Es gibt immer mehr Anforderungen für nachhaltige Anlagen. Diese stellen eine Herausforderung für Banken dar, ermöglichen ihnen aber auch Innovationen, um ihren Kundinnen und Kunden ein auf ihre Bedürfnisse zugeschnittenes Nachhaltigkeitsangebot zu bieten.

Von Marcus Fenchel, Senior Manager und Tobias Merk, Senior Manager bei Finalix

Banken und Vermögensverwalter nutzten die starke Nachfrage nach nachhaltigen Anlagen, bevor ESG reguliert wurde, und machten sie zur mit Abstand am schnellsten wachsenden Anlageklasse. Im Jahr 2022 belief sich das globale verwaltete Vermögen (AuM) auf rund 50 Billionen Dollar.

Aufgrund der jüngsten geopolitischen Spannungen, einschliesslich des ukrainisch-russischen Konflikts, ist ein Rückgang der ESG-bezogenen AuM zu verzeichnen. Prognosen gehen jedoch davon aus, dass sich diese nach der Beilegung dieser Konflikte erholen werden.

Die Entwicklung nachhaltiger Anlagen: Vom schnellen Wachstum zur regulatorisch erzwungenen Verzögerung

Entgegen der ursprünglichen Intention der Regulatoren, erweisen sich die zunehmenden gesetzlichen Anforderungen bisher als Bremse für das Wachstum nachhaltiger Anlagen. In letzter Zeit waren Banken und Vermögensverwalter in der EU, Grossbritannien, Australien und der Schweiz damit beschäftigt, ihre Produkte und Beratungsprozesse an die neuen regulatorischen Anforderungen für nachhaltige Anlagen anzupassen.

Als Teil der Regulierung wurden Kundenbedürfnisse festgelegt, die so genannten Nachhaltigkeitspräferenzen, welche nicht immer die tatsächlichen Nachhaltigkeitsbedürfnisse der Kunden widerspiegeln. Dies hat zu zwei unterschiedlichen Entwicklungen geführt:

  1. In Ländern, in welchen die Nachhaltigkeitspräferenzen sehr eng gefasst sind (zum Beispiel EU), äussern die grosse Mehrheit der Kunden vieler Banken bekunden kein Interesse an nachhaltigen Anlagen. Dies zeigt, dass die Verordnung ihr Ziel, private Gelder in Richtung Nachhaltigkeit zu lenken, verfehlt hat.
  2. Vorschriften wie in der Schweiz bieten eine gewisse Flexibilität bei der Definition von Nachhaltigkeitspräferenzen. Viele Banken nutzen diese Flexibilität, um Präferenzen an bestehende Strukturen und Definitionen in IT-Systemen anzupassen, die bereits bestehenden Anforderungen entsprechen, zum Beispiel den von der EU definierten Anforderungen. Infolgedessen spielen die Kundenbedürfnisse eine untergeordnete Rolle, der betrieblichen Effizienz wird Vorrang eingeräumt, die Chance zur Ermittlung von Nachhaltigkeitsbedürfnissen, die die Kunden verstehen und mit denen sie sich identifizieren können, wird vergeben. Folglich ist zu erwarten, dass die Kunden ähnlich ungünstig auf ESG reagieren werden, wie es in der EU der Fall ist.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Erfüllung einer stark wachsenden und robusten Nachfrage nach nachhaltigen Anlagen durch die Komplexität der Regulierung behindert wird.

Drei Verlierer

Diese Entwicklung bringt drei Verlierer hervor:

  1. Der Regulator, denn er verfehlt das Ziel, die Transformation durch private Geldströme (mit-)zu finanzieren und Klimaziele zu erreichen. Es sind dringend Anpassungen notwendig, die sich stärker an den Kundenbedürfnissen orientieren und die Kommunikation für die Banken vereinfachen.
  2. Die Banken und Vermögensverwalter, weil sie durch die Regulierung gezwungen sind, komplexe, für die Kunden kaum verständliche Definitionen anzuwenden und so daran gehindert werden, das starke Kundeninteresse an diesem hoch attraktiven Thema zu bedienen.
  3. Die Kunden, weil sie ihre starke Nachfrage nach ESG-Anlagen nicht befriedigen können, da die angebotenen Präferenzen nicht zu ihnen passen, sie diese nicht verstehen oder es keine passenden Anlageprodukte gibt. Frustriert geben sie das Interesse an dem Thema auf und der bestehende Eindruck, dass Banken zu komplex sind und kaum auf ihre Bedürfnisse eingehen wird bestätigt.

Chancen zur Innovation nutzen

Die beschriebene Entwicklung in sustainable Finance bietet Banken allerdings auch enorme strategische Chancen für Innovationen, wenn sie die folgenden Punkte vorrangig berücksichtigen:

  • Fokussierung auf kundenzentrierte Nachhaltigkeitspräferenzen als Ausgangspunkt. Nur wenn die Kunden die angebotenen Nachhaltigkeitspräferenzen verstehen und sich mit ihnen identifizieren können, werden sie sich auf die ESG-Kundenreise einlassen anstatt sich zu abzuwenden. Dies erfordert ein tiefes Verständnis der Nachhaltigkeitsbedürfnisse der Kunden und die Umsetzung von regulatorischen Präferenzen in kundenfreundliche Präferenzen. In Fällen, in denen es den Vorschriften an Flexibilität mangelt, können die Banken einen alternativen ESG-Rahmen für alle Kunden anbieten, die einen Bedarf an ESG haben, sich aber gegen die vordefinierten Präferenzen der Regulierungsbehörden entscheiden.
  • Konsequente Ausrichtung des Produktangebots und des Beratungsprozesses auf die Nachhaltigkeitsbedürfnisse der Kunden. Damit sich das Interesse des Kunden an Nachhaltigkeit in eine positive und überzeugende Erfahrung verwandelt, müssen das Produktangebot und die Beratungsleistungen der Bank konsequent auf die Nachhaltigkeitspräferenzen des Kunden abgestimmt werden.
  • Entwicklung von verständlichen Impact-Produkten, die sich an den Kundenbedürfnissen orientieren. Dies ist der komplexeste Bereich und erfordert Kompetenzen, die in vielen Banken noch nicht vorhanden sind. Was die Nachhaltigkeitspräferenzen betrifft, so müssen die Banken genau hinhören, was die Kunden an Wirkung, positivem Wandel oder ähnlichem wünschen.
  • Kundenbetreuer schulen, damit sie ihren Kunden das Thema kompetent und mit Begeisterung vermitteln können. Die Kommunikation von regulatorischen Details und technischen Produktaspekten sollte sich auf das Wesentliche beschränken. Nur wenn Kundenberater das ESG-Konzept der Bank verstehen und davon überzeugt sind, dass sie damit Geschäft generieren und ihre Kunden glücklich machen können, werden sie ESG in ihrer Rolle als Gatekeeper unterstützen.
  • Für weitere Informationen zu diesem Thema kontaktieren Sie Marcus Fenchel und Tobias Merk.