Kellerei Leukersonne: Walliser Tradition, neue Cuvées und ein Ski-Ass

Die Reben am Hang glitzern in der Morgensonne, über dem Tal liegt ein sanfter, goldener Dunst. Wer die Strasse zur Kellerei «Leukersonne» hinauffährt, passiert Mauern aus sonnengegerbtem Stein und Terrassen, die seit Generationen von Menschenhand geformt wurden.

Oben, im hellen, holzbetont eingerichteten Degustationsraum, herrscht eine geschäftige Ruhe: finews.ch besucht die Kellerei «Leukersonne» in Leuk, einer mittelalterlichen Gemeinde im mittleren Wallis.

Der Chardonnay glänzt im Glas

Hinter der Theke stehen Jörg Seewer und seine Frau Karin, vielen noch als Karin Roten aus glanzvollen Skitagen bekannt. Mit der gleichen Selbstverständlichkeit, mit der sie früher Stangen und Zwischenzeiten nahm, greift sie heute zu Flaschen, öffnet, schenkt ein, erklärt. Ihre Bewegungen sind präzise, beinahe choreografiert, und die Sonne, die durch die Fenster fällt, bringt den Chardonnay im Glas zum Strahlen.

Auf den Regalen und im Kühlfach zeigt sich, wie breit das Spektrum der «Leukersonne» ist: zehn reinsortige Weissweine, dreizehn Rotweine, dazu vier Assemblages in Weiss und fünf in Rot. Hinzu kommen ein Strohwein – ein Süsswein von konzentrierter Eleganz –, drei Rosés mit sommerlicher Frische und ein Schaumwein.

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Ehepaar Seewer im Weinkeller in Leuk. (Bild: Marco Schnyder)

Tief verwurzelte Tradition

Man spürt in jedem Detail, dass hier Wein nicht nur ein Produkt ist, sondern Lebensinhalt. Auf zwanzig Hektaren – die Hälfte im Eigenbesitz, die andere in Pacht – kultiviert das Ehepaar Seewer nicht nur Reben, sondern eine Tradition, die tief im Wallis verwurzelt ist.

«Schade», sagt Karin Seewer mit einem leichten Kopfschütteln, «dass in der Schweiz so viele ausländische Weine getrunken werden. Dabei gibt es so viele wunderbare, regionale Weine.»

Gratis-Raclette auf den Campingplätzen

Die Wurzeln der «Leukersonne» reichen zurück in eine Zeit, als Wein im Wallis noch allgegenwärtig war. Vor fast fünfzig Jahren begannen die Eltern von Jörg Seewer, René und Marzella, in Leuk, in ihrer Freizeit Reben zu pflegen – eine Tätigkeit, die mehr mit Hingabe als mit Rendite zu tun hatte. Sie setzten damit fort, was schon René‘s Vater getan hatte: eine althergebrachte Familientradition, so alt wie die Terrassen in den Hängen des Rhonetals.

Doch der Vater brachte Unternehmergeist ins Spiel. Er packte den selbst gekelterten Wein ins Auto, legte ein Stück Raclettekäse dazu und fuhr dorthin, wo er seine Kunden fand: auf die Campingplätze. Dort, zwischen Grillgeruch und Ferienlaune, baute er sich eine treue Stammkundschaft auf – ein Fundament, das bis heute trägt. Noch immer geht die Hälfte der Produktion in die Deutschschweiz.

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Zwischen Traditionssorten und modernen Cuvées. (Bild: Marco Schnyder)

«Ein guter Wein entsteht im Weinberg»

In den frühen 1980er-Jahren liess er den Weinkeller errichten, der heute noch das Herzstück der «Leukersonne» bildet. Hier reifen die Weine in kühlen Räumen.

Der Erfolg war so nachhaltig, dass bald die beiden Söhne übernehmen konnten: Jörg übernahm die Weinberge, sein Bruder Damian die Verantwortung im Keller. «Ein guter Wein entsteht im Weinberg» – Jörgs Credo blieb seitdem unverändert, und er pflegt es mit der Beharrlichkeit eines Winzers, der jeden Stock kennt.

