Die Ersparniskasse Schaffhausen gehört nicht zur Clientis-Regionalbankengruppe, bezieht von ihr aber einzelne Dienstleistungen. Warum das Sinn macht, erklärt deren CEO Beat Stöckli im Interview mit finews.ch.


Herr Stöckli, in welchem Geschäftsverhältnis steht die Ersparniskasse Schaffhausen zur Clientis-Gruppe?

Wir haben einen Kooperationsvertrag, der es uns ermöglicht, verschiedene Dienstleistungen modulweise von der Clientis-Gruppe zu beziehen. Bei uns sind es IT-Dienstleistungen und neuerdings auch das Portfolio-Management und das Investment-Controlling für unsere Anlagekunden.

Damit haben wir für diese Dienstleistungen einen sogenannten Single Point of Contact (SPoC). In allen anderen Belangen sind wir völlig frei.

Was spricht denn gegen eine Vollmitgliedschaft bei der Clientis-Gruppe?

Unser Verwaltungsrat hat vor einigen Jahren entschieden, eigenständig und unabhängig zu bleiben. Die Ersparniskasse Schaffhausen war früher einmal der Clientis zugehörig, trat aber aus dem Verbund aus, als die Clientis BS Bank nach Schaffhausen kam.

Zwei Clientis-Banken auf so engem Raum hätte beiden Instituten die Öffentlichkeitsarbeit erschwert. Deshalb ist die Ersparniskasse aus dem Verbund ausgetreten, bezog jedoch weiterhin gewisse Dienstleistungen.

Die Clientis-Gruppe beschloss im vergangenen Jahr, ihren IT-Provider zu wechseln, und zwar von der Swisscom zur Churer Firma Inventx. Was hatte das in der Folge für Konsequenzen für die Ersparniskasse Schaffhausen?

Die Swisscom arbeitete an einer Neuausrichtung ihrer Dienstleistungspalette, so dass eine Fortsetzung der bisherigen Kooperation ohnehin nicht mehr möglich war. Dadurch stellte sich für uns die Frage, ob wir bei der Swisscom bleiben oder neue Provider evaluieren, unter anderem auch Inventx.

Und?

Es wären durchaus andere Modelle denkbar gewesen. Wir waren diesbezüglich absolut offen. Wir haben verschiedene Varianten sorgfältig evaluiert und kamen zum Schluss, dass die Vorteile überwiegen, wenn wir unseren bewährten SPoC behalten und zusammen mit der Clientis zu Inventx wechseln.

«Die Betriebskosten sind wesentlich tiefer»

Dadurch konnten wir von mindestens gleichbleibenden Leistungen zu signifikant tieferen Kosten ausgehen.

Warum kann die Firma Inventx günstiger offerieren?

Das Geschäftsmodell ist anders ausgestaltet. Vor allem die Betriebskosten sind gemäss Offerte wesentlich tiefer als im bisherigen Modell.

Warum gingen Sie nicht gleich selber zu Inventx, vielleicht wäre es dann noch günstiger gewesen?

Das glaube ich nicht. Die Clientis profitiert aufgrund ihrer vereinten Grösse von Skaleneffekten, die wir im Alleingang nicht erreichen. Ausserdem behalten wir mit der Clientis unseren SPoC.

Führen Auslagerungen nicht zu einem Know-how-Verlust, der sich irgendwann als riskant und nachteilig auswirken könnte?

Nein. Wir legen Wert darauf, die gesamte Wertschöpfungskette zu überblicken. Hinzu gesellen sich unternehmerische Überlegungen. Was man von extern bezieht, muss man nicht selber aufbauen.

Man muss heutzutage nicht für alles einen Spezialisten im Haus haben. Wenn ich Kaffee zubereite, röste ich ihn ja auch nicht selber. Die Frage «make or buy?» stellt sich allen Unternehmern.

Was bedeutet das?

Je näher eine Dienstleistung beim Kunden ist, desto wichtiger ist es, dass wir sie selber erbringen. Standardisierte Prozesse lagern wir tendenziell eher aus, während wir beispielsweise den Zahlungsverkehr selber abwickeln, um sicherzustellen, dass der Kunde mit unserem Service rundum zufrieden ist.

