Durch die Schweizer Fintech-Szene geht ein Seufzer der Erleichterung: Der Bundesrat will innovativen Unternehmen den Markteintritt massiv vereinfachen. Das sind die Folgen für den Schweizer Finanz- und Bankenstandort.

1. Es geschieht zunächst nichts

Das ist leider die Realität. Denn die Mühlen in der Administration des Bundes mahlen bekanntlich langsam. Das Eidgenössische Finanzdepartement (EFD) darf sich nun erstmals bis kommenden Herbst Zeit lassen, Vorschläge für die vereinfachte Bewilligungspraxis für Fintech-Unternehmen auszuarbeiten.

Entsprechende Ideen liegen bei der Finma, die sich der Dringlichkeit einer raschen Umsetzung bewusst ist, sicher schon lange vor – aber der Weg führt über das EFD. Und dort herrscht zum Thema Fintech eher die Auffassung: «Schaun wir mal.»

Über die Vorschläge wird der Bundesrat beraten müssen und Fragen beantworten: Gibt es eine Verordnung oder muss das Bankengesetz angepasst werden? Im letzteren Fall führt der Weg über das Parlament, was die effektive Umsetzung eines vereinfachten Bewilligungsverfahrens für Fintechs in weite Ferne rücken würde.

2. Aber ein Zurück gibt es auch nicht mehr

Initiativen und Arbeitsgruppen lassen sich einstellen und auflösen. Ein Gesetzgebungsprozess des Bundes nicht. Damit lässt sich die Innovatoren-Lizenz nicht mehr zurücknehmen, wenn sie einmal in einer Verordnung oder im Bankengesetz verankert ist. Dann ist sozusagen «Förderung nach Vorschrift» angesagt. Dass das Vorhaben auf seinem Weg durch die Instanzen scheitert, ist dabei wenig wahrscheinlich. Denn welcher Politiker, welche Behörde steht schon gerne als «Innovations-Killer» da?

Wie lange es auch dauern mag, bis die Lizenz zur Anwendung kommt: ein Zurück gibt es für Fintech-Szene und etablierte Finanzfirmen seit dem Moment der Ankündigung nicht mehr.

3. Dammbruch oder gleich der Uber-Moment?

Mit einer Bewilligungspraxis für Fintech-Startups, die aller Voraussicht nach massiv weniger Eigenkapital verlangt, ist ein Dammbruch bei Neugründungen und der Ansiedlung von ausländischen Fintech-Unternehmen wahrscheinlich. Nun können auch Unternehmungen und Ideen realisiert werden, die zuvor an den zu hohen Eintrittshürden gescheitert sind. Theoretisch erhöht dies die Chance, dass sich eine Idee, ein Geschäftsmodell oder eine technologische Innovation zum Uber-Moment des Bankings entwickelt: Dass es tatsächlich einem Fintech-Unternehmen gelingt, die Wertschöpfungskette im Banking dermassen aufzubrechen, dass sich die gesamte Branche wandelt.

4. Für die Banken wird es heiss

Spätetestens wenn die Innovatoren-Lizenz spruchreif wird, beginnt der Tanz auf heissen Kohlen für die Banken – und nicht nur für jene, die sich bislang gegen die Digitalisierung des Swiss Bankings sperrten. Ein Wettlauf um die besten Innovationen und erfolgreichsten Umsetzungen wird einsetzen. Dies wird die Bankenlandschaft weiter verändern – und nicht alle Institute werden der «Fintech-Hitze» standhalten können.

Manche Banken werden um des Überlebens willen sogar ihr angestammtes Geschäft – beispielsweise im Beratungsbereich – kannibalisieren müssen, indem sie beispielsweise in der Beratung sowohl physische als auch vollautomatisierte Beratung zulassen. Die «Selbstzerfleischung» hat bereits Hanspeter Rhyner, CEO der Glarner Kantonalbank, als Notwendigkeit heraufbeschworen.

