Dieses Jahr verbringt man die (kulinarischen) Ferien aus solidarischen Gründen in der Schweiz und geniesst einheimische Tropfen. Darum hat Weinkenner Peter Keller für finews.ch aus sechs Anbaugebieten sechs seiner bevorzugten Winzer und Weine ausgewählt.

Die Corona-Krise sorgt für tiefe Einschnitte und wird auch die Weinwelt wohl nachhaltig verändern. Die Schweizer Produzenten haben mit unwirtlichen Rahmenbedingungen zu kämpfen: wochenlang keine Verkäufe an die Gastronomie, zu grosse Mengen bei zu kleiner Nachfrage mit entsprechenden Konsequenzen. Millionen von Litern Wein müssen vernichtet werden.

Da geht leicht vergessen, dass die Schweiz in den letzten zwei Jahrzehnten qualitativ einen riesigen Schritt nach vorne getan hat. Innovative Winzer und Winzerinnen in allen sechs Anbaugebieten produzieren Weine, die keinen Vergleich mit der internationalen Konkurrenz scheuen müssen.

Selbst das renommierte Fachmagazin «Wine Advocate» ist auf unser Land aufmerksam geworden und bewertet seit einiger Zeit regelmässig Schweizer Gewächse. Wein ist stets eine subjektive Wahrnehmung und von persönlichen Vorlieben abhängig.

Klar – um die Weine von Daniel und Martha Gantenbein aus Fläsch reisst sich die halbe Welt. Die süssen Preziosen der Walliser Starwinzerin Marie-Thérèse Chappaz sind über jeden Zweifel erhaben und erhalten regelmässig hohe und höchste Bewertungen. Die Domaine Louis Bovard ist und bleibt die Ikone im Waadtland.

Hier sind sechs meiner bevorzugten Winzer und Weine ausgewählt, die man einmal im Leben getrunken haben sollte.

1. Deutschschweiz: Pinot noir Monolith 2018, Weingut Obrecht, Jenins

Der Spitzenwein des Hauses war mir bis anhin stets etwas zu kräftig, zu «monolithisch». Der 2018er ist jedoch ein grandioser Wein und wohl einer der besten Schweizer Weine, den ich je aus dieser Sorte verkostet habe. Er vereint Kraft mit Eleganz und Finessen. Wirkt fast burgundisch.

Der biodynamisch produzierte Monolith ist grosses Pinot-noir-Kino (Preis: 55 Franken; www.obrecht.ch). Christian und Francisca Obrecht geben richtig Gas und legen generell eine beeindruckende Wein-Palette vor.

2. Drei-Seen-Region: Pinot noir Le Lerin 2016, Maison de la Carrée, Auvernier

Die Drei-Seen-Region mit dem Neuenburger-, Bieler- und Murtensee geht immer etwas vergessen. Das ist sehr schade, denn in dieser Gegend passiert gerade sehr viel. Herausragend ist die Domäne Maison de la Carrée, die Pinots noirs der Sonderklasse keltert.

Kürzlich begegnete mir das Spitzengewächs des Familienbetriebs, der Pinot noir Le Lerin 2016: grossartige Fülle, Struktur, Tiefgründigkeit und Länge. Auch Maison de la Carrée schwört auf die Biodynamie. Einziger Wermutstropfen: Die Weine sind schnell ausverkauft (Anfragen: www.vinothek-brancaia.ch).

3. Waadt: Curzilles 2018, Domaine La Colombe, Féchy

Die Waadt ist Chasselas-Land. Mit Weinen auf konstant hohem Niveau überzeugt die Domaine La Colombe. Raymond Paccot und seine Tochter Laura erzeugen geradlinige, ehrliche Gewächse ohne grossen Schnickschnack. Curzilles ist eine Entdeckung und eine Art von gemischtem Satz.

Die Sorten spielen keine grosse Rolle. Sie wachsen im gleichen Rebberg und werden gemeinsam verarbeitet. Dabei sind Chasselas, Doral, Pinot Gris und Riesling. Vielschichtiges Bouquet, im Gaumen trocken, dicht, komplex, gute Säure, elegant, relativ lang, schöne Harmonie, ein toller Speisenbegleiter (Preis: 21 Franken; www.lacolombe.ch)

4. Wallis: Syrah 2018, Cave de l’Orlaya, Fully

Hinter diesem Gut steckt eine bemerkenswerte Geschichte. Winzerin und Besitzerin Mathilde Roux stammt aus Frankreich und erwarb den Betrieb vor vier Jahren. Er wurde vollständig umgekrempelt. Die Französin hat zudem den Weinstil verändert – mit zunehmendem Erfolg.

Aus der breiten Palette ragt der Syrah heraus: sehr schöne Aromatik mit Noten von schwarzen Beeren und Pfeffer, dicht im Gaumen, aber nie opulent oder überreif, stets frisch, elegant, gut strukturiert. Er kostet relativ wenig, für diese Qualität eigentlich fast nichts (Preis: 25 Franken; www.orlaya.ch).

5. Genf: Grand Cour Rouge 2017, Domaine Grand’Cour, Satigny

Das ist wohl einer der besten Cabernet-Blends der Schweiz, bestehend aus 70 Prozent Cabernet Franc sowie 30 Prozent Cabernet Sauvignon. Er wird während zwei Jahren in französischen Barriques ausgebaut. Trotzdem ist das Holz perfekt integriert. Seine Merkmale: komplexes Bouquet (schwarze Beeren, Trüffel, würzige Noten), im Gaumen dicht, komplex, mit reifen Gerbstoffen, gut strukturiert, langanhaltend (Preis: 44 Franken; www.gerstl.ch).

Der Wein des Spitzenwinzers Jean-Pierre Pellegrin ist im Mémoire des Vins Suisses vertreten. In dieser Schatzkammer werden die besten Weine des Landes aufbewahrt. Alle müssen eine Reifepotenzial von mindestens zehn Jahren haben. Das schafft der Cabernet von Pellegrin locker.

6. Tessin: Velabona 2018, Weingut Zündel, Beride

Der Velabona ist für mich der beste Chardonnay der Schweiz: trocken, mineralisch, puristisch, geradlinig, nie vom Holz dominiert. Auch der 2018er ist wiederum eine grandiose Leistung (Preis: 34 Franken, www.zuendel.ch). Selbstverständlich kommen aus dem Hause Zündel ebenso schöne Merlot-Weine.

Aber Christian Zündel und seine Tochter Myra, welche die Verantwortung für das Spitzen-Weingut übernommen hat, sind überzeugt, dass Weiss ebenso gut oder gar besser funktioniert im Tessin. Egal ob rot oder weiss: Wer klare, elegante Gewächse mit wenig Alkohol mag, kommt hier voll auf seine Rechnung.


 Peter Keller ist Weinakademiker und Weinredaktor der «NZZ am Sonntag».