«Sie ist sehr, sehr schlank»

Viele IT-Prozesse kann man heutzutage problemlos und kostengünstig an spezialisierte Anbieter auslagern.

Wie gross ist denn Ihre IT-Abteilung im Hause noch?

Sie ist sehr, sehr schlank. Die Betreuung unserer IT obliegt wenigen Leuten, die bei Bedarf mit Clientis Kontakt aufnehmen.

Wer sind die Kunden der Ersparniskasse Schaffhausen?

Wir haben eine heterogene Kundschaft. Es sind mehrheitlich Privatkunden, Sparer und Anleger, die bisweilen auch komplexe Finanzierungsbedürfnisse haben. Zudem bedienen wir auch viele kleine und mittlere Unternehmen, also Gewerbekunden aus der Region. Wir kennen weder eine untere noch eine obere Vermögensgrenze für unsere Kunden.

Warum?

Wenn Sie sich unsere Gründungsgeschichte anschauen, dann sehen Sie, dass die Ersparniskasse Schaffhausen vor 200 Jahren von der Hülfsgesellschaft ins Leben gerufen wurde, um allen Bevölkerungsschichten, Bankdienstleistungen zugänglich zu machen.Es ist bis heute ein grosses Privileg, dass jeder und jede in unserem Land Zugang zu Bankdienstleistungen hat.

Wir sind auf die Region Schaffhausen, ausgerichtet und auf das Zürcher Weinland, wo wir mit einer Filiale vertreten sind. Wir decken grundsätzlich sämtliche Finanzangelegenheit ab und sind – so gesehen – eine kleine Universalbank.

Können Sie in einem solchen Umfeld noch wachsen?

Gute Frage! Wir wachsen immer noch, denn wir partizipieren an der Wertschöpfung unserer Region. Das bringt uns Neugeschäfte. Nach Norden (Deutschland) können wir nicht expandieren. Nach Süden haben wir mit unserer Filiale bereits einen wichtigen und erfolgreichen Wachstumsschritt vollzogen.

Insofern gilt es für uns, organisch zu wachsen, indem wir gute Arbeit machen, welche die Kunden zufrieden stellt. Zufriedene Kunden empfehlen uns weiter.

Trotzdem, der Wettbewerb ist enorm, allein in der Stadt Schaffhausen sind an die zehn Institute präsent. Wie können Sie sich da noch profilieren?

Ja, Schaffhausen weist tatsächlich eine sehr hohe Bankendichte auf. Das ist schön für die Kunden, die damit aus einem breiten Angebot auswählen können. Wir können uns vor allem dadurch profilieren, dass wir hier ansässig, also keine Filiale sind.

«So können wir direkt und rasch entscheiden»

Unsere Geschäftsleitung und unser Verwaltungsrat sind hier am Ort präsent. So können wir direkt und rasch entscheiden, und wir kennen die Verhältnisse in der Region wie kaum jemand. Ich muss mich beispielsweise nicht in Zürich erklären. So haben wir viel kürzere Wege. Das erfahre ich als grossen Pluspunkt – auch aus dem Feedback der Kunden.

Gibt es Pläne für eine weitere Filiale der Ersparniskasse Schaffhausen?

Momentan nicht. Es würde dann zur Diskussion stehen, wenn wir ein Team, potenzielle Kunden und Räumlichkeiten hätten. Dann würden wir eine solche Opportunität prüfen. Aber wir stehen nicht vor einer Landkarte und stecken kleine Fähnchen ein, wo wir noch überall Filialen eröffnen wollen.

Können Sie sich vorstellen, noch enger mit der Clientis-Gruppe zusammenzuarbeiten?

Ja, durchaus. Die Clientis bietet insgesamt neun Module für Clientis-Banken sowie für Partner-Institute an. Wir beziehen von ihr, wie eingangs erwähnt, die IT sowie den Bereich «Anlegen», also das Portfolio-Management und das Investment-Controlling von Vermögensverwaltungsmandaten für unsere Privatkunden.

Wie muss man sich Letzteres genau vorstellen?

Wir beraten unsere Kunden selber und erstellen dann ihr Anlageprofil und die damit verbundene Angemessenheitsprüfung (Suitability). Sobald das aufgesetzt ist, übernimmt die Clientis die Umsetzung des Mandats; konkret macht das die Clientis Zürcher Regionalbank, das grösste Institut im Verbund. Wir bleiben die Schnittstelle zum Kunden.

