In der Finanzbranche werden täglich 2,2 Millionen Terabyte an neuen Daten erzeugt, sagt John Kain zu finews.ch. Doch die Unternehmen müssen härter arbeiten, um einen Nutzen aus dieser gigantischen Menge zu ziehen, findet der oberste Verantwortliche für Kunden aus dem Finanzwesen beim führenden Cloud-Anbieter Amazon Web Services (AWS).


Herr Kain, Bund, Banken und Behörden arbeiten neuerdings in einem Verein zusammen, um die Cyber-Abwehr des Schweizer Finanzplatzes zu koordinieren. Ist AWS da auch mit von der Partie?

Wir begrüssen alle Initiativen, die dazu beitragen, dass die IT-Sicherheit gewährleistet ist. Der Verein zur Erhöhung der Cyber-Resilienz des Finanzplatzes ist eine neue Initiative, die sich vorab an Finanzinstitute richtet. Wenn AWS einen Beitrag dazu leisten kann, werden wir gerne mit dem Verein zusammenarbeiten.

AWS ist weltweiter Marktführer bei Cloud-Diensten. In der Schweiz bedient aber Microsoft die Grossbanken UBS und Credit Suisse. Kommen Sie an die grossen Häuser heran, oder muss AWS sich mit kleineren Akteuren begnügen?

Finanzdienstleister auf der ganzen Welt nutzen AWS. Wir haben keinen Grund zu der Annahme, dass dies in der Schweiz nicht der Fall ist.

Welches sind denn die Vorzeige-Kunden von AWS im Schweizer Finanzwesen?

Wir zählen mehr als 10'000 Kunden in der Schweiz. Dazu gehören grosse Finanzdienstleister wie Zurich, Swiss Re, Helvetia und Vermögensverwalter wie Fisch Asset Management.

Schweizer Banken-Software-Anbieter rüsten derzeit mit Hochdruck auf Software-as-a-Service und Dienste aus der Cloud um. Wie ist AWS da involviert?

Wir beobachten eine zunehmende Akzeptanz von Cloud-Diensten in der gesamten Finanzbranche und insbesondere von Software-Lösungen in der Cloud. In der Schweiz haben wir ein lebendiges Ökosystem von Partnern, die innovative Lösungen und Dienste auf AWS bauen. Sie sind Teil des AWS Partner Network APN, einer globalen Gemeinschaft von Unternehmen, die unser Angebot nutzen.

Sozusagen ein exklusiver Club für Kunden?

Wir unterstützen unsere Partner beim Aufbau, der Vermarktung und dem Verkauf ihrer Angebote, indem wir ihnen geschäftliche, marketingbezogene und technische Unterstützung auf der Grundlage unserer bewährten, globalen und sicheren Infrastruktur bieten.

«Für Unternehmen, die eine Legacy-Infrastruktur betreiben, ist diese Aufgabe besonders mühsam»

Ein solcher AWS-Partner ist in der Schweiz Avaloq, ein weltweit führender Anbieter von digitalen Banklösungen, Kernbankensoftware und Wealth-Management-Technologie, der Cloud-Lösungen für Banken und Vermögensverwalter über Business Process as a Service und Software as a Service anbietet.

Bei der UBS will Chef Ralph Hamers den Kunden personalisierte Digitallösungen bieten, wie sie etwa der Streamingdienst Netflix bereits vorweisen kann. Inwiefern kann AWS da behilflich sein?

Auch Netflix nutzt AWS! Ebenso tun dies viele Finanzinstitute auf der ganzen Welt, darunter die Grossbanken Barclays, Goldman Sachs, HSBC und die US-Börsenbetreiberin Nasdaq. AWS innoviert schneller als jeder andere Anbieter, und dieser Abstand wird immer grösser. Im Jahr 2011 hat AWS mehr als 80 bedeutende Services und Features veröffentlicht, allein 3’084 im Jahr 2021. Unsere Kunden können direkt von unserer Innovations-Geschwindigkeit profitieren.

Wie?

Das Angebot an Services und die Partnerlösungen geben unseren Finanzdienstleistungs-Kunden die Möglichkeit, schnell eine massgeschneiderte digitale Lösung auf AWS zu bauen oder zu kaufen. So können Finanzinstitute die Art und Weise, wie sie ihre Kunden bedienen, transformieren.

Was sind die grössten Herausforderungen der Banken bei der Personalisierung?

