Rolf Bertschi, ehemaliger CS-Banker und Charttechnik-Koryphäe, analysiert mit finews.ch den jüngsten Bitcoinabsturz. Dieser sei an sich nicht dramatisch. Bitcoin könne den Turnaround schaffen.


Herr Bertschi, Sie haben vor einem Jahr den Absturz des Bitcoin bei 19'000 Dollar vorausgesagt. Jetzt sackte Bitcoin erneut auf gegenwärtig rund 4'300 Dollar ab. Ist das der Tiefpunkt? 

Ich glaube, dass wir in der letzten Bewegung nach unten sind, bin aber noch nicht sicher, wo der Kursverlauf dann dreht. Bei der letzten grossen Korrektur von Ende 2017 habe ich gesehen, dass 4'300 Dollar eine wichtige Unterstützungslinie war. Das ist der Punkt, an dem er den Turnaround schaffen könnte.

Ich habe nach dem Preissturz vor einer Woche Bitcoin gekauft und bin voll in den Abwärtstrend geraten. Soll ich meinen Anteil jetzt behalten und warten oder lieber verkaufen?

Bei 4'150 Dollar würde ich den Verlust hinnehmen und verkaufen. Denn ein Unterschreiten dieser Marke könnte die Fortsetzung des Abwärtstrends signalisieren. Dann haben Sie zwar wahrscheinlich 10 Prozent verloren. Das Problem haben aber alle: Man kann gut kaufen, aber verkaufen trauen sich nur wenige. Meistens halten Anleger zu lange an einer verlustreichen Position fest. Seit dem 20. November bewegt sich der Kurs seitwärts. Wenn er die Seitwärtsbewegung nach oben durchbrechen und auf 4'650 Dollar steigen würde, hätte er genug Kraft, um sich dann auf über 5'000 Dollar zu erholen. Wenn er das schafft, dann kann er auch wieder Richtung 6'000 Dollar gehen, langfristig 8'000 Dollar und mehr. Dafür muss jedoch der Abwärtstrend zuerst gebrochen werden.

«In den meisten Fällen gelingt eine solche Trendwende»

Wie machen Sie das jeweils mit dem Kaufen und Verkaufen?

Wenn ich sehe, dass der Kurs eine wichtige Unterstützungslinie erreicht hat, kaufe ich den ersten Teil der gesamten Position, die ich eigentlich kaufen will. Beim Durchbruch der Widerstandslinie nach oben kaufe ich den zweiten Teil. Sollte der Widerstand aber nicht durchbrochen werden, dafür die vorherige Unterstützung, weiss ich, dass ich zu früh war. Dann realisiere ich einen kleinen Verlust. In den meisten Fällen gelingt eine solche Trendwende mithilfe meiner Indikatoren und die Position steigt dann mit Gewinn.

Wann schafft der Bitcoin denn diesen Dreh? Und wo sind die wichtigen Unterstützungs- und Widerstandslinien?

Im Moment ist er auf dem Weg Richtung 4'450 Dollar. Dann ist die Frage, ob er wieder auf 4'650 Dollar geht, oder nochmal absackt. Die nächste Supportlinie wäre dann 3'500 Dollar. Wenn er die erreicht und wieder steigt, braucht er aber ein gewisses Momentum, um den Dreh zu schaffen.

Wenn er absackt, wie Sie sagen, gibt es dann die Möglichkeit, dass der Kurs in absehbarer Zukunft auf 0 gehen könnte?

Er kann definitiv nicht auf 0 gehen, aber auf 200 Dollar. Dann wäre der Anstieg von den 2 auf 200 Dollar im Jahr 2011 immer noch eine Verhundertfachung. Beim jetzigem Rückgang darf man sich von den Tausendern nicht verunsichern lassen. Auf dem logarithmischen Chart (Bild unten) sieht man, dass der Kurs 2011 bis 2013 massiv gestiegen ist.

«Die Menschen lassen sich häufig von absoluten Zahlen erschrecken.»

Nach dieser Betrachtung ist der jetzige Rückgang eigentlich nur eine Kurskorrektur. Doch die Menschen lassen sich häufig von absoluten Zahlen erschrecken. Ein Anstieg von 5 auf 10 Dollar oder von 5'000 Dollar auf 10'000 Dollar ist prozentual gleich viel wie ein Anstieg von 10'000 auf 20'000 Dollar.

Bertschi Log

Sie sprechen Emotionen an, wieviel Psychologie steckt eigentlich hinter Ihrer Methode?

Der Bitcoin zeigt auf dem Chart Muster und Trends mit Momentum. Diese widerspiegeln das Verhalten von Millionen Käufern und Verkäufern. Sie interagieren über den Preis, der mitverfolgt wird. Sie können sich das vorstellen, wie wenn die Zuschauer eines Fussballspiels im Stadion eine Welle veranstalten. Dabei ist nicht ersichtlich, wer für welche Mannschaft ist oder wie der Spielstand ist. Und an der Börse funktioniert es sehr ähnlich. Da dreht sich einfach alles um den Preis und dessen Veränderungen. Und über die fortlaufende Interaktion zwischen der Preisveränderung und der Stimmung des Einzelnen gibt es eine neue Stimmung des Kollektivs, welche eine Eigendynamik aufweist. Also nicht physische Wellen, sondern Stimmungswellen. Und die studiere ich.

«Im Jahr 2020 könnte Bitcoin wieder weit oben sein»

Wenn Sie Ihre Charts betrachten, haben Sie im Verlauf Ihrer Karriere sowas ähnliches schon mal gesehen? Dass ein Kurs so steil wächst und wieder abstürzt?

Ja, das gab es schon diverse Male, sogar schon vor hundert Jahren, wenn vielleicht auch nicht von 2 auf 20'000 Dollar wie beim Bitcoin. Linear betrachtet (Bild unten) ist es eine klassische Blase, wie zum Beispiel die Tulpenmanie in den 1630er Jahren. Und die Bitcoin-Blase ist im Dezember 2017 bei 19'000 Dollar geplatzt.

Bertschi Lin

Wenn der Kurs jetzt steigt, kann sich das nochmals wiederholen?

Möglicherweise, denn diese Muster wiederholen sich. Vor der Blase stieg der Kurs sechs Jahre lang. Jetzt geht er ein schon ein gutes Jahr lang runter. 2020 könnte er wieder weit oben sein.


Der Aargauer Rolf  Bertschi ist seit mehr als 40 Jahren in der Bankbranche tätig. Seine Karriere startete er 1977 mit einer Lehre bei der damaligen Schweizerischen Kreditanstalt (SKA, heute Credit Suisse), bevor er 1980 in die Research-Abteilung wechselte. In den 1990er-Jahren baute er die Technische Analyse im Private Banking der Credit Suisse auf und gelangte dadurch zu weltweitem Ansehen. Ende 2016 liess er sich frühzeitig pensionieren und ist seither selbständig tätig.

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