Nochmals, wie könnten Sie noch enger zur Clientis rücken?

Wir prüfen permanent, was wir noch besser machen könnten, und was andere Anbieter liefern. Wenn wir eine effizientere Lösung sehen, dann ist es ein normaler unternehmerischer Prozess, diese anzustreben. Ich kann mir noch vieles vorstellen, aber es muss wirtschaftlich stimmen.

«Ich könnte mir gut vorstellen, dass wir bei einer neuen Tablett-Version mitmachen»

Der Kunde ist nicht bereit, für Leistungen, die ihm keinen Mehrwert bieten, mehr zu bezahlen.

Gäbe es Alternativen zur Clientis?

Selbstverständlich, denn für sämtliche Dienstleistungen gibt es auch andere Anbieter. Ob Valiant, Raiffeisen oder Hypothekarbank Lenzburg, alle diese Institutionen sind an weiteren Banken als Kunden interessiert, um ihre Infrastruktur zu rentabilisieren. Der Bezug von Dienstleistungen bei vielen anderen Providern, würde die Zusammenarbeit mit der Clientis als SPoC jedoch beeinträchtigen. Momentan fühle ich mich sehr wohl im Clientis-Verbund.

Online-Banking ist derzeit in aller Munde, besonders auch im Kleinkundengeschäft. Die Clientis-Banken haben ihre Berater für den Kundenkontakt mit Tabletts ausgestattet. Welche Strategie verfolgt die Ersparniskasse Schaffhausen in dieser Hinsicht?

Wir beobachten diese Entwicklung sehr genau. Wir bieten unseren Kunden auch Online- und Mobile-Banking über eine App an, die übrigens ebenfalls von der Clientis stammt. Tabletts haben unsere Berater noch nicht. Die Clientis überarbeitet diese Tools gerade. Ich könnte mir gut vorstellen, dass wir bei einer neuen Version auch mitmachen, sofern dies dem Kunden einen Mehrwert bietet.

Stellt sich mit der ganzen Digitalisierung für eine Bank wie die Ersparniskasse Schaffhausen nicht grundsätzlich die Existenzfrage?

Ich sehe es so: Unsere Kundinnen und Kunden benutzen für einfache Bankdienstleistungen zunehmend digitale Kanäle. Geht es aber um ein Eigenheim, eine Finanzplanung oder darum, ein Depot nachhaltig zu investieren, dann bevorzugen die Kundinnen und Kunden eine persönliche Beratung. Wir lassen unsere Kundschaft entscheiden, ob sie direkt mit uns oder über unsere Online-Tools mit uns kommunizieren.

Man sollte die verschiedenen Kommunikations- und Distributionskanäle nicht gegeneinander ausspielen, sondern darauf achten, dass sie sich ergänzen. Fest steht: Wenn eine Kunde heute vorbeikommt, haben wir dank der digitalen Kanäle mehr Zeit für ihn und seine individuellen Bedürfnisse.


Der 44-jährige Beat Stöckli leitet seit Februar 2015 die Ersparniskasse Schaffhausen. Nach der Matura in Schaffhausen studierte er Rechtswissenschaften an der Universität St. Gallen, wo er auch doktorierte. Seine berufliche Karriere in der Finanzbranche startete er bei der Bank Wegelin, ab 2012 arbeitet er für die Privatbank Notenstein, zuletzt als Chief Operating Officer des Geschäftsfeldes Privatkunden Schweiz und als Mitglied der erweiterten Geschäftsleitung.

Die Ersparniskasse Schaffhausen wurde 1817 gegründet und beschäftigt heute 40 Personen. Sie ist die erste und älteste Schaffhauser Universalbank. Ihre Bilanzsumme beträgt 833 Millionen Franken; Hauptertragspfeiler ist das Zinsengeschäft. Die Bank erzielte im vergangenen Jahr einen Gewinn von rund zwei Millionen Franken. Das ursprünglich von der Hülfsgesellschaft gegründete Finanzinstitut engagiert sich in zahlreichen sozialen, kulturellen, karitativen und gesellschaftlichen Belangen.