Der Schweizer Finanzprofessor Laurent Frésard ist der erste Dozent der neuen «Master Classes» des Swiss Finance Institute. Im Interview mit finews.ch verrät er, an wen sich sein Thema richtet.


Herr Frésard, was ist das Thema Ihres Beitrags zur ersten «Master Class»?

«Daten und Technologie im Finanzsektor», der Kurs beruht auf einer ökonomischen Analyse von Daten- und Analysewerkzeugen in der Finanzwelt. Ziel der Vorlesung ist, leicht verständliche Informationen und Konzepte über aktuelle Veränderungen zu vermitteln – dies mit der bescheidenen Absicht, Finanzfachleute für dieses Thema zu sensibilisieren.

Warum haben Sie sich gerade für dieses Thema entschieden?

Wir stehen am Anfang einer neuen Ära, in der Technologien, wie Künstliche Intelligenz (KI), die bisherigen Geschäftspraktiken fundamental verändern und die Branche disruptieren und letztlich verbessern werden.

Für Ökonomen sind die Grundlagen dessen, was wir derzeit beobachten, nicht wirklich neu. Darum hat die Forschung viele interessante Erkenntnisse zu bieten.

Wie meinen Sie das?

Die akademische Forschung hat sich schon in den vergangenen Jahrhunderten mit den Determinanten und Folgen der Einführung neuer Technologien auseinandergesetzt. Dabei hat sich immer sehr deutlich gezeigt, dass die Angst und der daraus resultierende Widerstand der Menschen – nicht zuletzt auch aufgrund von Fehlinformationen – viele Entwicklungen verhindert haben, die mittel- und langfristig Wirtschaftswachstum und Effizienzsteigerungen ermöglicht hätten.

Wen wollen Sie mit Ihrem Thema sensibilisieren?

Alle, die das Gefühl haben, dass sich etwas an ihrem Arbeitsplatz dramatisch verändern wird, und die ein einfaches, intuitives Verständnis dafür haben möchten, worum es bei diesen technologischen Veränderungen heute wirklich geht.

Welche Erkenntnisse werden die Teilnehmer daraus ziehen können?

Der Kurs bietet eine Mischung aus akademischen Thesen und praktischen Übungen. Berufsleute werden konkrete Anwendungen vorstellen und diskutieren. Die Gesamtstruktur ist auf einfache ökonomische Konzepte ausgerichtet.

Dabei werden wir uns insbesondere mit technologischen Veränderungen befassen, welche die Kosten senken. Die daraus resultierenden Erkenntnisse sollen dann dazu beitragen, die Prognosefähigkeit zu erhöhen. Die Teilnehmer werden auch Anwendungen im Bereich alternativer Daten und neuer Tools (Software) kennenlernen.

Wie verändert sich die Finanzbranche in Bezug auf Daten und Technologie?

Ich denke, dass das Potenzial von Daten der eigentliche «Game Changer» ist. Der wahre Wert von Finanzdienstleistungen ergibt sich aus der Nutzung von Informationen und dem Abbau von Asymmetrien zwischen den verschiedenen Akteuren in der Branche. Vor diesem Hintergrund erklärt sich das grosse Disruptins-Potenzial neuer Daten und Technologien.

Schwingt nicht auch sehr viel Hype mit in der neuen Fintech-Welt?

Sicher, aber ich das grösstenteils sehr positiv. Denn die meisten Fintech-Geschäftsmodelle beruhen auf einem effizienteren Einsatz von Technologien, etwa bei Zahlungs- und Sicherheitssystemen, oder in einer effizienteren Nutzung verfügbarer Daten, wie bei Kreditinformationen.

Fest steht auch, dass Fintechs das Potenzial haben, die Gesamtkosten in der Finanzintermediation beträchtlich zu senken, was in den kommenden Jahren zu einer neuen Branchendynamik führen wird – mit teilweise unerwarteten Gewinnern und Verlierern.

Wie schätzen Sie die Wettbewerbsfähigkeit des Finanzplatzes Schweiz in Sachen Fintech im Vergleich zum Ausland ein?

Unser Land ist in dieser Hinsicht insgesamt sehr gut positioniert, vor allem dank der Kombination aus exzellenten Forschungseinrichtungen, hochqualifizierten Fachkräften und einer langen Tradition für Finanzdienstleistungen.

Manche Faktoren könnten diese Ausgangslage jedoch beeinträchtigen. Namentlich der Mangel an Startkapital und die Passivität grosser etablierter Unternehmen könnten die weiteren Ambitionen auf diesem Gebiet einschränken.

Wann erwarten Sie, dass grosse Technologieunternehmen die traditionellen Banken konkurrenzieren werden?

Es ist wahrscheinlich noch zu früh, um eine endgültige Antwort auf diese Frage zu geben. Die aktuelle Dynamik deutet auf ein deutliches Interesse von «Big Tech» hin. Tatsächlich verfügen diese Unternehmen über wichtige Daten und Fähigkeiten, um die Banken herauszufordern. Ich gehe jedoch davon aus, dass künftige regulatorische Anpassungen eine wichtige Rolle bei der weiteren Gestaltung der Finanzlandschaft von spielen werden.

- Erfahren Sie mehr über die «Master Classes» des SFI.


Laurent Frésard promovierte 2009 an der Universität Neuenburg im Bereich Finanzen. Zwischen 2008 und 2011 war er Assistenzprofessor an der HEC Paris und von 2011 bis 2017 Assistenzprofessor und später Tenured Associate Professor of Finance an der Robert H. Smith School of Business an der University of Maryland. Heute lehrt er als Professor für Finanzwirtschaft an der Università della Svizzera italiana (USI), wo er einen Senior Swiss Finance Institute (SFI) Lehrstuhl innehat. Seine Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich Corporate Finance, insbesondere in den Wechselwirkungen zwischen Unternehmen, Finanzmärkten und der Realwirtschaft.