Good Governance in Zeiten der (Über-)Regulierung

Governance im Portfoliomanagement hatte historisch vor allem eine Schutzfunktion. Anlegerschutz war das zentrale Ziel, umgesetzt durch klare Vorgaben zu zulässigen Anlagen, durch die Definition von Risikolimiten oder durch Diversifikationspflichten. Diese Prinzipien sollten sicherstellen, dass Investoren nicht durch übermässige Risiken, Intransparenz oder Missbrauch geschädigt werden.

Damit war Governance ein Instrument zur Vertrauensbildung: Kunden konnten darauf vertrauen, dass ihr Vermögen nach nachvollziehbaren Regeln und im Rahmen klarer Verantwortlichkeiten verwaltet wurde.

Wandel durch Regulierung

In den vergangenen Jahren ist die regulatorische Dichte im europäischen Finanzsektor massiv gestiegen. Anforderungen aus der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO), aus der Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR) mit ihren umfangreichen ESG-Offenlegungspflichten oder aus dem Digital Operational Resilience Act (DORA) illustrieren diese Entwicklung beispielhaft.

Solche Vorschriften betreffen nicht nur Banken und Versicherungen, sondern auch kleinere Finanzintermediäre, wie sie etwa in Liechtenstein traditionell stark vertreten sind. Für diese Institute bedeuten die zusätzlichen Berichtspflichten, technischen Anforderungen und rechtlichen Dokumentationslasten erhebliche organisatorische und finanzielle Belastungen.

Belastung für kleinere Anbieter

Während grössere Häuser eigene Compliance-Abteilungen unterhalten können, sind kleinere Anbieter oftmals gezwungen, knappe Ressourcen umzuschichten – weg vom Kerngeschäft hin zur reinen Regulierungserfüllung. Dies führt nicht selten zu Zielkonflikten: Die operative Tätigkeit wird durch administrative Pflichten überlagert. Die Gefahr besteht, dass die Qualität der Vermögensverwaltung leidet, obwohl gerade sie das Fundament für langfristige Kundenbeziehungen bildet.

Gefahr der Vernachlässigung von Kernaufgaben

Diese Dynamik birgt die Gefahr, dass die eigentlichen Kernaufgaben der Vermögensverwaltung an den Rand gedrängt werden. Good Governance im engeren Sinn – also eine verantwortungsvolle Portfoliozusammensetzung, die Sicherstellung von Investment-Compliance und die Beachtung ethischer Grundsätze – droht durch die Vielzahl neuer Vorschriften in den Hintergrund gedrängt zu werden.

Wenn die Managementkapazitäten in erster Linie auf das Ausfüllen regulatorischer Checklisten konzentriert sind, besteht das Risiko, dass zentrale Elemente wie Interessenkonfliktmanagement, konsequente Einhaltung von Anlagerichtlinien oder die stetige Überprüfung von Investmententscheidungen nicht mehr die notwendige Aufmerksamkeit erhalten können. 

Rückbesinnung auf Grundwerte

Das wäre paradox: Ausgerechnet die Regulierungsflut, die ursprünglich Vertrauen schaffen soll, könnte langfristig dazu führen, dass wesentliche Aspekte einer guten Governance vernachlässigt werden. Umso wichtiger ist es, sich auf die Grundwerte zu besinnen, die Governance ursprünglich geprägt haben. Dazu zählen Transparenz, Verantwortlichkeit und Integrität – Werte, die nicht durch regulatorische Detailvorgaben ersetzt werden können, sondern aktiv gelebt werden müssen.

Good Governance – die Rolle des CFA Institute

Vor diesem Hintergrund erinnert das CFA Institute daran, was unter Good Governance in der Vermögensverwaltung im Kern zu verstehen ist. Es sind nicht primär die immer komplexeren Detailvorschriften, sondern die dauerhafte Orientierung an ethischen Grundprinzipien, die transparente und klare Offenlegung gegenüber Anlegern sowie die Fachkompetenz im Portfoliomanagement.

Diese drei Säulen bleiben der entscheidende Faktor, um nachhaltiges Vertrauen zu sichern und langfristig Mehrwert für Investoren zu schaffen. Regulierung kann dabei unterstützen, sie darf jedoch nicht den Blick auf das Wesentliche verstellen. Gerade in Zeiten zunehmender Überregulierung gilt es, den Fokus auf die Grundwerte guter Governance zu bewahren.

Mathias Eggenberger ist Mitglied des Boards der CFA Society Liechtenstein sowie Partner des Geschäftsbereichs Audit Financial Services der Grant Thornton AG, Schaan. Er ist Chartered Financial Analyst (CFA) und Wirtschaftsprüfer (CH/FL).