Dieser Tage verkünden die grossen Schweizer Banken, dass sie die im Frühling zurückbehaltene Dividende auszahlen werden – mitten in der zweiten Welle der Coronavirus-Pandemie. Ein höchst kontroverses Thema – aber nur im Ausland.

Die Schweizer Grossbank UBS hat es bereits angekündigt, die Grossbank Credit Suisse (CS) wird im Verlauf der Woche folgen, die grösste Schweizer Privatbank Julius Bär hält ihre aussserordentliche Generalversammlung am kommenden 2. November ab: Es geht um die zweite Tranche der Dividende für 2019. Auch Banken im Ausland müssen sich mit dem Thema befassen. So hat die anglo-chinesische Grossbank HSBC am gestrigen Dienstag bekanntgegeben, dass dieses Jahr noch Dividenden fliessen dürften.

Wir erinnern uns, im Frühjahr 2020 wurden die Schweiz und ganz Europa von der ersten Welle der Coronavirus-Pandemie überrollt. Ganze Städte, Regionen und Nationen machten die Läden dicht, riefen sogenannte «Lockdowns» aus, legten Wirtschaft und Gesellschaft still.

Starke Banken warten zu

Die Befürchtung ging um, dass aus der Wirtschafts- eine Finanzkrise entstehen könnte, weswegen Regulatoren die Banken zu besonderer Vorsicht mahnten, weil diese vermehrt den Druck auf ihre Kreditbücher und Investitionen spüren könnten: «Starke Institutionen, die jetzt freiwillig ihre Ausschüttungen einschränken oder verschieben, werden im Interesse ihrer Kunden länger stark bleiben», sagte zum Beispiel Mark Branson, der Chef der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (Finma). 

Die Europäische Zentralbank (EZB) stiess ins gleiche Horn und empfahl den Banken in der Europäischen Union, für die Geschäftsjahre 2019 und 2020 mindestens bis zum 1. Oktober 2020 keine Dividenden zu zahlen und auch keine Aktienrückkäufe vorzunehmen.

Dividenden kurzerhand halbiert

Und die Banken kamen dem nach: Die UBS beschloss, die angekündigte Dividende von 0.73 Dollar für das Geschäftsjahr 2019 in zwei Tranchen auszuschütten; eine Dividende von 0.365 Dollar pro Aktie plus eine spezielle Dividendenreserve von 0.365 Dollar pro Aktie, die dann im Herbst durch eine ausserordentliche Generalversammlung ebenfalls ausgeschüttet werden sollte.

Die CS hat die Dividende ebenfalls halbiert: Statt 0.2776 Franken brutto pro Aktie gab es im Frühjahr nur 0.1388 Franken, die andere Hälfte soll ebenfalls im Herbst fliessen. Und so auch Julius Bär: Dort soll den Aktionären nun die Dividende von 1.50 Franken pro Aktie hälftig im Mai sowie im November ausbezahlt werden, falls sich die Umstände nicht drastisch ändern.

Zweite Corona-Welle ist da

Nun ist die erste Welle der Corona-Pandemie vorüber, nach einem einigermassen entspannten und unbeschwerten Sommer schlittert die Schweiz nun geradewegs in die zweite Welle. 

Jan-Egbert Sturm, Leiter der Expertengruppe Wirtschaft der nationalen Task Force zur Bekämpfung des Coronavirus', sagte am gestrigen Dienstag vor den Medien, ein Wirtschaftseinbruch folge, unabhängig davon, welche Massnahmen die Schweiz nun treffe, um das Virus einzudämmen. Die Folge könnte ein massiver Anstieg der Firmenkonkurse sein, der Kreditausfälle zur Folge hätte, welche die Banken empfindlich treffen könnten.

EZB winkt ab

Wie weise und voraussehend ist es mit solchen Zukunftsperspektiven, das Eigenkapital der Banken mit Dividendenausschüttungen oder Aktienrückkäufen, wie sie vor ein paar Tagen die UBS angekündigt hat, zu schwächen?

Die Antwort auf diese Frage ist je nach Perspektive eine andere. Geht es nach der EZB, sollen jegliche solcher Aktivitäten auf das Jahr 2021 verschoben werden, wie die europäischen Bankenaufseher bereits diesen Juli beschlossen haben, dies trotz aktueller Stressresistenz der Institute.

Finma optimistisch

Die Finma hingegen sieht in der Auszahlung einer zweiten Tranche kein Problem, wie ein Sprecher auf Anfrage von finews.ch sagt: Zwar sei die Situation auf den Finanzmärkten weiterhin fragil und die Unsicherheit über die mittelfristigen wirtschaftlichen Auswirkungen der Covid-19-Pandemie bleibe hoch.

Grundsätzlich erachte die Finma die finanzielle Situation der Schweizer Finanzbranche zurzeit aber als robust. Die Stresstests des Regulators zeigten zudem, dass die Kapitalausstattung der Institute auch für strenge ökonomische Krisenszenarien ausreichend sei: «Namentlich hat die Finma keine Einwände, wenn Banken die zweite Hälfte der Dividenden für 2019 gemäss ihren Ankündigungen ausschütten.»

Banken solid

Betrachtet man die Situation der Banken, spricht eigentlich auch alles für eine Ausschüttung. Zumindest lässt sich das bisher für die UBS sagen, die ihren Quartalsabschluss für den Herbst publiziert und damit ein Glanzresultat abgeliefert hat: Die Bank wies im dritten Quartal einen Vorsteuergewinn von 2,6 Milliarden Dollar aus, was im Jahresvergleich einer Zunahme um 92 Prozent entspricht. 

Über die letzten beiden Quartale sei die Kernkapital-Quote (CET1) um 70 Basispunkte auf 13,5 Prozent gestiegen. Deswegen will die Bank nicht nur eine Dividende ausschütten, sondern ab 2021 auch eine Reserve von 1,5 Milliarden Dollar für mögliche Aktienrückkäufe bilden.

Die CS dürfte anlässlich der Präsentation ihrer Drittquartalszahlen am kommenden Donnerstag folgen. Auch ihr gelang im zweiten Quartal eine Stärkung des Eigenkapitals.

Signalwirkung fraglich

Somit spricht eigentlich nichts gegen eine Dividende. Jedoch sollten sich die Banken auch der Signalwirkung von Gewinnausschüttungen und Kapitalrückzahlungen bewusst sein.

Nehmen die Firmenkonkurse auf dem Höhepunkt der zweiten Welle stark zu, während die Arbeitslosenzahlen auf Rekordhöhe steigen, wäre es für die Volksseele wahrscheinlich nur schwer zu ertragen, dass Aktionäre in der gleichen Zeit ihre Dividende erhalten, während die Wirtschaft am Boden liegt. 

Es bleibt zu hoffen, dass es nicht soweit kommt.

 

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