Seit der Integration der Neuen Aargauer Bank in die Credit Suisse hat die Aargauische Kantonalbank gut 12'000 neue Kundinnen und Kunden gewinnen können, wie AKB-Chef Dieter Widmer im Interview mit finews.ch erklärt.


Herr Widmer, vor rund einem Jahr hat die Credit Suisse (CS) die Neue Aargauer Bank (NAB) in den eigenen Konzern integriert. Damit verschwand ein traditionsreiches Finanzinstitut im Kanton Aargau. Haben viele enttäusche Kundinnen und Kunden in den vergangenen zwölf Monaten zu Ihnen gewechselt?

Für die Aargauerinnen und Aargauer war das ein Riesenereignis; de facto wurde eine Bank «gegroundet». Uns war klar, dass sich die Marktanteile neu mischen und Mitbewerber sich verstärkt bemerkbar machen werden. Tatsächlich konnten wir einen deutlichen Anstieg von Neukundinnen und -kunden verzeichnen; etwa 1'000 pro Monat und somit doppelt so viele wie sonst.

Wie viele Kundinnen und Kunden haben die Aargauische Kantonalbank (AKB) aktuell?

Rund 240'000.

Hat Sie das Verschwinden der NAB überrascht?

Es gab Gerüchte, überraschend war jedoch vor allem der Zeitpunkt, da beim Entscheid zwei Schweizer, CEO Thomas Gottstein und André Helfenstein, Chef des Schweizer Geschäfts, involviert waren.

Sie haben einmal gesagt, dass der der Kanton Aargau der am härtesten umkämpfte Bankenmarkt der Schweiz ist.

Das stimmt. Die Raiffeisenbank ist hier stark vertreten, die Valiant hat einen Teil ihrer Wurzeln im Aargau, und mit der «Hypi» befindet sich die grösste unabhängige Regionalbank in unserem Marktgebiet.

«Neben dem Mutterschaftsurlaub konnten wir auch den dreiwöchigen Vaterschaftsurlaub einführen»

Die NAB war zuvor die grösste Regionalbank und ihrerseits ein Konstrukt früherer Fusionen von Aargauer Regionalbanken. Neben den Grossbanken und weiteren, lokal ansässigen Banken hat im Fricktal beispielsweise die Basellandschaftliche Kantonalbank physische Standorte eröffnet, und die Valiant wird dasselbe nächstens auch im Freiamt tun.

Dazu kommt, dass wir aus historischen Gründen mit rund 25 Prozent einen im Vergleich zu anderen Kantonalbanken tiefen Marktanteil bearbeiten. Darum ist es nur natürlich, dass auch wir uns im Kanton bemerkbar machen, der von vielen, aber sicher nicht von den Banken unterschätzt wird.

Hat die AKB auch personalseitig vom Verschwinden der NAB profitiert?

Die BLKB hat ein grosses Team von der NAB übernommen. In diesem Ausmass war das bei uns nicht der Fall. Uns ist klar , dass der kantonale Arbeitsmarkt ohne die NAB kleiner geworden ist und es somit schwieriger wird, Leute aus der Region einzustellen. Wir müssen weiter gehen...

...bis nach Zürich?

Ja, das mobile und smarte Arbeiten spielt uns jetzt bereits Trümpfe in die Hände.

Was können Sie Ihren Mitarbeitenden bieten?

Unsere Mitarbeitenden können in normalen Zeiten, sofern es jobbedingt möglich ist, bis zu drei Tage pro Woche im Homeoffice arbeiten. Neben dem Mutterschaftsurlaub konnten wir auch den dreiwöchigen Vaterschaftsurlaub einführen, und bieten mehr Ferienmöglichkeiten als üblich. Darüber hinaus wird jeder Job mit 80 bis 100 Prozent ausgeschrieben.

«Im Top-Management sind wir in Sachen Frauenanteil zugegebenermassen leicht im Rückstand»

Selbst mit Pensen von 60 Prozent ist es bei uns möglich, eine Führungskarriere in die Hände von zwei Verantwortlichen zu legen.

Und die Duzis-Kultur haben Sie auch schon?

Wir duzen uns bereits seit 2017. Krawatten sind übrigens auch kein Thema mehr, ausser bei gewissen externen Anlässen. Und auch im beim Thema Diversity sind wir auf Kurs.

Wo hapert es noch?

Im Top-Management sind wir in Sachen Frauenanteil zugegebenermassen leicht im Rückstand. Seit Jahren unternehmen wir einiges, leider verläuft der Prozess nicht immer linear.

Vielleicht ist Banking generell oder sind im Speziellen die Bereiche Private Banking oder IT für manche Frauen einfach noch nicht attraktiv genug. Wir haben unsere Hausaufgaben zwar gemacht, aber eine Musterschülerin sind wir noch nicht.

Wie differenziert sich die AKB gegenüber der Konkurrenz?

