Der Niedergang der Credit Suisse werde mit Sicherheit in verschiedene Forschungsfelder einfliessen und aus einer akademischen Optik heraus analysiert werden, erklärt Markus Bürgi vom Swiss Finance Institute. Über ein genaueres Stimmungsbild werde man nach der neusten Berufsumfrage in Zusammenarbeit mit finews.ch und Communicators verfügen, sagt er weiter.


Herr Bürgi, gut ein Jahr ist es her seit die UBS dazu gezwungen wurde, die strauchelnde Credit Suisse (CS) zu übernehmen. Was waren für Sie die wichtigsten Beobachtungen bei der Integration der CS in die UBS in den vergangen zwölf Monaten?

Angesichts der Tragweite der CS-Übernahme durch die UBS erscheint mir eine fundierte Beurteilung der Integration, die ja noch nicht vollständig abgeschlossen ist, verfrüht. In meiner persönlichen Wahrnehmung verläuft der äusserst anspruchsvolle Integrationsprozess bis dato allerdings in geordneten Bahnen. Die Verantwortlichen agieren sorgfältig und mit Augenmass.

Verständlich ist, dass die Situation – zumindest auf ihrem Höhepunkt – sowohl bei Kundinnen und Kunden, als auch bei den Mitarbeitenden zu einer Verunsicherung und in der Folge punktuell zu einer unerwünschten Fluktuation geführt haben dürfte. Inzwischen finden sich aber auch wieder positive Signale, beispielsweise die Kursentwicklung der UBS-Aktie oder die Entwicklung der verwalteten Vermögen, die zeigen, dass die neue UBS viel Vertrauen gewinnen konnte.

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Die Situation hat überdies auch gezeigt, dass die Schweizer Bankbranche, die Politik und die Behörden solche Grossereignisse verantwortungsvoll und pragmatisch bewältigen können.

Das Swiss Finance Institute (SFI) wird durch die Schweizer Banken finanziert. Müssen Sie nun mit einem kleineren Budget auskommen, respektive, welchen Einfluss hat das Verschwinden der CS auf Ihre Tätigkeit respektive auf Ihr Angebot an Aus- und Weiterbildung?

Der Wegfall der CS innerhalb unserer Trägerschaft ändert nichts an unserem Auftrag oder an der Notwendigkeit, die Expertise – und damit die Wettbewerbsfähigkeit – auf dem Schweizer Finanzplatzes über unsere Forschungsaktivitäten im Bereich der Finanzwissenschaften breiter abzustützen.

«Eine Krisensituation dieser Dimension erzeugt natürlich Schockwellen »

Das gleiche Ziel verfolgen wir mit unseren branchenorientierten Aktivitäten und insbesondere mit den SFI Master Classes, die sich bei den Schweizer Bankmitarbeitenden einer grossen Nachfrage erfreuen. Das sieht auch unsere Trägerschaft so, weshalb die Finanzierung des SFI nach wie vor sichergestellt ist.

Hat das Ende der CS einen Einfluss auf das Image der Schweizer Bankbranche im Ausland?

Eine Krisensituation dieser Dimension erzeugt natürlich Schockwellen über die eigenen Landesgrenzen hinaus, das lässt sich nicht schönreden. Meines Erachtens haben die vergangenen zwölf Monate aber gezeigt, dass die Schweizer Banken strukturell gut aufgestellt sind und sie deshalb die Schockwirkungen zu absorbieren vermochten.

Das SFI arbeitet mit sehr vielen ausländischen Professoren zusammen. Gab es von dieser Seite besorgte Reaktionen oder Fragen bezüglich des Niedergangs der Credit Suisse?

SFI-Professorinnen und -Professoren sind ihrem akademischen Naturell entsprechend das sorgfältige und fundierte Arbeiten gewohnt und lassen sich nicht so rasch aus der Ruhe bringen.

