Krypto-Kriminalität: Zwischen Mythen und Realität
Kryptowährungen gelten bis heute oft als bevorzugtes Mittel für Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung. Die Daten sprechen jedoch eine andere Sprache. Laut TRM Labs lag der Anteil illegaler Aktivitäten 2024 bei rund 0,4 Prozent des globalen Kryptovolumens. Dem stehen 2 bis 5 Prozent des weltweiten BIP gegenüber, die laut United Nations Office on Drugs and Crime jedes Jahr über traditionelle Systeme gewaschen werden. Kriminelle nutzen Krypto – aber sie prägen das Gesamtbild nicht.
Mit der weltweiten Verbreitung digitaler Vermögenswerte steigt auch die Zahl der Versuche, diese für illegale Zwecke einzusetzen. Stablecoins überschritten 2025 bereits im August ein On-Chain-Volumen von 4 Billionen Dollar, ein Plus von 83 Prozent gegenüber 2024. Über 53 Milliarden Dollar an digitalen Vermögenswerten wurden seit 2023 durch Betrug entwendet.
Was hinter vielen Fällen wirklich steckt
Ein grosser Teil dessen, was jedoch unter «Krypto-Betrug» läuft, hat nur am Rande mit der Technologie zu tun. Die Muster sind alt: Social Engineering, Investment und Tradingbetrug, Identitätsdiebstahl, Romance-Scams, gefälschte Support-Mitarbeiter, vermeintliche «Giveaway»- oder «Refund»-Angebote.
Die Technologie ist dabei selten die Ursache – nur der Kanal. Dieselben Mechanismen finden sich in jedem digitalen Umfeld: bei Banken, Zahlungsdienstleistern, Börsen, Shoppingportalen. Für die Schadensverursachung macht es keinen Unterschied, ob das Zahlungsmittel Euro, Dollar oder ein Token war. Der Schaden entsteht durch Täuschung, nicht durch Technologie.
Offline-Lücken schliessen
Aus Sicht von Kriminellen bieten Krypto-Assets bestimmte Vorteile: hohe Geschwindigkeit, globale Reichweite und der teilweise pseudonyme Zugang. Doch der vermeintliche Vorteil wird schnell zum Nachteil. Jede Transaktion ist dauerhaft auf der Blockchain gespeichert – offen, unveränderbar und nachverfolgbar.
Moderne Analysewerkzeuge wie Chainalysis oder TRM Labs und andere erlauben es, Wallets zu clustern, Netzwerke zu erkennen und Geldflüsse über Börsen, Bridges und Dienste hinweg zu rekonstruieren. Aber Sichtbarkeit bedeutet nicht automatisch Aufklärung.
Kriminelle nutzen Mixing-Dienste, Kettenwechsel und Off-Ramping in unregulierte Bereiche oder Jurisdiktionen. Ein signifikanter Teil der Ströme bleibt somit ohne eindeutige Zuordnung. Und zwar nicht, weil die Technologie versagt, sondern weil Rechtshilfe, KYC-Daten oder internationale Kooperationsmechanismen fehlen.
Ein Regulierungsrahmen, der Innovation und Kontrolle verbindet
Liechtenstein hat früh verstanden, dass mit dem TVTG und der Übernahme von MiCA Rahmenbedingungen geschaffen werden müssen, welche die Verantwortlichkeit dort verankern, wo sie realistisch durchsetzbar ist: bei Dienstleistern, On- und Off-Ramps, Verwahrstellen.
Gleichzeitig etablieren auch andere zentrale Märkte – von den USA bis Asien – strukturell vergleichbare Regulierungsregime. Für die Marktteilnehmer erhöht das sowohl die Rechtssicherheit als auch die Anforderungen an Governance und Compliance und damit insgesamt die Sicherheit im Umgang mit digitalen Vermögenswerten.
Liechtenstein: kompetent, vernetzt, handlungsfähig
Die Behörden in Liechtenstein arbeiten proaktiv mit modernen RegTech-Tools. So nutzen die Landespolizei, Financial Intelligence Unit (FIU) und die Finanzmarktaufsicht Liechtenstein (FMA) Blockchain-Forensik, um verdächtige Strukturen frühzeitig zu erkennen, Risiken zu bewerten und grenzüberschreitende Ermittlungen zu unterstützen.
Durch die enge Zusammenarbeit zwischen staatlichen Stellen und regulierten Dienstleistern kann Liechtenstein schnell reagieren, neue Ansätze testen und technologische Entwicklungen rasch in Aufsicht und Praxis integrieren.
Verantwortliche Innovation als Standortvorteil
Kriminelle nutzen jede Form von Digital- und Finanzinfrastruktur. Entscheidend ist nicht, ob ein System missbraucht werden kann, sondern wie gut Missbrauch verhindert, erkannt und verfolgt wird. Liechtenstein zeigt, dass moderne Regulierung, technologisches Know-how sowie gute institutionelle und internationale Kooperation kein Gegensatz zur Innovationsfähigkeit sind.
Im Gegenteil: Sie sind die Grundlage dafür, dass neue Technologien sicher, verantwortungsvoll und im Interesse eines stabilen Finanzplatzes eingesetzt werden können.
Clara Guerra ist Leiterin der Stabsstelle für Digitale Innovation des Fürstentums Liechtenstein und Co-Chair der European Blockchain Association (EBA). Als Juristin mit Schwerpunkt in High-Tech, Innovation und Digitalisierung war sie zuvor in der Privatwirtschaft tätig und engagierte sich als Board Member im Hochschul- und MedTech-Bereich. Sie hält Vorträge und publiziert über aufkommende Technologien und Innovationsthemen aus staatlicher Perspektive.