In der Finanzdienstleistungsbranche werden täglich 2,2 Millionen Terabyte an neuen Daten erzeugt. Diese gigantischen Datenmengen bieten Möglichkeiten zur Monetarisierung, stellen aber auch eine grosse Herausforderung dar. Die Datensätze sind nicht standardisiert, oft über mehrere IT-Systeme und Tochterunternehmen verteilt und werden in verschiedenen Formaten geliefert. Die Finanzdienstleistungs-Branche musste daher härter arbeiten, um mehr Produktivität und Wert aus ihren Daten zu ziehen.

Wo müssen sie ansetzen?

Für Unternehmen, die eine Legacy-Dateninfrastruktur betreiben, ist diese Aufgabe besonders mühsam. Sie verbringen viel Zeit mit der Installation von Hardware und Software, der Konfiguration der Infrastruktur für Leistung und Verfügbarkeit und der Kapazitätsplanung für die Skalierung ihrer Systeme. Dieser Aufwand verringert die Agilität und verlangsamt die Entscheidungsfindung. Die gute Nachricht ist, dass datengesteuerte Finanzdienstleister jetzt Cloud-Infrastrukturen und Managed Services nutzen, um diese Funktionen zu automatisieren und den Datenzugriff und die Datenverwaltung zu optimieren.

Tatsächlich ist zu hören, dass bei Schweizer Banken hinter der App-Fassade vieles noch händisch erledigt wird. Treffen Sie in der Praxis noch oft solche Zustände an?

Überall auf der Welt stossen wir bei Finanzdienstleistern auf manuelle Prozesse. Dies ist das Ergebnis einer Reihe von Faktoren, einschliesslich komplexer Vorgängersysteme. AWS hilft Finanzdienstleistern bei der Modernisierung und Transformation.

«Der Cloud Act ändert nichts an dieser Verpflichtung»

Der Zugriff auf Technologien wie etwa Maschinelles Lernen, Künstliche Intelligenz und Schnittsstellen sowie das AWS-Partnernetzwerk ermöglichen es Kunden, das Produktdesign und die Markteinführung zu beschleunigen und bessere Entscheidungen in Bezug auf Kundensegmentierung, Preisgestaltung, Produktentwicklung und Cross-Selling zu treffen. Das hilft ihnen dabei, ihren Marktanteil zu erhöhen und ihre Kunden besser zu bedienen.

Die Cloud ist auch eine wichtige Basis, damit die Arbeit aus dem Home-Office gelingen kann. Ist es schon nur mit Blick auf moderne Arbeitsmodelle für Finanzdienstleister zwingend, über eine funktionierende Cloud zu verfügen?

Durch die Cloud können moderne Arbeitsformen flexibel ausgestaltet und zur Verfügung gestellt werden. Dies auch, um von überallher in Verbindung zu bleiben. Ressourcen können je nach Bedarf auf- und abgebaut werden. Dienste sind auf Abruf verfügbar, um neue Arbeitsformen kosteneffizient zu machen. Spezifische AWS-Lösungen für das Remote-Arbeiten helfen den Unternehmen dabei, neue Mitarbeiter aus der Ferne einzubinden, einen sicheren Zugriff auf ihren Desktop von überall aus zu ermöglichen und sicherzustellen, dass alle Unternehmensinhalte sicher in der Cloud bleiben.

Als US-Anbieter untersteht Amazon dem Cloud Act. Spüren Sie bei Schweizer Finanzanbietern Zurückhaltung, wenn es darum geht, AWS Daten anzuvertrauen?

Datenschutz und die Sicherheit unserer Kunden sind für uns oberste Priorität. Wir haben uns verpflichtet, allen Kunden, einschliesslich Regierungsbehörden, die uns ihre sensibelsten Inhalte anvertrauen, die umfassendsten Sicherheitsservices und -features zur Verfügung zu stellen, um die vollständige Kontrolle über ihre Daten zu gewährleisten. Der Cloud Act ändert nichts an dieser Verpflichtung.


John Kain ist Leiter of Financial Services Market Development bei Amazon Web Services (AWS) und damit ein bekannter Name an der Schnittstelle von Finanz und Technologie. Er unterstützt Kunden weltweit dabei, ihr bestehendes Geschäft mithilfe von AWS-Services zu transformieren und neue, innovative Lösungen auf den Markt zu bringen. John verfügt über mehr als 20 Jahre Erfahrung in der Entwicklung von Lösungen für Finanzinstitute. Bevor er zu AWS kam, leitete er wichtige Programme für bei der amerikanischen  Grossbank J.P. Morgan und der US-Börse Nasdaq.

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