UBS dirigiert Mega-Börsengang

Börsengänge sind in der Schweiz so selten geworden, dass sie allein aus diesem Grund viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen.

Besonders gilt dies für den geplanten Börsengang der Swiss Marketplace Group (SMG). Er ist nicht nur von der Grössenordnung her bedeutend – die Rede ist von einer Post-IPO-Bewertung des gesamten Unternehmens von rund 4,5 Milliarden Franken –, sondern spielt sich rund um Akteure grossen öffentlichen Interesses ab: Auf der Verkäuferseite stehen die beiden Medien-Titanen Pietro Supino und Michael Ringier mit ihren Häusern TX Group und Ringier.

Von Homegate über Ricardo bis Autoscout24

Und das neu zu kotierende Objekt, die SMG, beinhaltet einige der wichtigsten Online-Plattformen der Schweiz – angefangen beim Immobilien-Portal Homegate über das Auto-Portal Autoscout24 bis hin zur Online-Börse Ricardo.ch und dem Finanzvermittler Moneyland (Hypotheken, Versicherungen und Telekommunikation).

Die SMG war von Anfang an darauf ausgerichtet, früher oder später an die Börse gebracht zu werden. Dies wurde bereits 2021 kommuniziert, als Ringier und die TX Group ihre Online-Plattformen in das Joint Venture einbrachten, sich je etwa 30 Prozent am Unternehmen sicherten und zusätzlich die Mobiliar Versicherung (ebenfalls 30 Prozent) und das New Yorker Private-Equity-Unternehmen General Atlantic (10 Prozent) mit an Bord holten.

IPO von langer Hand geplant

Mit anderen Worten: ein IPO ist Teil der Unternehmens-DNA von SMG. Allfällige Fragen bezogen sich stets auf das Wann und Wie, nicht auf das Ob. Und nun scheint der Zeitpunkt gekommen: finews.ch hat mit zahlreichen Kapitalmarkt-Kennern gesprochen und niemand bezweifelt, dass die grosse Ankündigung unmittelbar bevorsteht.

Von den direkt Beteiligten will dies allerdings noch niemand bestätigen. Am Dienstag lehnten beide Verlagshäuser gegenüber finews.ch eine Stellungnahme zum Börsengang ab. Die TX Group schrieb: «Gerne äussern wir uns zu möglichen Auswirkungen und Entscheiden, wenn die Zeit reif ist.» Ein abschliessender Entscheid sei noch nicht gefallen. Auch die UBS, der beim IPO die entscheidende Rolle des Global Coordinators zugedacht ist, zeigte sich wortkarg: «Wir kommentieren hier nicht.»

IPO-Volumen von 1 Milliarde

Die SMG selbst schreibt: «Seit ihrer Gründung im Jahr 2021 haben die SMG und ihre Aktionäre ihre Absicht, einen Börsengang durchzuführen, offen kommuniziert.Im Einklang mit dieser Strategie und aufbauend auf der starken Performance in allen Geschäftsbereichen hat die SMG erste Schritte unternommen und ist nun in einem fortgeschrittenen Stadium der Vorbereitung für den Börsengang. An dieser Absicht wird weiterhin festgehalten. Es wurde jedoch noch kein definitiver Entscheid über den Börsengang oder dessen möglichen Zeitpunkt getroffen.»

Aus den Recherchen von finews lassen sich folgende Aspekte erhärten: Im Rahmen des IPO werden 20-30 Prozent des Eigenkapitals auf den Markt gebracht. Wie Bloomberg vor einigen Tagen dargelegt hat (Artikel auf Englisch, hinter Bezahlschranke), soll das Underwriting vor dem Handelsstart 1 Milliarde Franken für diesen Anteil einbringen.

Die UBS ist gesetzt

Üblicherweise werden die drei federführenden Banken UBS, J.P. Morgan und Goldman Sachs zusammen etwa 80 Prozent des Volumens mobilisieren, die weniger bedeutenden Joint Bookrunners (genannt werden im Einklang mit einem nicht öffentlich verfügbaren Bericht von Mergermarket die Häuser ZKB, Barclays, BNP Paribas und Morgan Stanley) je etwa 5 Prozent.

