«Game of Thrones» bei Neobank N26

Die Berliner Neobank N26 kommt nicht zur Ruhe. Nach dem angekündigten Rücktritt von Mitgründer Valentin Stalf als Co-CEO (finews.ch berichtete) und Schwierigkeiten mit der Aufsichtsbehörde Bafin bahnt sich nun laut einem Bericht des «Handelsblatt» (Artikel hinter Bezahlschranke) ein neuer Konflikt an.

Insider sprechen gegenüber der Wirtschaftszeitung von einem offenen Ringen zwischen den Gründern, Investoren und Aufsehern: ein regelrechtes «Game of Thrones» im Fintech-Sektor. Dabei geht es um die künftige Besetzung des Aufsichtsrats, der dem Verwaltungsrat in der Schweiz entspricht.

Ausserordentliche Aktionärsversammlung im November

Wie die Zeitung schreibt, wollen Valentin Stalf und Maximilian Tayenthal «zwei weitere Kandidaten in das Kontrollgremium berufen». Neben dem früheren Bundesbank-Vorstand Andreas Dombret sollen damit neue Kräfte in den Aufsichtsrat einziehen.

«Die Neobank hat zu einer ausserordentlichen Hauptversammlung eingeladen», zitiert das «Handelsblatt» eine N26-Sprecherin. Diese sei für Mitte November geplant.

Investoren gegen Gründer

Der Schritt sorgt für Unruhe unter den Investoren. Einige von ihnen wollen den Einfluss der beiden Gründer begrenzen. Laut Bericht sei «der späte Zeitpunkt der ausserordentlichen Hauptversammlung ein Hinweis darauf, wie sehr die unterschiedlichen Interessengruppen in der Neobank um Einfluss ringen».

Bereits der Wechsel von Marcus Mosen in den Vorstand sei das Ergebnis «eines wochenlangen Machtkampfs» gewesen, heisst es weiter. Mosen führt nun gemeinsam mit Tayenthal die Bank, nachdem Stalf im September seinen CEO-Posten abgegeben hatte. Unstrittig ist, dass Dombret künftig Aufsichtsratschef werden soll.

Frontrunning angesichts neuer Investorenvereinbarung?

Besonders umstritten ist die Frage, wie viele Sitze die Gründer im Kontrollgremium besetzen dürfen. Laut Handelsblatt geht es um eine neue Investorenvereinbarung, «die schon längst hätte unterschrieben sein sollen». Kritische Investoren argwöhnen, Stalf und Tayenthal könnten mit den neuen Nominierungen versuchen, eine Machtbeschränkung zu umgehen.

Dem Bericht zufolge sollen die Gründer künftig nur noch zwei Sitze besetzen dürfen. «Mit den beiden von den Gründern unterstützten Aufsichtsratskandidaten, so argwöhnen kritische Investoren, könnten die Gründer versuchen, diesen Teil der geplanten Vereinbarung zu unterlaufen», heisst es im Artikel wörtlich.

Gründer wollen selbst ins Kontrollgremium

Beide N26-Gründer streben demnach mittelfristig selbst in den Aufsichtsrat. Stalf wolle dies «nach einer nicht näher definierten Übergangszeit» tun, Tayenthal «zu gegebener Zeit», so das «Handelsblatt». Das werfe juristische Fragen auf, etwa ob sich die Gründer noch selbst nominieren dürfen, falls die neue Vereinbarung erst nach der Hauptversammlung unterzeichnet werde.

Währenddessen ordnet sich das operative Führungsteam neu. Kommunikationschef Sven Afhüppe verlässt die Neobank; Co-CEO Mosen übernehme künftig «die Zuständigkeiten für Regulatory Operations, Revision, Recht, Personal, Kommunikation, Vorstandsstab sowie europäische Märkte», zitiert das Blatt eine N26-Sprecherin.

Stalf: Konzentration auf strategische Rolle

In einem kürzlichen Interview mit Business Insider räumte Valentin Stalf ein, er hätte «das Timing [seines Rücktritts, Anm. d. Red.] anders gewählt». Er deutet damit an, dass der Zeitpunkt seines Rückzugs nicht völlig frei gewählt war, sondern von Zwängen beeinflusst wurde.

Stalf beteuert jedoch, er werde auch künftig «aktiv und leidenschaftlich» die strategische Ausrichtung von N26 mitprägen — nunmehr aus dem Aufsichtsrat heraus. Gleichzeitig wolle er mehr Zeit seinem Family Office und weiteren Projekten widmen.

500 Millionen Euro Umsatz

Sein Abgang wird in Medienberichten vor dem Hintergrund regulatorischer Kritik und Investorendruck gedeutet: So hatte die Bafin in Prüfberichten Schwächen der internen Kontrollen bemängelt, während Investoren eine stärkere Führung und Verantwortung gefordert haben.

Laut eigenen Angaben erzielt N26 einen jährlichen Umsatz von rund 500 Millionen Euro.

Schweiz als Nebenschauplatz

Auch in der Schweiz ist die Neubank präsent. Seit einigen Jahren bietet sie kostenlose Euro-Girokonten für hiesige Kunden an.

Der anfängliche Hype um den Markteintritt hat sich jedoch merklich gelegt, und offizielle Zahlen zur Schweizer Kundenbasis oder Geschäftsvolumen hat N26 bis heute nicht kommuniziert.