Was vielleicht altbacken klingen mag, uns aber tatsächlich unterscheidet, sind das Vertrauen der Kundinnen und Kunden und unsere Nähe zu ihnen. Es geht dabei nicht nur um physische Nähe. Entscheidend sind auch die Konstanz und Qualität der Kontakte und Ansprechpartner, ebenso die Seriosität und die Qualität unserer Produkte und Dienstleistungen.

Produkte und Dienstleistungen sind doch bei allen Banken gleich.

Auf dem Papier mag das so sein. Unsere Kundinnen und Kunden messen uns jedoch am Service. Unser Verständnis von Service und unsere Werte führen die AKB auf jeden Fall näher an die regionale Kundschaft heran als grosse oder global tätige Finanzinstitute.

Die Inlandbanken arbeiten mittlerweile eher gegeneinander. Was halten Sie davon, dass sogar die Schwyzer Kantonalbank im Aargau auf Kundenfang geht?

Die Strategie anderer Banken kann ich nicht kommentieren. Die Zürcher Kantonalbank (ZKB) ist auch im Ausland tätig; die BLKB strebt wiederum einen hohen Marktanteil ausserhalb ihrer Kantonsgrenzen an. Das ist legitim. Die Schwyzer Kantonalbank hat das Experiment im Aargau inzwischen wieder abgebrochen.

Die Staatsgarantie, die die AKB jedes Jahr mit 11 bis 12 Millionen Franken vergeltet, ist auch für die ausländische Kundschaft attraktiv. Haben Sie viele ausländische Kunden?

Wir sind eine der wenigen Schweizer Banken, welche die Zusage für eine vereinfachte Freistellung in Deutschland erhalten hat. Der Kanton Aargau verfügt über die längste Hoheitsgrenze der Schweiz zu Deutschland, so dass die Nähe zu Kundinnen und Kunden aus unserem Nachbarland eine historische Gegebenheit ist.

«Selbstverständlich haben alle Banken im Kanton das Geschäft mit Kundinnen und Kunden aus Deutschland erfasst»

Mit dem Automatischen Informationsaustausch (AIA) ist zudem die Steuerthematik klar geregelt, wobei wir die Steuer-Transparenz schon einige Jahre zuvor angegangen sind. Selbstverständlich haben alle Banken im Kanton das Geschäft mit Kundinnen und Kunden aus Deutschland erfasst. Warum sollten wir in diesem Segment hintenanstehen?

Wie gross ist Ihr Anteil an deutschen Kunden?

Er liegt bei rund 2 Prozent, ist strategisch also nicht massgebend. Doch es sind gute und langjährige Beziehungen, die immer wieder zu Neukunden führen.

Rechnen Sie aufgrund des Regierungswechsels in Deutschland mit einem stärkeren Zustrom an deutschen Kundengeldern?

Damit rechne ich nicht. Für wenige deutsche Geschäftspartner waren die Steuern früher ein Thema, aber mit dem AIA ist das geregelt.

«Uns geht es nicht um Marktanteile per se»

Eine Tatsache bleibt jedoch, dass unsere deutschen Nachbarn ein anderes Verhältnis zum Staat pflegen, und damit spreche ich explizit das Thema Vertrauen an. Viele Deutsche haben ihr Geld oder einen Teil davon lieber in der Schweiz, weil ihnen dies das gute Gefühl vermittelt, hier sei es sicherer aufgehoben und verwaltet.

Welche Ziele haben Sie sich gesetzt, um weiter zu wachsen?

Uns geht es nicht um Marktanteile per se. Wir wollen unseren Fussabdruck vergrössern, und als DIE Bank im Aargau wahrgenommen werden. Als Aargauer behaupte ich, dass die DNA der Aargauerinnen und Aargauer bei der AKB am repräsentativsten vertreten ist, und das wollen wir in unseren Bestrebungen noch intensiver ausspielen.

Sich das Ziel zu setzen, in drei Jahren 10 Prozent mehr Kunden oder Marktanteil zu erreichen wäre völlig falsch. Uns sind die Zufriedenheit der Kunden und die Qualität der Kundenbeziehungen, auch in der Erfolgsrechnung, wichtiger als das schiere Bolzen von Volumina.

Sie hatten eine Zeit lang auch samstags die Bank offen. Ist das immer noch der Fall?

Nein, das war eine temporäre Aktion, um den Ansturm von NAB-Kundinnen und -kunden abzufedern. Wir hatten auch während der Woche längere Öffnungszeiten. Diese Zeichen haben ihre Wirkung nicht verfehlt.

Sie setzen immer noch stark auf das Filialgeschäft. Sind digitale Tools für die AKB kein Thema?

In der Beratung arbeiten wir hybrid. Unsere Beraterinnen und Berater können ihrem Gegenüber mit den digitalen Möglichkeiten vieles visualisieren, und wir können die Prozesse end-to-end optimieren. Auch die Frage ums Robo-Advisoring haben wir geprüft und uns gefragt, ob es sinnvoll ist, den 32. Robo-Advisor in der Schweiz zu installieren? Wir kamen zum Schluss: Nein.