Die starke Position der UBS bei dem Deal kommt nicht von ungefähr: Als Schweizer Bank, die Investment Banking mit Private Banking unter einem Dach vereint, ist sie als einzige in der Lage, über den Wealth-Management-Kanal ein Investitionsvolumen im dreistelligen Millionenbereich zu platzieren. Ausserdem verfügt sie als eine von wenigen Banken über die notwendigen Lizenzen und Anbindungen an die Schweizer Börse, um den Börsengang technisch abzuwickeln.

Seltene Gelegenheit

An den Erfolgsaussichten des IPO bestehen keine Zweifel: Niemand rechnet damit, dass die beteiligten Banken die Aktien nicht losbringen. Mit ihrer starken Position im Schweizer Markt bei Kleinanzeigen in den Bereichen Immobilien, Automobil und Auktionsplattformen wirkt die SMG wie der Prototyp eines mündelsicheren Investments – gegen die aktuellen Turbulenzen rund um die US-Zölle ist das inlandzentrierte Geschäftsmodell soweit immun.

Insofern gilt es als höchstwahrscheinlich, dass die bisherigen Eigentümer Ringier, TX Group, Mobiliar und General Atlantic (die nach allgemeiner Auffassung wohl symmetrisch ihre Anteile in den IPO einbringen) einen erfolgreichen Börsengang feiern werden. Dementsprechend dürfen sich auch die beteiligten Banken, allen voran die UBS, freuen.

Von Fragen umweht

Wie jedes grosse Ereignis ist aber auch das IPO der SMG von Fragen umweht.

Die erste Frage betrifft die Bewertung des Unternehmens. Gestern gab die SMG gleichzeitig mit ihrer Miteigentümerin, der börsenkotierten TX Group, ihre Halbjahreszahlen bekannt. SMG rapportierte einen Umsatz von 161,5 Millionen Franken in den ersten sechs Monaten (plus 14,4 Prozent zum Vorjahreszeitraum) und ein adjustiertes EBITDA von 87,6 Millionen Franken (plus 34,3 Prozent), was einer bereinigten EBITDA-Marge von 54,3 Prozent entspricht (plus 8,1 Prozentpunkte gegenüber 1. Halbjahr 2024).

Imposante Multiples...

Bei einer antizipierten Nach-IPO-Bewertung von 4,5 Milliarden Franken resultieren also eindrückliche Multiplikationsfaktoren, die in der Realität erst noch getestet werden müssen: Auf Jahresbasis würde die SMG 14 Mal ihren Umsatz respektive 26 Mal ihr adjustiertes EBITDA kosten.

«Sportlich, aber nicht unrealistisch», lautet die Einschätzung von Kennern der Verhältnisse. Es sei aber klar, dass Investoren hier einen «Growth Case» kaufen würden, bei dem ein anhaltendes Umsatz- und/oder Margenwachstum vorausgesetzt würde.

...Eindrückliche EBITDA-Margen

In beiden Bereichen war die SMG in den letzten Jahren zwar gut, nicht aber raketenmässig unterwegs. Die Umsätze legten jährlich um knapp 15 Prozent zu, das Margenwachstum verlangsamte sich zuletzt etwas.

Internationale Referenzgrössen wie die Baltic Classifieds Group, die ein ähnliches Geschäftsmodell wie die SMG verfolgt – und über eine ähnlich starke Marktstellung in einem ebenfalls geographisch abgeschlossenen Raum verfügt – erzielte in ihren letzten Geschäftsjahr eine EBITDA-Marge von 78 Prozent. Der Online-Auto-Marktplatz Autotrader lag bei rund 65 Prozent.

Die grosse Frage

Die SMG möchte Umsatz und Profitabilität durch Mehrwertdienstleistungen steigern wie beispielsweise die Vermittlung von Hypotheken über Homegate oder von Autoversicherungen über Autoscout24. 

Dennoch hört man oft die Frage, wie nachhaltig angesichts der bereits sehr starken Marktstellung der SMG das Potential für weitere Umsatzsteigerungen ist. Um in den Bereich einer im Gesamtmarkt üblichen Bewertung vom Zehnfachen des EBITDA zu kommen, müsste die SMG ihr EBITDA in nützlicher Frist mehr als verdoppeln (von aktuell 175 Millionen Franken auf Jahresbasis in Richtung 450 Millionen). Besteht dieses Potential in der Schweiz? Das ist die grosse Frage.

Was bedeutet der IPO für die strategischen Investoren?

Davon unabhängig ist interessant, was der IPO für Ringier und die TX Group bedeutet, die bislang zusammen über eine kontrollierende Mehrheit von 60 Prozent an der SMG verfügten.