Ambitionierte Zukunftspläne, couragierte Cuvées

Anfang dieses Jahres trennten sich die Wege der Brüder in geschäftlicher Hinsicht. Seither bewirtschaften Jörg und Karin Seewer das ursprüngliche Stammhaus gemeinsam – und führen damit die Geschichte fort.

Ihre Zukunftspläne sind ambitioniert. Die beiden Cuvées «Courage» und «Hommage an René» sind so etwas wie die Visitenkarten des Ehepaars Seewer: kraftvolle, sorgfältig komponierte Weine, die den Rebsorten Syrah, Merlot, Gamaret oder Cabernet Sauvignon eine eigenständige Walliser Handschrift geben.

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Von der Skipiste auf den Weinberg: Ehemalige Spitzensportlerin Karin Seewer. (Bild: zVg)

Ein Gespräch, ein Glas, ein Händedruck

Doch es bleibt nicht bei den grossen Namen. Jörg und Karin Seewer halten an jenen Sorten fest, die das Wallis seit Jahrhunderten prägen: Cornalin, dunkel und würzig, oder Humagne Rouge, herb und charaktervoll, Petite Arvine, erfrischend mit Salznote. Für das Paar sind sie keine Nischenprodukte, sondern kulturelles Erbe.

Und so modern die Kellertechnik auch sein mag, manches bleibt bewusst persönlich. Einmal pro Woche setzt sich Jörg Seewer selbst ans Steuer seines 3,5-Tonners, belädt ihn mit Kisten und Harassen und fährt in die Deutschschweiz. Dort liefert er die Bestellungen bei seinen Gastro- und Privatkunden nicht nur ab, sondern nimmt sich Zeit für ein Gespräch, ein Glas, einen Händedruck.

Sortenvielfalt und aromatische Klarheit

Für ihn ist das keine Vertriebsstrategie, sondern eine Selbstverständlichkeit: Wer seinen Wein trinkt, soll auch den Winzer kennen.

Wer sich – wie finews.ch – durch das Sortiment der «Leukersonne» probiert, merkt: Hier werden Sortenvielfalt und aromatische Klarheit gefeiert. Die Walliser Klassiker Fendant, Johannisberg und Chardonnay zeigen sich so, wie man sie sich wünscht – unverstellt, ehrlich, ohne modische Überfrachtung.

«Hommage an René»: Anklänge an Bordeaux

Es sind Weine, die nicht nach Aufmerksamkeit schreien, sondern sich wie alte Freunde in ein Gespräch fügen.

Ganz anders der «Hommage an René»: dunkel, kraftvoll, ein Blend aus Merlot und Cabernet Sauvignon, der sofort an eine gute Bordeaux-Cuvée denken lässt. Er verbindet Tiefe mit Präzision, trägt die Wärme des Wallis in sich und gleichzeitig die Struktur, die ihn zu einem Wein für besondere Momente macht.

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Syrah, Merlot, Gamaret: Assemblage «Courage» von der Kellerei Leukersonne. (Bild: zVg)

Die europaweit älteste Cornalin-Rebe

Ein weiterer Höhepunkt ist ein Cornalin, der durch seine Geschichte beeindruckt: Vitis Antiqua 1798. Er stammt von Sprösslingen der europaweit ältesten Cornalin-Rebe ab, die 1798 in Leuk gepflanzt worden war. Die Winzer des Ortes haben sich zusammengetan: In einem Rotationsprinzip keltert alle vier Jahre ein anderer diese historischen Trauben.

Die Erträge sind winzig, die Arbeit an den knorrigen Stöcken aufwendig. Im Glas entfaltet sich ein dunkler Rotwein von ätherischer Eleganz – mit den sortentypischen Noten von schwarzer Kirsche und Gewürzen.

Ein Stück Walliser Seele

Es ist diese Mischung aus Tradition, Handwerk und Persönlichkeit, die den Besuch in der «Leukersonne» prägt.

Man verlässt das Weingut vielleicht mit ein paar Flaschen im Kofferraum, sicher aber mit dem Gefühl, ein Stück Walliser Seele mitzunehmen.