Albin Kistler verlässt sich bei der Vermögensverwaltung nicht auf andere Meinungen. Auch bei der Nachfolgeplanung geht alles nach dem Kopf der Gründer, wie der CEO gegenüber finews.ch erklärt.

Der Zürcher Vermögensverwalter Albin Kistler investiert demokratisch: Über jedes Investment, jeden Verkauf wird abgestimmt, auch die Gründer Norbert Albin und André Kistler haben jeder nur eine Stimme.

Jeweils am Montagnachmittag um vier Uhr sitzen die 20 Analysten, welche für die Investition der verwalteten Vermögen verantwortlich sind, auf knallorangen Stühlen um einen grossen Konferenztisch. Falls einer von ihnen einen Vorschlag hat, lag dieser bereits am vorhergehenden Donnerstagabend allen Kollegen vor – entsprechend genau wird nachgefragt.

«Wir gehen nicht mit den Kunden lunchen»

Hat die Mehrheit einem Entscheid zum Kauf oder Verkauf einmal zugestimmt, gilt dieser für das ganze Unternehmen. Alle Kunden, in deren Portfolios Aktien liegen, halten – von einzelnen Sonderwünschen abgesehen – dieselben Titel. Und die so gefassten Meinungen haben Bestand: Im Durchschnitt hält der Vermögensverwalter ein Papier zwischen drei und fünf Jahren.

«Albin Kistler braucht niemand. Wenn wir nicht gut sind, können wir zumachen», sagt Norbert Albin. «Wir können uns wirklich nur über die Analyse abheben. Wir gehen nicht mit den Kunden lunchen.»

Auch bei den Gebühren darf niemand ein Sonderzüglein fahren. Privatkunden können ab einer halben Million Franken investieren; je mehr Geld sie den Vermögensverwaltern anvertrauen, desto tiefer der Preis. Hinzu kommt eine Erfolgsprämie von 5 Prozent, jeweils vom letzten Höchststand gerechnet. 

Kultur steht im Zentrum

Der Fokus auf die Analyse zeigt sich auch bei den Neuzugängen. In der Regel sind dies keine altgedienten Kundenberater, entsprechend wird auch nicht erwartet, dass sie Kundengelder mit an Bord bringen.

Diese wachsen stattdessen durch den Investment-Erfolg und Mundpropaganda. Zum zehnjährigen Bestehen im Jahr 2005 knackte das Unternehmen die Grenze von 2 Milliarden Franken an verwalteten Vermögen, inzwischen sind es 5 Milliarden Franken. 

Benjamin Schoch

Viel wichtiger sei es, dass sie die Kultur des Unternehmens verinnerlichen, sagt Albin. So haben die meisten Mitarbeiter zwei Funktionen – Asset-Management-Leiter Benjamin Schoch (Bild oben)amtet zum Beispiel auch als Analyst für Anleihen und Währungen.

Auch nach aussen präsentiert sich das Unternehmen als Einheit. Neben dem CEO bestreiten dessen Stellvertreter Rico Willi (Bild unten) und Schoch das Interview mit finews.ch.

Sportliche Mitarbeiter

Willis Eintritt ins Unternehmen scheint emblematisch für den Fokus des Unternehmens auf Zusammengehörigkeit. Noch vor seinem Wechsel von der Graubündner Kantonalbank reiste er zusammen mit Norbert Albin an den New York Marathon. Als mehrfacher Teilnehmer konnte ihm dieser eines der begehrten Tickets aus seinem Kontingent anbieten.

Rico Willi

Dieses Jahr plant wieder eine Gruppe von Mitarbeitern die Reise nach New York sowie die Teilname an der Sola-Staffette – «selbstverständlich freiwillig», betont der Chef. Auch abgesehen vom Laufen seien viele der knapp 35 Mitarbeiter sehr sportlich.

Keine ineffizienten Märkte mehr

Zwar stand die Analyse von Anfang an im Fokus, trotzdem mussten Albin und Kistler ihren Investmentansatz seit der Gründung 1995 anpassen. Die Gründer setzten beim Investieren der ersten 70 Millionen Franken auf illiquide Schweizer Aktien – so wurden sie zum Beispiel zum Grossaktionär der Luzerner Zeitung.

«Ineffiziente Märkte gibt es leider nicht mehr in dieser Form», sagt Norbert Albin dazu. Einen Wissensvorsprung können die Investment-Experten heute stattdessen über ihren Fokus auf kleinere Unternehmen herausarbeiten – insgesamt deckt die Firma mit der eigenen Analyse rund 400 Unternehmen weltweit ab.

Fokus auf kleine Unternehmen

«Manchmal sind wir die einzigen, die zu den Präsentationen auftauchen, vielleicht noch mit Vontobel und einer Handvoll Journalisten», sagt Schoch. Der Fokus auf Nebenwerte zeigt sich auch in der Gewichtung der Firmen im Vergleich zum Index: Kunden von Albin Kistler sind gegenüber Index-Schwergewichten wie Nestlé, Novartis oder Roche nur etwa halb so stark exponiert wie der SPI.

Diese Kultur der Unabhängigkeit zu schützen war auch ein zentrales Anliegen der Gründer bei der Nachfolgeplanung. «Wir sind beide älter geworden und die Kunden und Mitarbeiter wollten wissen, wie es weitergeht, wenn wir einmal nicht mehr hier sind», sagt Albin.

Risiko Sport

Da André Kistler (Bild unten), der lange das Gesicht der Firma nach aussen war, altersbedingt noch einmal kürzer tritt, lastet immer mehr Verantwortung auf dessen Mitgründer. «Ich fahre gern Rennrad und Ski», sagt dieser, deshalb brauche es Sicherheit.

Bei der Planung dieser Nachfolgelösung verwarfen der 65-jährige Kistler und sein 63-jähriger Partner mehrere Szenarien. Auch eine Banklizenz stand zur Debatte – die Vorteile hätten den höheren administrativen Aufwand allerdings nicht gerechtfertigt.

Andre Kistler

Die Lösung fand sich schliesslich in Form der Graubündner Kantonalbank (GKB), welche seit Sommer 2018 eine Mehrheit von 51 Prozent an Albin Kistler hält. Bereits zwei Jahre zuvor hatte sich die Bank mit 25 Prozent beteiligt.

Erfolgreiche Testphase

«Wir haben die Verlobung gemacht, um zu schauen, ob die sich an Abmachungen halten», sagt Albin. «Wir bleiben in der Anlagepolitik eigenständig, müssen kein Produkt der GKB ins Portfolio nehmen, unser Research bleibt exklusiv unseren Kunden vorbehalten und wir haben weiterhin ein Mitarbeiterbeteiligungsprogramm.»

Damit hat sich weder für die Kunden noch für die Mitarbeiter wirklich etwas geändert. Ersteren steht es zudem weiterhin frei, auch bei einer anderen der fünf Depotbanken von Albin Kistler zu buchen. 

«Wir hätten wahrscheinlich auch noch jemanden gefunden, der mehr gezahlt hätte», sagt er weiter. «Aber der Preis war nicht das entscheidende Kriterium. Wir wollen, dass die Firma auch in 50 Jahren noch da ist.»

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