Die Schweizer Inlandbanken sehen sich einer zunehmenden Konkurrenz von agilen Neobanken ausgesetzt. Bei der Online-Kontoeröffnung und der Kundenführung haben die Retailinstitute aufgeholt. Doch es gibt noch grosse Unterschiede.


Von Sévérine Dröhnli und Daniele Micheletti, Hochschule Luzern

Es ist nach wie vor so: Kleinere Regionalbanken können oft nur eine Teil-Digitalisierung in der Kontoeröffnung anbieten. Im schlimmsten Fall sind solche Institute immer noch von ihrem Filialnetz abhängig. Doch derzeit werden Lösungen entwickelt, um im digitalen Bereich zu den Grossbanken aufzuschliessen. 

Grossbanken haben meist den Vorteil, dass sie das Knowhow der eigenen IT-Abteilungen nutzen können oder über ein grosses Budget für die Digitalisierung verfügen. Regionalbanken, die nicht auf diese Ressourcen zurückgreifen können, nutzen folglich noch nicht alle Möglichkeiten der Digitalisierung, um das Geschäftsmodell oder die Kundenbeziehungen zu optimieren.

Wo liegt der Vorteil der Digitalisierung?

Das Geschäftsmodell einiger kleinerer Banken ist möglicherweise auf Geschäftskunden (B2B) ausgelegt, welche meist den persönlichen Austausch bevorzugen, so dass der Vorteil der Digitalisierung scheinbar gar nicht genutzt werden kann. Dennoch zeichnet sich allgemein der Trend ab, dass die Kunden immer öfter digitale Services verlangen und Online-Kontoeröffnungen für Regionalbanken eine sinnvolle Ergänzung zum Filialgeschäft darstellen, um das wirtschaftliche Überleben auch in Zukunft zu sichern.

Werden Dienstleistungen auch digital angeboten, steigert dies – in der Regel – nicht nur die Kundenzufriedenheit, sondern auch die Effizienz seitens des Anbieters. Mit dem digitalisierten Kontoeröffnungsprozess, dem sogenannten Digital Onboarding, könnte man sich Samstagnacht dazu entscheiden, bei einer Bank ein Konto zu eröffnen und eine Maestro-Karte beantragen. Das bedeutet, dass die Neukundengewinnung komplett digital stattfinden würde.

Bank ohne Beratungsgespräch 

Bei Automatisierungslösungen ist aber zu bedenken, wie sich diese auf die Zukunft auswirken könnten: Das klassische Beratungsgespräch in der Filiale findet dann nicht mehr statt. Der Berater sowie die mühevolle Datenerfassung fallen weg. Die Fehlerquote geht bei der Digitalisierung gegen null. Ein Backoffice, welches im Hintergrund die Daten in ein Zentralsystem überträgt, wird nicht mehr benötigt. Der ganze Geschäftsprozess ist schlanker, sicherer und kostengünstiger.

Im Bankenwesen kommt schnell die Frage nach der Daten- und Prozesssicherheit auf. Die Banken haben im Rahmen der Sorgfaltspflichten sicherzustellen, dass sich der Kunde richtig identifiziert hat. Eine bevorzugte Methode ist, dass sich ein Kunde im Vorfeld über einen «digitalen Fingerabdruck» identifiziert und diesen für den Eröffnungsprozess nutzt. Diesen Fingerabdruck kann man online beantragen und für digitale Geschäfte wie eine Art Ausweis nutzen.

Digitalisieren führt zu Fehlervermeidung

Eine umfangreiche Untersuchung im Rahmen einer Diplomarbeit an der Fachhochschule Nordwestschweiz analysierte die Schweizer Bankenlandschaft. Mit Hilfe von Experten-Interviews konnte Folgendes gezeigt werden: Je stärker der Prozess digitalisiert ist, umso effizienter, sicherer und fehlerfreier ist der Prozess. Gleichzeitig steigt die Kundenzufriedenheit.

Wenn das Geschäftsmodell auf Neukundengewinnung ausgerichtet wird, lassen sich Kosten einsparen und operative Gewinne werden bereits nach einigen Monaten realisiert. Die Digitalisierung der Kontoeröffnung kann also nicht nur auf Kostenseite, sondern auch auf Ertragsseite zum sogenannten Game Changer werden.

Prozesse «von der Stange»

Dieselbe Untersuchung hat ebenfalls digitalisierte mit nicht-digitalisierten Bankprozessen verglichen. In Bezug auf die Online-Kontoeröffnung konnte beispielsweise die Bearbeitungszeit um 92 Prozent und die unmittelbaren Prozesskosten auf rund 25 Prozent gesenkt werden. Darüber hinaus kommen weitere Vorteile hinzu, wie beispielsweise die systematische Datenanalyse des Kundenverhaltens, welche eine individuell zugeschnittene Beratung oder automatisierte Querverkäufe ermöglicht. Um auch kleinere oder regionale Filial-Banken zu unterstützen, bieten nun immer mehr Finanzdienstleister digitale und leicht standardisierbare Prozesse «von der Stange» an.

Sinnvolle Verbindung von Online und Offline

Allerdings sind auf der anderen Seite die Vorteile des Filialbesuchs nicht zu unterschätzen, denn dieser kann ein positives Erlebnis darstellen. Auch die Loyalität der Kunden kann leiden, wenn nur anonym über das Internet kommuniziert wird. Diese Erkenntnisse führen zum Ergebnis, dass eine Strategie für Filial-Banken im Moment am sinnvollsten erscheint, die Online- und Offline-Welt sinnvoll verbindet.

Es ist heute noch nicht abzuschätzen, wie das Banking in zehn oder 20 Jahren aussehen wird. Es zeichnet sich jedoch ab, dass vermehrt Prozesse digital angeboten werden. Möglich ist, dass sich eine Bank entscheidet, das Filialnetz aufzugeben und Beratungstermine direkt beim Kunden vereinbart. Dies verspricht weiterhin die Nähe zum Kunden. Denn gerade bei wichtigen Entscheidungen, Beschwerden oder Fragen wünschen sich Kunden das persönliche Gespräch. So gilt festzuhalten: Trotz aller Digitalisierungstendenzen - ganz ohne den Menschen in Form einer persönlichen Bankberatung geht es wohl auch in Zukunft nicht.


Séverine Dröhnli und Daniele Micheletti schrieben diesen Artikel im Rahmen des Masterstudiengangs zum EMBA an der Hochschule Luzern.

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