«So unschön und bedauerlich der Niedergang der CS ist: Es handelt sich um ein Einzelereignis»

Der Niedergang der CS und dessen Auswirkungen auf die Finanzmärkte wird mit Sicherheit in verschiedene Forschungsfelder einfliessen und aus einer akademischen Optik heraus analysiert werden. Ich würde deshalb von einem gesunden intellektuellen Interesse an den Vorgängen sprechen, auch von Empathie, nicht aber von Besorgnis im engeren Sinne.

Hat der Niedergang der CS als eigenständige Bank Berufseinsteiger davor abgeschreckt, in die Bankbranche einzusteigen?

Das glaube ich persönlich nicht, denn nach wie vor bietet die Finanzsektor zahlreiche spannende Tätigkeitsfelder. Über ein genaueres Stimmungsbild verfügen wir nach unserer aktuellen Berufsumfrage, die wir in Zusammenarbeit mit finews.ch und der Agentur Communicators jedes Jahr durchführen.

Warum sollte das Image der Schweizer Banken weiterhin gut sein?

Die Wahrnehmung und das Image des Schweizer Finanzplatzes sind über Generationen gewachsen. So unschön und bedauerlich der Niedergang der CS ist: Es handelt sich um ein Einzelereignis, das die Qualitäten des Schweizer Finanzplatzes in einer Welt voller geopolitischer und wirtschaftlicher Wirren nicht nachhaltig negativ zu beeinträchtigen vermag, davon bin ich überzeugt.

Welches sind die wichtigsten Anliegen und Themen aus der Wissenschaft, die derzeit in die Diskussion zwischen Akademia und Praxis einfliessen?

Die SFI-Fakultät ist mit über 75 Professorinnen und Professoren inhaltlich sehr breit aufgestellt. Besonders eng werden derzeit natürlich die jüngsten Entwicklungen im Bereich AI und Machine Learning sowie deren verschiedene Anwendungsfelder in der Bankenwelt beobachtet und analysiert.

«Wir wollen in erster Linie den Puls der Bankmitarbeitenden fühlen»

Aber auch die aktuellen geopolitischen Risken sowie die politischen Entscheide der Zentralbanken sind von grosser Bedeutung. Darüber hinaus stehen Themen rund um die Blockchain-Technologie oder Sustainable Finance nach wie vor im Fokus. In letzterem Feld gehört die Fakultät von SFI übrigens zu den führenden Forschungsinstituten weltweit.

Welche Ergebnisse interessieren Sie am meisten in der Umfrage, die finews.ch gemeinsam mit dem SFI und der Firma Communicators derzeit wieder durchführt?

Wir wollen in erster Linie den Puls der Bankmitarbeitenden fühlen und spüren, wo wir allenfalls eine Wissenslücke schliessen oder inhaltlich einen Mehrwert schaffen können. Letztlich geht es auch darum, nahe am Geschehen zu bleiben um besser zu verstehen, was die Beschäftigten in der Finanzindustrie bewegt und umtreibt.

Welche Schwerpunkte setzt das SFI in diesem Jahr?

Zu den thematischen Schwerpunkten habe ich mich ja bereits geäussert. Mit unseren industrieorientierten «Knowledge Exchange»-Aktivitäten fördern wir den aktiven Austausch zwischen der Wissenschaft und der Praxis zu den genannten Themen.

Um diesen Austausch noch breiter abzustützen, führen wir unsere SFI Master Classes auch ausserhalb der grossen Zentren Genf, Lugano und Zürich und vermehrt auch in den lokalen Landessprachen durch.


Markus Bürgi ist Chief Financial and Operating Officer am Swiss Finance Institute (SFI). Er besitzt einen Master-Abschluss in Banking & Finance und promovierte in den Bereichen Bankenregulierung, bedingtes Kapital sowie Informationsökonomie an der Universität Zürich. Bevor er seine aktuelle Funktion am SFI wahrnahm, war er für zahlreiche SFI-Aus- und Weiterbildungsangebote verantwortlich und für die UBS in der Fixed-Income-Analyse tätig.