5. Gerät die Bankiervereinigung in einen Interessenskonflikt?

Die vom Bundesrat angedachte Innovatoren-Lizenz ist eine löbliche Angelegenheit – für Fintechs. Die Banken hingegen geraten durch ein solches Vorhaben noch mehr unter Druck und müssen ihre Geschäftsmodelle noch radikaler überdenken. Böse Zungen behaupten gar, der Bundesrat schaffe eine Zweiklassen-Gesellschaft: einerseits mit den Banken, die eine strengere Regulierung haben, und andererseits die Fintechs, die munter «hippe» Bankdienstleistungen erbringen können.

Vor diesem Hintergrund ist es nicht ausgeschlossen, dass der Ruf nach protektionistischen Massnahmen laut wird. In die Bredouille geriete so vor allem die Schweizerische Bankiervereinigung, weil sie recht eigentlich die Interessen der Banken (auch deren Arbeitsplätze) zu vertreten hat. Gleichzeitig ist der Dachverband der Schweizer Geldhäuser ein passionierter Verfechter der Fintech-Bewegung. Droht da nicht ein Interessenkonflikt?

6. Mehrere Spieler auf dem Felde

Die tieferen Eintrittshürden für Fintech erhöhen das Potenzial, dass die Finanzlandschaft hierzulande umgepflügt wird. Diese könnte in Zukunft so aussehen: Privatbanken werden verstärkt hybride Geschäftsmodelle implementieren und ihren Kunden auch digitale Roboadvise-Vermögensverwaltung anbieten. Regionalbanken müssen ihren Kundenansprache anpassen und auf so genanntes Multi-Channel-Banking umsetzen. Es wird ganz sicher weniger Filialen geben. Die Konsolidierung wird sich beschleunigen, neuartige Kooperationsmodelle tauchen auf.

Die Grossbanken haben die Möglichkeiten und Mittel, die Blockchain-Technologie soweit weiter zu entwickeln oder einzukaufen, dass Dienstleistungen beispielsweise im Kapitalmarkt anbieten werden. Die UBS zählt auf diesem Gebiet bereits heute zu den Pionieren.

Weiter wird es deutlich mehr eigenständige Fintech-Anbieter geben, welche angestammte Geschäfte angreifen, die Wertschöpfungskette der Banken angreifen oder in Nischen Produkte und Dienstleistungen anbieten, welche sich Banken aus Kostengründen nicht leisten können – beispielsweise im Kredit- und Lendinggeschäft.

Und unabhängig von der neuen Lizenz werden mit Apple, Google oder Microsoft gewichtige Player aus dem Nichtbanken-Sektor auf den Schweizer Finanzplatz drängen. Apple hat bereits die Marke «Apple Pay» in der Schweiz registrieren lassen.

7. Der Gewinner ist der Kunde – nicht der Bankangestellte

Der klare Gewinner einer stärkeren Digitalisierung des Schweizer Finanzplatzes ist der Kunde. Das Angebot unter den Banken wird heterogener, es wird mehr Transparenz und eine stärkere Preisdifferenzierung in der Angebotspalette geben, was insgesamt auch zu Preissenkungen führen wird. Eigenständige Fintech-Unternehmen werden mit Angeboten in Lücken und Nischen vordringen, beispielsweise im Personal-Finance-Bereich oder bei der Kreditvergabe. Insgesamt wird der Schweizer Finanzplatz lebendiger, dynamischer – und wettbewerbsfähiger.

Die Folgen für die Bankangestellten sind hingegen nicht nur rosig. Insgesamt führt die Digitalisierung von Bankgeschäften zu einem geringeren Bedarf an Mitarbeitern. Der erhöhte Druck von jungen Fintech-Unternehmen wird diesen Prozess möglicherweise beschleunigen. Global ist dieser bereits in vollem Gange. Die Citigroup veröffentlichte jüngst eine Studie, in der sie die Folgen der Disruption nicht nur positiv darstellte – Millionen von Bankern drohe die Arbeitslosigkeit.

 

War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
  • Ja, es gab keine andere, wirtschaftlich sinnvolle Alternative.
    26.6%
  • Nein, man hätte die Credit Suisse abwickeln sollen.
    18.48%
  • Nein, der Bund hätte die Credit Suisse übernehmen sollen.
    28.38%
  • Man hätte auch ausländische Banken als Käufer zulassen sollen.
    9.26%
  • Man hätte eine Lösung mit Schweizer Investoren suchen sollen.
    17.28%
pixel