Durch den IPO wird deren gemeinsamer Anteil auf rund 40 Prozent verwässert und es darf davon ausgegangen werden, dass sich zumindest General Atlantic und Mobiliar mittelfristig von weiteren Anteilen trennen werden – General Atlantic aus inhärenten Private-Equity-Exit-Überlegungen und Mobiliar auch unter dem Klumpenrisiko-Gesichtspunkt ihrer ohnehin bestehenden, mutmasslich nicht besonders liquiden, 20-Prozent-Beteiligung an Ringier.

TX Group stünde ohne SMG weitgehend nackt da

Für die TX Group (und leicht weniger bedeutungsvoll für Ringier) ist die SMG-Beteiligung ein Kronjuwel. Im Gegensatz zum angestammten Mediengeschäft wirft sie grosszügige Renditen ab. Davon gibt das Halbjahresergebnis der TX Group beredt Zeugnis ab. Der Bereich TX Markets, zu dem neben der 30,72-Prozent Beteiligung an der SMG auch eine 50-Prozent-Beteiligung an der weniger bedeutenden Jobcloud gehört, steuerte im 1. Halbjahr 43,5 Millionen Franken zum gruppenweiten adjustierten EBITDA von 38,5 Millionen Franken bei.

Mit anderen Worten: Die übrigen Geschäftsbereiche, nämlich Tamedia (mit dem «Tages-Anzeiger» als Flaggschiff), «20 Minuten», der Werbevermarkter Goldbach und die Beteiligungs-Einheit TX Ventures, realisierten auf Gruppenebene gemeinsam einen Verlust.

Auch wenn man in Betracht zieht, dass dies gewissen Einmaleffekten geschuldet ist, wird klar: Ohne die SMG-Beteiligung, die Familienoberhaupt Pietro Supino meisterhaft strukturiert hat und nun teilweise verkaufen will, ist die betriebswirtschaftliche Perspektive der TX Group weit weniger erfolgversprechend.

«Strategisches Investment»

Der gemeinsame kontrollierende Einfluss der strategischen Investoren Ringier und TX Group geht im Zuge des IPO verloren. Inwiefern bei einer jeweiligen Rund-20-Prozent-Beteiligung noch von «strategisch» gesprochen werden kann, ist eine heiss diskutierte Frage. Bei der Präsentation der Jahreszahlen betonte TX-Mann Supino gestern, das Unternehmen vertraue weiter auf die beiden «strategischen» Geschäftsfelder der Online-Marktplätze und des Medien-Business.

Fraglos scheint indes, dass es vor allem die eher opportunistisch motivierten Investoren, also die Private-Equity-Gesellschaft General Atlantic und die Versicherungsgesellschaft Mobiliar, sowie das Management der SMG, waren, die das IPO zum aktuellen Zeitpunkt forciert haben. Denn angesichts der allgemein eher lauwarmen IPO-Dynamik ist es wahrscheinlich, dass die Anteile vor dem IPO mit einem gewissen Discount platziert werden. Beträgt dieser 5, 10 oder gar mehr Prozent? Dazu schweigen die Quellen.

Wie hoch ist der Discount?

Je nachdem wäre es für die strategischen Investoren Ringier und TX Group vielleicht langfristig besser gewesen, auf einen Zeitpunkt zu warten, an dem die Aktien ohne Discount platziert werden können. Aber, wie es die alte Redensart will: «Lieber der Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach.»

Nach dem Börsengang wird die SMG rasch zeigen müssen, dass sie ihre ambitionierten Versprechen an die Investoren einlösen kann.

Fragliche Zukunft des Medienbusiness

Aber auch Ringier und vor allem die TX Group müssen früher oder später ihre Karten auf den Tisch legen: War der IPO der SMG die Vorbereitung für einen Rückzug aus dem Medienbusiness oder gelingt es den beiden Häusern, sich in diesem abermals neu zu erfinden?

Die TX Group kündigt jedenfalls ein Aktienrückkaufprogramm «im Umfang von bis zu einem mittleren einstelligen Prozentsatz des ausstehenden Aktienkapitals» an: «Der Aktienrückkauf zum Marktpreis wird auf einer zweiten Handelslinie mit anschliessender Vernichtung der Aktien durchgeführt (Kapitalherabsetzung) und soll in den nächsten Wochen starten.»