Einfach mal durchatmen: Der ausländische Druck auf den Finanzplatz ist oft imaginär und nicht real, meint Thomas Sutter von der Bankiervereinigung.

Thomas_Sutter_119x178Thomas Sutter ist Leiter Kommunikation und Mitglied der Geschäftsleitung bei der Schweizerischen Bankiervereinigung

Reisen bildet, das ist bekannt. Reisen erleuchtet aber auch und verändert gar die Perspektiven. Wie gerade wieder in meinem jüngsten Strandurlaub erfahren.

Der Urlaub ist rasch erzählt. Hotel: Mittelklasse; Gäste: Mittelklasse, Food: mittelmässig. 30 Prozent Schweizer, 60 Prozent aus dem grossen Kanton und 10 Prozent aus Russland. Die erste Erkenntnis vorweg: es gibt die Sonne noch und sie scheint auch über mehrere Tage.

Medialer Lärm verstellt den Blick aufs Wesentliche

Für die zweite Erkenntnis brauchte ich dann etwas mehr Zeit. Zuerst musste der mitgebrachte mediale Lärm durch das Rauschen des Meeres ersetzt werden. Erst dies ermöglichte einen klareren Blick und eine andere Sichtweise auf die Realitäten. In den zwangsläufigen Gesprächen am Strand resp. an der Bar kam der Realitätscheck.

Mit den Russen beschränkte sich die Kommunikation zwar wenig überraschen nur auf Nastrovje - aber dies dafür sehr häufig. Mit den Deutschen war es interessanter. Als Schweizer ist man es sich ja schon immer gewöhnt, dass einem im Ausland nie jemand zu einem EU-Beitritt rät. Im Gegenteil: «geht ja nie in die EU» schallt es unisono in allen europäischen Sprachen. Und daran hat sich auch in diesem Urlaub nichts geändert. Vielleicht sollten die Leute im EDA statt mit Diplomaten lieber etwas mehr mit den Leuten reden.

Geschichten aus der Steuerwüste

An der Bar wird es dann plötzlich verschwörerisch und der Schweizer diskret beiseite genommen. In vertrauensvollem Ton wird über Steuern und Bankgeheimnis geredet. Beim zweiten Cocktail erfahre ich unzählige kleine und grosse Geschichten vom schwierigen Leben in einer Steuerwüste.

Nun muss man wissen, dass die deutschen Gäste weder Hoeness, Zumwinkel noch Maschmeyer geheissen haben, sondern Müller, Meier und Schulze. Es waren Gewerbler, Angestellte und Arbeiter. Eine Schweizer Bank haben sie noch nie von innen gesehen. Und doch: alle fragen mich besorgt, was nur mit dem Bankgeheimnis los ist und raten mir, dass wir dieses ja nicht aufgeben sollten.

Mehr Urlaub anstatt Hyperventilieren

Natürlich habe ich auch im Urlaub meinen Spin nicht ganz vergessen, tapfer vom Paradigmawechsel geredet und den grossen internationalen Druck, der auf unserem Land lastet, erwähnt..... Stopp! Druck? Kurz bevor die Gespräche in den alkoholischen Nebel des Vergessens geraten sind, habe ich mich plötzlich gefragt, wer eigentlich Druck macht? Diese Gäste sicher nicht. Ist am Ende dieser Druck nur eingebildet?

Ruhe und Gelassenheit wären sicher bessere Ratgeber als permanente Hektik und sich durch die grossen Schlagzeilen treiben lassen. Vielleicht sollte «Bern» öfters in den Urlaub fahren und sich selbst dem Realitätscheck stellen. Und auch meiner Zunft täte manchmal etwas Abstand ganz gut.