Die britische Finanzaufsicht wacht mit eiserner Strenge über die Sitten in der Londoner «City». Dass dort vor Jahren in jeder Beziehung die Post abging, daran erinnert sich ein Ex-Investmentbanker und Autor.

Egal ob es sich um etablierte Player wie die Schweizer UBS oder Challenger-Banken wie die britische Revolut handelt: die britische Finanzmarktaufsicht (Financial Conduct Authority, FCA) wacht mit Adleraugen über die Akteure am Londoner Finanzplatz und macht bei Bedarf nicht viel Federlesen.

Doch nicht immer herrschte eine solche Nulltoleranz-Stimmung wie heute. Glaubt man dem ehemaligen britischen Investmentbanker und jetzigen Drehbuchautor Geraint Anderson, der durch seine Kolumnen aus dem Bankeralltag und das Buch «Cityboy: Geld, Sex und Drogen im Herzen des Londoner Finanzdistrikts» berühmt geworden ist, waren die Sitten dort auch schon lockerer. Offenbar plant Anderson nun auch einen Film zum Thema.

Arrogante Banker

In einem dieser Tage von der deutschen Zeitung «FAZ» portierten TV-Interview erzählte Anderson aus seiner Vergangenheit. Er berichtete erst von dreistündigen Mittagspausen, in denen man «in den guten alten Zeiten» Stripclubs und Kokainhändler aufgesucht habe.

Für Finanzkrise von 2008, vor der Anderson in seiner Kolumne gewarnt haben will, gebe es aber mehr Gründe als nur die laxe Finanzaufsicht, so der Ex-Trader. Schuld sei auch die Persönlichkeit der involvierten Banker gewesen, die Zockermentalität, die übertriebene Selbstsicherheit und die Arroganz in der Branche.

Millionenboni über alles

Denn die Personen, die die Produkte erfunden hätten, die laut Anderson dann die Weltwirtschaft zum überdrehen gebracht haben, hätten gewusst, dass ihre Produkte zum Scheitern verurteilt waren: «Zinsen sind nicht für immer niedrig, Hauspreise steigen nicht ins Unendliche, aber das war ihnen egal. Sie haben zehn Jahre lang Boni in Millionenhöhe erzielt.»

Um die Boni habe sich alles gedreht. Jeder habe versucht, so schnell wie möglich so viel Geld wie möglich in die eigenen Taschen zu schaufeln, ständig im Bewusstsein, dass das Geschäft bald vorbei sein könnte.

So auch Anderson. Er ist heute der Ansicht, er habe in seiner Zeit als Banker seine Seele dem Teufel verkauft – immerhin zu einem guten Preis. «Für meinen Bonus habe ich damals alles getan, auch wenn ich damit meiner Bank langfristig keinen guten Dienst erwiesen habe. Hauptsache ich habe meinen Bonus – und Tschüss.»

Machokultur mit Folgen

In einem Interview mit dem deutschen «Handelsblatt» (Artikel bezahlpflichtig) brachte Anderson bereits 2012 die Bonus-Debatte genau auf den Punkt: «Dabei geht es aber nicht nur um das Geld. Der Bonus ist ja nicht nur gleichbedeutend mit der Möglichkeit, sich noch einen Ferrari zu kaufen.»

Der Bonus zeige, wie viel man wert sei. Bekomme jemand 1 Million Dollar und der andere nur halb soviel, dann heisse das: «Der Markt bewertet den einen doppelt so hoch wie den anderen. Das Ende ist dann absehbar: «In einer Macho-Umgebung kann der, der nur eine halbe Million erhält, das nicht einfach so hinnehmen. Er stellt sicher, dass er das nächste Mal 2 Millionen bekommt – egal wie.»

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