In Chinas inländischem Anleihenmarkt sind steigende Ausfälle zu beobachten. Ist das ein Vorbote für einen Einbruch am Offshore-Markt?

Von Charles De Quinsonas, stellvertretender Fondsmanager M&G Emerging Markets Bond Fund

Chaori Solar und Baoding Tianwei werden für immer in der Geschichte des chinesischen Anleihenmarktes verankert sein. Chaori Solar war im März 2014 das erste chinesische Festlandunternehmen, das seinen Zahlungsverpflichtungen am Anleihenmarkt nicht nachkommen konnte. Baoding Tianwei schrieb im April 2015 Schlagzeilen, als das Unternehmen als erster Zahlungsausfall eines staatlichen Unternehmens in die Geschichte Chinas einging.

Seitdem kam es zu 24 weiteren Zahlungsausfällen von Anleihen, vor allem im verarbeitenden Gewerbe sowie in der Metall- und Stahlbranche. Hier spiegelt sich die Neuausrichtung des Landes auf eine Dienstleistungswirtschaft.

Drittgrösster Anleihenmarkt der Welt

Etwa 90 Prozent der in China begebenen Unternehmensanleihen sind in Lokalwährung denominiert (RMB). Sie werden auf dem heimischen Anleihenmarkt – dem so genannten Onshore-Markt – gehandelt.

Bei zwei Dritteln dieser Schuldtitel handelt es sich um Papiere staatsnaher Emittenten. Die verbleibenden Anleihen werden von Unternehmen begeben, von denen sich wiederum 90 Prozent in Staatsbesitz befinden. Das IIF berichtete unlängst, dass Chinas Anleihenmarkt mit einem Volumen von 48 Billionen RMB (7,5 Billionen Dollar) oder 65 Prozent des Bruttoinlandpros (BIP) der drittgrösste Anleihenmarkt der Welt ist.

Lediglich der US-Markt mit 35 Billionen Dollar (mehr als 200 Prozent des BIP) und der japanische Markt mit 11 Billionen Dollar (250 Prozent des BIP) sind noch grösser.

Betrachtet man grundsätzlich nur den prozentualen Anteil am BIP, so hat Chinas heimischer Anleihenmarkt noch Wachstumspotenzial. Tatsächlich verdeckt diese eindimensionale Betrachtung jedoch die Tatsache, dass das Land ein erhebliches Problem mit dem Volumen der ausstehenden Unternehmenskredite hat: die Anleihenschuld von Firmen ausserhalb des Finanzsektors beträgt 125 Prozent des BIP.

Des Weiteren deuten die zunehmenden Ausfälle an Chinas Onshore-Anleihenmarkt – ein relativ kleines, aus den Blue-Chip-Unternehmen des Landes bestehenden Universums – daraufhin, dass die grossen Banken mit einem Anstieg von notleidenden Krediten zu kämpfen haben.

Steigende Ausfallraten bei Unternehmensanleihen

Internationale Anleiheninvestoren würden einen Anstieg der Ausfallraten als natürlichen Heilungsprozess für China interpretieren, der eine stärkere Bonitätsdifferenzierung ermöglicht.

Aus dieser Perspektive bereitet lediglich das Tempo der diesjährigen Unternehmensausfälle Sorgen. Es stellt sich die Frage, ob die Bewertungen das Risiko auch tatsächlich widerspiegeln. Auf dem heimischen Anleihenmarkt hat es seit Jahresanfang mehr Unternehmensausfälle gegeben als in den vergangenen zwei Jahren insgesamt.

Ein weiterer Anlass zur Sorge ist die Unsicherheit darüber, ob die Regierung auch weiterhin staatliche Unternehmen unterstützen wird, die einen grossen Teil des Onshore-Anleihenmarktes ausmachen.

Im September 2015 unterteilte die chinesische Regierung Staatsbetriebe in zwei Gruppen: «Anbieter von öffentlichen Sozialleistungen» und «staatliche Wirtschaftsbetriebe».

Dies wiederum wirft die Frage auf, ob Letztere die ausserordentliche staatliche Unterstützung dann in geringerem Masse erhalten als von den Marktteilnehmern angenommen, was die Wahrnehmung inländischer Investoren deutlich verändern würde. Darüber hinaus dürfte die Marktöffnung für internationale Investoren (diese machen derzeit lediglich 2 Prozent aus) mit einer stärkeren Bonitätsdifferenzierung über die inländische Kreditkurve hinweg einhergehen – auch wenn sie langfristig positiv zu werten ist.

Renditen signifikant gesunken

Theoretisch hätte das weichere wirtschaftliche Umfeld und das höhere Ausfallrisiko in China die Renditen am heimischen Anleihenmarkt nach oben drücken müssen. In der Realität traf eher das Gegenteil zu.

