Technologisch haben die Banken den Angriff der Fintechs pariert. Doch die Angst vor einer Disruption bleibt auf dem Schweizer Finanzplatz allgegenwärtig. Der Markteintritt des Brokers Trading 212 liefert Gründe.

Den Schweizer Bankern sitzt die Angst im Nacken. Was geschieht, wenn ein potentes Fintech wie die britische Smartphone-Bank Revolut oder die deutsche Mobile-Bank N26 mit einem kompletten Retail-Angebot in den Schweizer Markt eintritt?

Guy Lachappelle, derzeit noch CEO der Basler Kantonalbank und einer der mutigeren Digitalisierer im Schweizer Banking, ist nur einer der Finanzplatzvertreter, den diese Frage umtreibt. Lachapelle hat auch eine nüchterne Antwort auf die Frage: «Dann gute Nacht.»

Dieses Szenario beschrieb der nominierte Verwaltungsratspräsident von Raiffeisen dieser Tage an einem Seminar der Fachschule für Bankwirtschaft in Zürich. Thema des Seminars: Transformation im Banking.

Konto und Karte zum Nulltarif

Man muss sich nur vor Augen führen, welchen Trumpf ein Anbieter wie Revolut im Vergleich zu den hiesigen Banken ausspielen könnte. Banking-Pakete von hiesigen Finanzinstituten mit mehreren Konti sowie Kredit- und Maestro-Karten kosten je nach Leistungen zwischen 150 Franken für ein Basis-Paket und 1'000 Franken im Jahr für ein Premium-Paket.

Bei Revolut liegt der Preis zwischen Null und 160 Pfund. N26 bietet Girokonto und Kreditkarte zum Nulltarif an. Schweizer Banken erzielen einen zweistelligen Prozentanteil ihrer Erträge mit diesem Brot- und Buttergeschäft. «Gute Nacht», wenn dieses weg bricht.

Disruption durch den Haupteingang

finews.ch schrieb vor einiger Zeit: «Die Disruption ist abgesagt». Die Einschätzung war in Bezug auf das technologische Disruptionspotenzial von Fintechs wohl richtig. Die Schweizer Banken haben diese Gefahr durch Kooperationen und rasche Digitalisierungsfortschritte gebannt.

Die Disruption im Banking kommt auch nicht durch die Hintertür via Innovationslabor und Technologie-Genies. Sie kommt durch den Haupteingang durch neue Anbieter, die den Frontalangriff über das Pricing führen.

Aktienhandel zum Nulltarif

Im Trading-Bereich ist der «first mover» in der Schweiz angekommen: Der ursprünglich bulgarische und seit einigen Jahren britische Online-Broker Trading 212 bietet in der Schweiz seit kurzem den Handel mit Aktien und ETF zum Nulltarif an. Auch Revolut will demnächst Aktienhandel umsonst anbieten.

Billiger, schneller, einfacher oder umsonst: Seit das Internet die Digitalisierung von Geschäftsmodellen erlaubt, sind die verschiedensten Branchen in den strukturellen Niedergang geschickt worden: Medien, Reisebüros, Retail, Taxis, Tourismus.

Finanzbranche zeichnet sich durch Absenz von Preiskampf aus

Im Banking ist dieser Prozess noch nicht im vollen Gange. Das ist verwunderlich, zeichnet sich gerade die Finanzbranche dadurch aus, dass hier mit wenigen Ausnahmen kein Preiskampf stattfindet.

Der könnte nun starten. Trading 212-Mitgründer Ivan Ashminov sagt im Gespräch mit finews.ch unverblümt, sein Ziel sei die Disruption des Schweizer Preisgefüges im Handel mit Effekten.

Erfolg eines Gratis-Anbieters: ein No-Brainer

«Es ist aus meiner Sicht ein No-Brainer, dass ein Anbieter mit einem Null-Kommissionen-Angebot in den Schweizer Markt eintritt und damit Erfolg haben wird», so Ashminov. Und fügt dann hinzu: «Diese Ersten waren wir und daher hoffe ich, dass wir diesen Erfolg haben werden.»

Nun müssen aber auch Gratis-Anbieter wie Trading 212 Geld verdienen – und der bereits 15 Jahre alte Broker tat dies laut Ashminov bislang auch anständig. Doch nun macht Tradings 212 den Schritt, vor dem sich alle Banken fürchten. Mit der Null-Gebühr greift der Broker sein eigenes Geschäftsmodell an.

Kunden zuerst, Geld verdienen später

Ashminov folgt hier einem Vorbild, dem Online-Giganten Amazon. Dieser habe gezeigt, wie Disruption funktionieren könne. «Nämlich indem man eine grosse Kundenbasis aufbaut und erst dann auf die Monetarisierung fokussiert.»

Ashminov beeilt sich hinzuzufügen, dass der Preis nur ein Erfolgsfaktor ist. Eine absolut geschmeidige Nutzerführung bei den digitalen Tools sei genauso wichtig. Trading 212 ist im App-Store rund zwölf Millionen mal heruntergeladen worden – die Ratings von Nutzern sind ausgezeichnet.

Aktiv in die Kannibalisierung

Das neue Geschäftsmodell des Online-Brokers läuft unter «Freemium»: Ein Teil des Angebotes ist umsonst, für Zusatzdienste wird eine Gebühr erhoben. Bei Trading 212 soll dies ein noch in Planung befindlicher Robo-Advisor sein, der für eine kleine Gebühr dem Kunden die risikobasierte Asset Allokation vornimmt – gesteuert durch einen Algorithmus.

«Anders als die traditionellen Finanzinstitute sind wir bereit, Teile unseres Handelsgeschäfts zu kannibalisieren, um gleichzeitig neue Geschäftsfelder aufzubauen», sagt Ashminov und verrät ein Rezept erfolgreicher Disruptoren.

Wenn nicht wir, dann jemand anders

Ob Trading 212 nun tatsächlich der Preis-Disruptor in Swiss Banking sein wird, weiss Ashminov natürlich nicht. Genauso wenig wissen Banken-CEO wie Lachappelle, wo ihre Institute angesichts solch radikaler Angriffe in zwei oder fünf Jahren stehen werden. Ashminov sagt: «Das Zeitfenster für die Disruption ist nur kurz offen. Wenn wir den Schritt nicht tun, wird ihn sehr bald jemand anders tun.»

War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
  • Ja, es gab keine andere, wirtschaftlich sinnvolle Alternative.
    26.52%
  • Nein, man hätte die Credit Suisse abwickeln sollen.
    18.88%
  • Nein, der Bund hätte die Credit Suisse übernehmen sollen.
    28.03%
  • Man hätte auch ausländische Banken als Käufer zulassen sollen.
    8.98%
  • Man hätte eine Lösung mit Schweizer Investoren suchen sollen.
    17.59%
pixel