Am zweiten Tag des Vincenz-Prozesses in Zürich hat das Gericht Beat Stocker befragt. Der ehemalige CEO der Bezahlspezialistin Aduno und Geschäftpartner von Pierin Vincenz sieht seine Beweggründe missverstanden.

Schattenbeteiligungen in Firmen aufbauen, um dann eine Übernahme durch einen etablierten Finanzakteur herbeizuführen und daraus einen privaten Gewinn zu ziehen: Dieses Muster wirft die Zürcher Staatsanwaltschaft nicht nur Pierin Vincenz vor, sondern auch Beat Stocker. Der andere Hauptbeschuldigte im Vincenz-Prozess bestritt diese Vorwürfe am zweiten Tag der Verhandlungen vor dem Zürcher Bezirksgericht erneut und deutlich.

In der Befragung durch Gerichtspräsident Sebastian Aeppli erklärte er stattdessen, wie sich ein Startup-Investor seiner Meinung nach zu verhalten habe.

«Juristisch geläutert»

Beispielhaft unternahm dies Stocker aus seiner Sicht bei der Firma Commtrain, die 2006 von der zur Aduno-Gruppe gehörenden Viseca übernommen worden war. Der einstige Aduno-CEO war bei Commtrain eine Beteiligung eingegangen, Vincenz hatte sich privat als Investor engagiert. Dass bestritt der einstige Berater nicht; dass er die Aduno-Firma Viseca, in deren Verwaltungsrat er sass, nicht über seine Beteiligung informierte, betrachtet Stocker nun zwiespältig.

Nach vier Jahren Verfahren sei er «juristisch geläutert», erklärte er am Mittwoch in Zürich. «Zum Zeitpunkt der Übernahmeverhandlungen hätte ich den Verwaltungsrat von Viseca informieren müssen», gab Stocker nun zu bedenken, «ich hätte viel weniger Ärger gehabt».

Sichtlich gezeichnet

Gleichzeitig zeigt er sich aber von der Grundidee des privaten Investments weiterhin überzeugt. «Ein Verwaltungsrat muss Eigenverantwortung übernehmen – heute nennt man dies Skin in the Game», erklärte er. Es sei zudem nicht seine erste Überlegung gewesen, Commtrain zu verkaufen, sondern eine Partnerschaft mit Aduno aufzubauen.

Die vier Jahre Vefahren, auf die Stocker wiederholt und mit einem bitteren Unterton verwies, haben ihn sichtlich gezeichnet. Stocker leidet an Multipler Sklerose (MS), die Symptome haben sich ihm zufolge seit 2018 verschlimmert. Zum Prozess ging er am Stock und wurde sitzend befragt. Berufliches Einkommen hat der einstige Finanzmanager nach eigenen Angaben keines mehr. Er lebt mit seiner Familie vom Erlös eines Aktienverkaufs und von einem Vermögen von rund 30 Millionen Franken.

System-Beweis erbringen

Die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft gegen Vincenz und Stocker umfassen ungetreue Geschäftsbesorgung, gewerbsmässigen Betrug und Urkundenfälschung sowie passive Bestechung – die Hauptvorwürfe im Prozess in Zürich, mit denen der Prozess für die Anklage steht oder fällt. Dies im Zusammenhang mit Firmenübernahmen von Raiffeisen Schweiz, Aduno (der heutigen Viseca) sowie der einstigen Aduno-Tochter Cashgate. Die Beschuldigten bestreiten die Vorwürfe; für sie gilt die Unschuldsvermutung.

Um bei Gericht durchzudringen, muss die Anklage unter Staatsanwaltschaft Marc Jean-Richard-dit-Bressel Stocker systematische Schattenbeteiligungen bei den Firmen Commtrain, GCL, Investnet, Eurokaution nachweisen. Das wies der so Beschuldigte nun erneut vehement von sich: bei den erhobenen Vorwürfen werden ihm schlecht, «das bin nicht ich!». Stocker fühlt sich unschuldig. Stattdessen suchte er sein Vorgehen mit den Bräuchen der Startup-Szene und dem Gebot von Diskretion rund um solche Transaktionen zu begründen.

Begleiteter Flug wegen Sehstörung

Der zusätzliche Vorwurf der Staatsanwaltschaft, Stocker habe mit unberechtigten Spesenbezügen Veruntreuung begangen, verlangt ebenfalls nach dem System-Beweis.

Dieser Anklagepunkt scheint jedoch im Fall von Stocker ins Episodische zu zerfallen: Laut Stocker haben auch die Cabaretbesuche stets in Begleitung mit Arbeitskollegen und Geschäftsleuten stattgefunden. Vier Flüge nach Lugano, die Stocker über seine Firmenkreditkarte bei Aduno abrechnete, waren seiner Erklärung zufolge damit begründet, dass seine Frau ihn bei der Reise und einer Präsentation für Aduno in Lugano nach einer vorübergehenden Sehstörung geholfen habe.

War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
  • Ja, es gab keine andere, wirtschaftlich sinnvolle Alternative.
    26.55%
  • Nein, man hätte die Credit Suisse abwickeln sollen.
    18.9%
  • Nein, der Bund hätte die Credit Suisse übernehmen sollen.
    27.98%
  • Man hätte auch ausländische Banken als Käufer zulassen sollen.
    9.02%
  • Man hätte eine Lösung mit Schweizer Investoren suchen sollen.
    17.54%
pixel