Warum?

In der Schweiz entwickeln sich Trends im Bankwesen viel langsamer als anderswo. Es braucht enorm viel Zeit, bis die Kundinnen und Kunden etwas Neues akzeptieren, was auch damit zu tun hat, dass sich unser Banksystem bewährt hat.

«Sie haben recht, es klingt langweilig»

Die Volumina der verschiedenen Robo-Advisors in der Schweiz sind immer noch sehr gering. Selbst die ZKB räumt ein, dass sie mehrere Milliarden Franken an Kundengeldern benötige, um die Gewinnschwelle bei «frankly» zu erreichen. Die Schweiz ist zudem ein kleiner Markt, und im Aargau leben 700'000 Menschen. Da muss man sich gut überlegen, ob man jeden Trend mitmachen muss.

Sie haben recht, es klingt langweilig, doch wir verfolgen technische und gesellschaftliche Entwicklungen intensiv und wissen andererseits auch, dass oft sehr viel Geld in technische Erneuerung investiert wurde, ohne einen bislang nennenswerten Return zu erhalten.

Wie wollen Sie Ihre Kundschaft verjüngen?

Wir haben in unserer aktuellen Strategie 2021 bis 2024 im Firmenkundengeschäft zwei Hauptzielgruppen definiert: KMUs und Selbständigerwerbende, unter anderem Ärzte. Im Privatkundenbereich haben wir drei Hauptzielgruppen bestimmt: Die Generation 65+, generell das Vorsorgethema sowie die 25-40-Jährigen.

Gleichzeitig haben wir uns zum Ziel gesetzt, bis 2024 die nachhaltigste Bank im Aargau zu werden und zu bleiben. Im Umgang mit den Mitarbeitenden und der Bevölkerung sind wir sehr weit, und auch in der Betriebsökologie und dem Umgang mit Ressourcen. Bei unseren Dienstleistungen und in der Beratung sind wir in der Umstellungsphase. Das blosse Wasserpredigen genügt uns nicht.

«Kryptowährungen sind nur bei wenigen Kunden ein Thema»

Man muss Nachhaltigkeit leben, was ein konsequentes Change-Management bedingt. Wir unterschätzen das Thema und die Entwicklungen darin in keinem Fall, vielmehr sehen wir es als Riesenchance – für die ganze Schweiz.

Bieten Sie auch Kryptowährungen Ihrer Kundschaft an?

Kryptowährungen sind nur bei wenigen Kunden ein Thema. Wir selbst sind in dieser Hinsicht sehr zurückhaltend. Wir handeln nicht damit, es gibt aber entsprechende Produkte für interessierte Kunden. Für mich persönlich sind Kryptowährungen eher ein Spekulationsobjekt als ein verlässliches Wertaufbewahrungs- und Zahlungsmittel.

Welche Chancen geben Sie dem Schweizer Finanzplatz?

Die grosse Herausforderung ist der Umstand, dass die Schweizer Banken sehr unterschiedliche Wege gehen. Das spürt man auch in der Schweizerischen Bankiervereinigung. Da klaffen die Zielsetzungen und Wünsche auseinander.

«Unter diesen Vorzeichen muss jede Bank ihren eigenen Weg finden»

Insgesamt dürfen wir auf einen sehr stabilen Finanzplatz setzen, wobei der Immobilienmarkt durch die tiefen Zinsen der Schweizerischen Nationalbank befeuert wird, während von den Banken in der Tendenz höhere Kapitalunterlegungen gefordert werden – und gleichzeitig Pensionskassen und andere Institutionen mehr oder weniger unreguliert im Markt agieren können. Unter diesen Vorzeichen muss jede Bank ihren eigenen Weg finden.

Gerade für lokal tätige Banken in der Schweiz bleibt die Herausforderung der tiefen Skalierbarkeit bestehen. Dies bedeutet, dass die Kosten technischer und anderer Innovationen auf viel weniger Personen aufgeteilt werden können als in grossen Ländern. Insgesamt bleibe ich sehr zuversichtlich für den Schweizer Finanzplatz, insbesondere wenn das wichtige Thema der Nachhaltigkeit in die Geschäftsmodelle der Banken einfliesst.


Dieter Widmer ist seit mehr als 20 Jahren für die Aargauische Kantonalbank (AKB) tätig, seit Juli 2016 als Mitglied der Geschäftsleitung und seit Juni 2018 als deren Direktionspräsident. Nach der Banklehre durchlief er Zusatzausbildungen zum eidg. dipl. Bankfachmann und zum eidg. dipl. Finanzanalytiker und Vermögensverwalter AZEK/CEFA. Im Jahr 2006 schloss er das Executive Program des Swiss Finance Institute (SFI) ab und absolvierte 2010 das SKU Advanced Management Program.

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