Liechtenstein und die Schweiz in einer veränderten Weltordnung
Liechtenstein und die Schweiz gehören zu diesen Ländern. Beide Volkswirtschaften sind global integriert, innovationsgetrieben und stark exportorientiert. Sie verfügen über hochentwickelte Finanzplätze und ein Wealth-Management-Modell, das auf langfristigem Vertrauen, Stabilität und Verlässlichkeit basiert.
Diese Gemeinsamkeiten reichen weit über Zoll- und Währungsunion hinaus: Es ist ein gemeinsames Verständnis davon, was Wettbewerbsfähigkeit, Verantwortung und Offenheit in einer vernetzten Welt bedeuten.
Offene Märkte als Basis für Wohlstand und Stabilität
Offene Märkte sind kein Selbstläufer. Sie sind das Ergebnis politischer Entscheidungen und gemeinsamer Regeln. Wo Kooperation zurückgeht, entstehen höhere Handelsbarrieren, Unsicherheit und höhere Kosten.
Das bremst Innovation und Investitionen. Europa steht hier an einem Wendepunkt. Angesichts globaler Verschiebungen führt kein Weg daran vorbei, die wirtschaftliche Stärke des Kontinents zu sichern, indem Märkte offen und wettbewerbsfähig gehalten, Technologien und Kapital in Zukunftsfelder gelenkt sowie Regulierungen wirksam, aber verhältnismässig gestaltet werden. Die Alternative wäre ein Europa, das sich nach innen richtet und global weiter an Einfluss verliert.
Warum Finanzplätze eine Schlüsselrolle spielen
Finanzmärkte sind das Verteilungs- und Steuerungssystem für Kapital. Wo Kapital investiert wird, beeinflusst letztendlich, welche Technologien entstehen, welche Unternehmen wachsen und wo gesellschaftlicher Fortschritt möglich wird. Wealth Management ist deshalb mehr als Vermögensverwaltung.
Es geht um den Schutz von Werten über Generationen, die Finanzierung von Innovation und nachhaltigem Wachstum und die Stabilisierung von Volkswirtschaften in volatilen Zeiten.
Für viele Länder werden private Kapitalströme in Zukunft noch wichtiger. Entwicklungs- und Klimafinanzierung stehen unter Druck. Staatliche Mittel reichen nicht aus. Wenn Transformation gelingen soll, braucht es privates Kapital – verbunden mit Verantwortungsbewusstsein, langfristiger Perspektive und einer klaren Wirkungsausrichtung.
Wettbewerb und Regulierung: Qualität statt Masse
Damit der Finanzsektor diese Rolle ausfüllen kann, braucht es einen klaren regulatorischen Rahmen. Entscheidend ist dabei nicht «mehr» Regulierung, sondern bessere Regulierung. Das heisst, eine Regulierung, die Stabilität und Integrität sichert, Innovation ermöglicht, international anschlussfähig bleibt und proportional – statt schematisch – ausgestaltet ist.
Hier können kleinere Staaten wie die Schweiz oder Liechtenstein wertvolle Impulse setzen. Ihre Systeme sind oft näher an den Akteuren, agiler und umsetzungsorientierter. Sie können zeigen, wie Regulierung verständlich, praktikabel und zukunftsfähig ausgestaltet werden kann.
Europa muss wieder zueinander finden
Die grossen Herausforderungen – Klimawandel, digitale Transformation, Energieversorgung, soziale Ungleichheiten, demografischer Wandel – lassen sich nicht national lösen. Sie erfordern grenzüberschreitende Massnahmen. Genau das unterstreicht auch der Global Risks Report des WEF. Ein starkes Europa entsteht nicht durch Abgrenzung, sondern durch Zusammenarbeit. Wettbewerbsfähigkeit, Innovationskraft und eine offene, klare wirtschaftspolitische Orientierung sind dabei zentrale Bausteine.
Gerade kleine Staaten wie Liechtenstein und die Schweiz können dabei durch Vertrauen und Konsistenz wichtige Brücken bauen – Brücken zwischen Märkten, zwischen Regulierungstraditionen und zwischen öffentlichen und privaten Akteuren.
Denken in Generationen
Stabilität ist kein Besitzstand, sondern eine Verantwortung. Denken in Generationen bedeutet, die grossen Risiken nicht aus dem Blick zu verlieren und weiter an tragfähigen Lösungen zu arbeiten für den Erhalt von Wohlstand und sozialer Stabilität gleichermassen.
Genau hier liegt heute eine wichtige Aufgabe: den Raum für offene Märkte, verantwortungsvolle Finanzströme und konstruktive Kooperation zu sichern – in einer Welt, die sich neu ordnet.
Simon Tribelhorn ist Vizepräsident von Liechtenstein Finance und Geschäftsführer des Liechtensteinischen Bankenverbands (LBV). Nach seinem Studium an der Hochschule St. Gallen war er als Jurist sechs Jahre lang in der Finanzbranche tätig, zuletzt vier Jahre als Rechtskonsulent im Bereich Legal/Compliance bei einer Schweizer Bank. Seit Februar 2006 ist er für den LBV tätig, zunächst als Jurist, später als stellvertretender Geschäftsführer. Im Januar 2010 wurde er zum Geschäftsführer ernannt.













