Gold von ausserhalb Amerikas, vorab aus Indien und China. In den Währungen dieser Länder warf Gold auch eine bessere Rendite ab als in Dollar.

Daraus seine Schlüsse zu ziehen, sei einfach, sagt der Finanzwissenschafter: Wer immer nur der alten Dollar-Faustregel folgt, der verpasst das Potenzial, das Gold den Anlegern weltweit bietet.