Auf Grund der Zinssenkungen und der zunehmenden Anleihenkäufe durch Privatbanken infolge des Börsencrashs sind die Renditen auf Unternehmensanleihen 2015 signifikant zurückgegangen. Diese Abkopplung von Fundamentaldaten im Verhältnis zu den Bewertungen wurde gleichermassen bei den Renditen auf in Dollar lautende Anleihen chinesischer Unternehmen beobachtet, die sich im Laufe von 2015 – dank unterstützender technischer Marktfaktoren und trotz schlechter werdender Fundamentaldaten – überaus positiv entwickelten.

Die attraktiven Finanzierungskosten in Renminbi schufen einen positiven technischen Hintergrund für den chinesischen Unternehmensanleihenmarkt, an dem viele Bauunternehmen aktiv sind. Die Emittenten nutzten die niedrigen Renditen und das überraschend hohe Rating des Onshore-Marktes, um ihre Dollar-Anleihen zu refinanzieren, wodurch sie die Währungsinkongruenzen in ihren Bilanzen reduzieren konnten.

Beispielsweise emittierte der chinesische Immobilienentwickler Evergrande 2015 eine Anleihe im Wert von 5 Milliarden Yuan mit einer Rendite von 5,38 Prozent. Die Anleihe wurde von der chinesischen Ratingagentur Dagong mit AAA bewertet.

Angebot an Dollar-Anleihen geschrumpft

Die Dollar-Anleihen von Evergrande (mit einer Rendite von über 8 Prozent für kürzere Laufzeiten) haben derzeit ein B3-Rating von Moody‘s und ein CCC+-Rating von S&P. Dies macht deutlich, weshalb sich Immobilienentwickler für ihre Finanzierungsvorhaben auf den heimischen Anleihenmarkt stürzten.

Folglich schrumpfte das Angebot von Dollar-Anleihen, die von chinesischen Unternehmen ausgegeben wurden, während gleichzeitig die Nachfrage nach Dollar-Anleihen seitens lokaler Investoren, aufgrund der pessimistischen Einschätzung zum RMB sowie der schwachen Aktienmärkte, hoch blieb.

Aus der Perspektive globaler Anleger ergab sich daraus eine recht unattraktive Bewertung von Offshore-Anleihen. Erstens können Anleger in Schwellenländer-Anleihen höhere Anleihenrenditen ausserhalb Chinas finden. Diese bieten sowohl das Potenzial für einen positiven Carry haben als auch einen Kapitalzuwachs bei Unternehmensanleihen mit starken Fundamentaldaten.

Dies gilt vor allem mit Blick auf Schuldtitel, die auf Grund der negativen Marktstimmung für die Anlageklasse insgesamt, übermässig abgestraft wurden. Zweitens sind chinesische Dollar-Anleihen auf Grund der Preiskorrektur bei Unternehmensanleihen in Industriestaaten und insbesondere in den USA, sehr teuer. Dies umso mehr, wenn man das Risiko der Nachrangigkeit (gegenüber inländischen Anleihen) berücksichtigt, das Offshore-Anleger in China tragen.

Asiatische Unternehmensanleihen sind teuer

Die Ausfallrate am inländischen Markt in China dürfte weiter mit der derzeitigen Geschwindigkeit steigen. Ausserdem wird ein Anstieg der Renditen auf Onshore-Anleihen erwartet. Damit besteht eine reale Gefahr, dass chinesische Emittenten dem inländischen Anleihenmarkt den Rücken kehren und dafür den Offshore-Markt anzapfen werden.

Dies würde das Angebot von Dollar-Anleihen erhöhen und dem positiven technischen Hintergrund ein Ende setzen. Die technischen Aspekte aussen vor gelassen, werden sich die Fundamentaldaten wie seit jeher langfristig anpassen. Zusätzlich zu einem höheren, durch die verschlechterte Makro-Situation bedingten Verschuldungsgrad wird das erhöhte Dollar-Emissionsvolumen zu einem höheren Währungsrisiko in den Bilanzen führen, insofern zukünftig von einer gewissen Abwertung des RMB ausgegangen wird.

In der Konsequenz ist es dann lediglich eine Frage der Zeit, bis es am Offshore-Markt zu einer Korrektur kommt. Diese dürfte dann ungleichmässig ausgeprägt sein. Dollar-Hochzinsanleihen wären demnach am stärksten gefährdet, da sich die Nachfrage von lokalen Privatbanken und internationalen Investoren auf Unternehmensanleihen mit besserer Qualität konzentrieren würde, wenn die niedrigen Renditen am Markt das höhere Ausfallrisiko nicht mehr kompensieren.