Die Kryptowährung Bitcoin ist auf dem Weg zu einem neuen Allzeithoch. Dafür sprächen gleich mehrere Indikatoren, sagt der renommierte Charttechniker Rolf Bertschi gegenüber finews.ch. Von Euphorie sei die Stimmung noch weit entfernt.


Herr Bertschi, der Bitcoin-Kurs befindet sich wieder in einem steilen Aufstieg und hat die Marke von 12'000 Dollar durchbrochen. Als Charttechniker hat Sie das nicht überrascht, oder?

Nein, dass Bitcoin wieder stark ansteigen würde, hat sich bereits vergangenen April mit dem Durchbruch der Marke von 5'000 Dollar abgezeichnet. Ich hatte diese Entwicklung bereits im Februar dieses Jahres voraus gesehen, nachdem Bitcoin zunächst die 3'300 Dollar und kurz darauf die 4'200 Dollar erreicht hatte. Vor der Rally im Februar gab es bereits einen starken Kursanstieg im Dezember. Diese beiden eher impulsiven Ausbrüche zeigten mir an, dass Bitcoin nun wieder langfristig ansteigen würde.

Ein geradliniger Aufstieg war es aber nicht.

Nein, Bitcoin hätte theoretisch auch an den Widerstandslinien bei 7'000 und anschliessend bei 9'000 Dollar scheitern können. Die Trend- und Momentum-Indikatoren zeigten allerdings schon seit vergangenem März an, dass dies nicht unbedingt der Fall sein würde.

Und was zeigen diese Indikatoren nun an?

Da der Auftwärtstrend anhaltend ist, sind die Momentum-Indikatoren nicht mehr sonderlich aussagekräftig, um eine präzisere Prognose zu machen. Wenn ich aber nun die Fibonacci-Linien betrachte...

Können Sie den Begriff Fibonacci kurz erklären?

Fibonacci war im Mittelalter ein italienischer Mathematiker, der eine Zahlenreihe entdeckte, die in der Natur immer wieder vorkommt. Mit der Zahlenreihe lassen sich beispielsweise Populationsberechnungen modellhaft abbilden. In der Charttechnik sind die Fibonacci-Zahlen ein Hilfsmittel, Kursbewegungen zu prognostizieren. Die Kursbewegungen widerspiegeln ja gleichzeitig die Stimmungsbewegungen des Kollektivs.

«Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass sich der Trend jetzt noch fortsetzt»

Die Stimmung des Kollektivs basiert auf den Stimmungsänderungen einer grossen Zahl einzelner Investoren, also Käufer und Verkäufer. Stimmungsänderungen unterliegen ebenfalls zyklischen Grundregeln und Grundmustern, welche durch die Fibonacci-Verhältnisfaktoren geregelt werden.

Was zeigen Ihnen die Fibonacci-Zahlen nun beim Bitcoin?

Nach einem Bärenmarkt, wie Bitcoin ihn im vergangenen Jahr erlebte, berechnet man die sogenannten Fibonacci-Retracements. Kurz gesagt: Hat ein Finanzwert nach einem Bärenmarkt mehr als zwei Drittel  – idealisiert 61.8 Prozent – des Verlustes wieder wettgemacht, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sich der Trend bis zum vorherigen Höchstpreis fortsetzt.

Und das geschieht jetzt?

Ja, eindeutig. Die erste Retracement-Linie, also 38,2 Prozent des Bärenmarktes von 2018,  lag bei 9‘500 Dollar. Bitcoin durchbrach diese am vergangenen 21. Juni. Die nächste wichtige Linie mit 61,8 Prozent des Bärenmarktes von 2018 liegt bei 13'400 Dollar.

Dort liegt ein starker Widerstand?
 

Ja, ich halte es für sehr wahrscheinlich, dass der Bitcoin-Kurs im Bereich 13'500 in eine Konsolidierung mündet.

Was dann?

Erst wenn der Bitcoin-Kurs die wichtige Marke von 13'500 deutlich durchbricht, dürfte er auf das Allzeithoch vom Dezember 2017 bei 19'783 Dollar steigen.

Sind höhere Prognosen auf der Basis der Charttechnik auch angezeigt?

Wenn man den gesamten Anstieg des Bitcoin vom Jahr 2012 bis zum Höchstpunkt im Dezember 2018 als Basis für eine Fibonacci-Projektion vom Tief vom 15. Dezember 2018 bei 3'122 Dollar annimmt, ergeben sich zwei wichtige Widerstandslinien bei 23,000 und bei 35,000 Dollar.

Spricht etwas dafür, das Bitcoin auch diese erreicht?

Die fortlaufenden Stimmungsveränderungen der Käufer und Verkäufer schwanken zwischen Optimismus und Pessimismus sowie Euphorie und Panik. Für mich stellt der Chart ein Bild der Stimmung des Kollektivs dar.

«Die Stimmung ist der einzige Antrieb für Kursveränderungen»

Im Falle des Bitcoin ist es ja ähnlich wie mit der Tulpenmanie Ende des 16. Jahrhunderts. Wie wollten Sie Tulpenzwiebeln realistisch bewerten? Oder wie wollen Sie bewerten, wann der Bitcoin zu teuer ist? Es gibt keine Bewertungsmassstäbe, wie zum Beispiel Zinsdifferenzen oder Unternehmensgewinne.

Weil die Stimmung der Bitcoin-Händler und Investoren der einzige Antrieb ist für die Kursveränderungen, könnte der Kurs des Bitcoin möglicherweise auch auf 23'000 Dollar steigen. Niemand könnte sagen, der Bitcoin sei zu teuer. Deshalb zeigen sich die Muster der Stimmung des Kollektivs mit den Fibonacci-Korrelationen im Bitcoin in so besonderem Masse.

Also?

Die Tatsache, dass der Bitcoin seit seinem letzten Tief im Dezember 2018 viel rascher gestiegen ist als er im Bärenmarkt von 2018 gefallen ist, spricht ebenfalls dafür, dass er ein neues Allzeithoch erreichen könnte.

Ihre Prognose?

Die Stimmungserinnerung der Investoren des Bitcoin sind immer noch vom Bärenmarkt und dem Pessimismus von Ende 2018 geprägt. Meine Prognose ist, dass diese Stimmung mit dem Durchbruch von 13'500 und 15'500 Dollar von Pessimismus und Skepsis auf Optimismus und später auf Euphorie drehen wird und der Kurs gegen 19'500 oder 23'000 Dollarsteigen könnte. In der Zwischenzeit würde aber ich die Unterstützungslinien bei 12'000 und 11'500 Dollar im Auge behalten.


Rolf Bertschi hat in den 1990er-Jahren  die Technische Analyse im Private Banking der Credit Suisse aufgebaut und gelangte dadurch zu weltweitem Ansehen. Ende 2016 liess er sich frühzeitig pensionieren und ist seither selbständig tätig. Mit seinen Prognosen zum Bitcoin-Kurs lag Bertschi in der jüngeren Vergangenheit jeweils richtig.

Gold hat mit 2'400 Dollar ein neues Allzeithoch erklommen. Ist dies der Anfang einer nachhaltigen Hausse?
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