Als Finanzaufseher im Vatikan hat René Brülhart die päpstlichen Finanzen ausgemistet. Der Anwalt ist auch Verwaltungsrat der Hypothekarbank Lenzburg. Gegenüber finews.ch sagt er, wie das zusammenpasst.

Am Samstag, 18. März 2017 trafen sich die Eigner der Hypothekarbank Lenzburg zur Generalversammlung – in einer fensterlosen Mehrzweckhalle, 40 Kilometer vom Zürcher Finanzzentrum entfernt.

Die Stimmung dort ist ungezwungen und festlich. Einheimische Musiker spielen den Auftakt zur Versammlung. Bankchefin Marianne Wildi spricht in Dialekt zu den 1'823 Aktionären. Und der Bankpräsident Gerhard Hanhart erntet Beifall für einen Seitenhieb gegen seine Kollegen bei der UBS, die Tage zuvor einmal mehr Millionensaläre eingeheimst haben.

Päpstlicher Ausmister

Vorne auf dem Podium sitzt auch René Brülhart, 45-jährig, seit einem Jahr «Hypi»-Verwaltungsrat und zweifelos der Exot hier im ländlichen Aargau. Die meiste Zeit verbringt der Schweizer Anwalt nämlich im Vatikan, wo er vor vier Jahren die Rolle des «Ausmisters» der päpstlichen Finanzen übernahm und die vatikanischen Finanzinformationsbehörde (Autorità di Informazione Finanziaria) leitet.

Damit hat der frühere Geldwäschereiexperte bei der Liechtensteiner Finanzmarkaufsicht international für sehr viel Aufsehen gesorgt. Unter seiner Ägide hat die Vatikanbank (Istituto per le Opere di Religione, IOR) über 5'000 Konten geschlossen.

Die Anzahl als dubios gemeldeter Finanztransaktionen am Heiligen Stuhl schoss in den letzten drei Jahren von zehn auf fast 900 hoch. Nun findet sich der gebürtige Freiburger Brülhart weit weg von Rom in der aargauischen Provinz wieder.


Herr Brülhart, mit dem Urbi et orbi auf dem Petersplatz ist die Generalversammlung der Hypi Lenzburg kaum zu vergleichen. Was hat Sie eigentlich hierher verschlagen?

Ich lebte in den vergangenen 15 Jahren weitgehend ausserhalb der Schweiz. Ausser meinem Pass war die Verbindung zur Schweiz lose. Meine Rolle hier bei der Hypi Lenzburg hat sich dann aus persönlichen Kontakten und dem Respekt vor dem Management der Bank ergeben, das einen sehr guten Job macht.

Zudem bietet das Mandat eine schöne Abwechslung zu meinen anderen Aufgaben. Die Bank ist fest in der Region verwurzelt und führt ein relativ konservatives Geschäft, verfügt aber über eine hohe Affinität zur Finanztechnologie und deren Folgen für die Regulierung. Das ist eine Kombination, für die ich gerne ins Swiss Banking zurückkehre.

Als Sie letztes Jahr den Verwaltungsrats-Sitz bei der Hypi annahmen, sagten Sie, Sie träten als Lehrling an. Was haben Sie gelernt?

Ich hoffe, ich habe mein erstes Jahr als Stift erfolgreich überstanten (lacht). Ernsthaft, ich begegne jeder neuen beruflichen Herausforderung mit viel Respekt. Und mit der Lehre meinte ich, herauszufinden, was das Institut tut, welche Mentalität die Mitarbeitenden haben. Das ist mir – glaube ich – gelungen.

Sie hätten genauso gut bei einer anderen der rund 200 Schweizer Banken Verwaltungsrat werden können.

Um meine Wahl zu erklären, muss ich wohl einen Schritt zurückgehen. Die Hypi Lenzburg weist bereits ein sehr solides Fundament in ihrem Kerngeschäft auf. Blickt man nun nach vorn, verfügt das Institut ebenfalls über mehrere Vorzüge. So etwa eine Chefin, die viel Know-how in der IT mitbringt.

«Um ihre IT herum kann die Hypi Lenzburg eine ganz neue Basis bauen»

Zukunftsweisend ist auch, dass die Bank mit Finstar auf eine eigene Banking-Plattform setzt. Damit hat die Hypi Lenzburg eine bestehende Basis im Hypothekengeschäft, sowie die Aussicht, um ihre IT herum eine ganz neue Basis zu bauen. Das ist ein grosser Vorteil gegenüber der Konkurrenz.

Andersrum gefragt: Gibt es Gemeinsamkeiten zwischen dem Heiligen Stuhl und der Hypi?

Meine Aufgabe beim Vatikan verlangt nach einem gewissen Mass an moralischer Verantwortung. Rein regulatorisch gesehen haben wir in den letzten vier Jahren grosse Fortschritte gemacht, um internationale Bankstandards umzusetzen.

«Ich will die Hypi gar nicht mit dem Vatikan vergleichen»

Aber noch wichtiger ist die Verpflichtung gegenüber den 1,2 Milliarden katholischen Gläubigen – wichtiger als jene gegenüber Shareholdern oder einem Regulator.

Und das ist bei der Hypi anders?

Eigentlich will ich die Hypi gar nicht mit dem Vatikan vergleichen. Aber gemessen am Andrang bei der Generalversammlung wird deutlich, dass die Bank auf lokaler Ebene ebenfalls eine moralische Verantwortung zu erfüllen hat. Die Nähe zum Gewerbe, dem Bäcker oder Wirt von nebenan – das sind alles Dinge, die ich schätze. Doch sie bringen auch eine grosse Verantwortung mit sich.

Demnach ist Ihre Bekehrung zum Banking abgeschlossen. Können Sie sich weitere Aufgaben in der Industrie vorstellen?

Die habe ich schon. Als ich die Arbeit beim Vatikan aufnahm, wurde ich als unabhängiger Berater eingestellt. Es kamen seither Aufgaben hinzu, aber ich fühle mich weiterhin als Ratgeber der Finanzindustrie. Die Herausforderung in der Aufsicht, aber auch in der Unternehmensführung sind faszinierend.

Sie sind 45 Jahre jung. Wo sehen Sie sich in den nächsten zehn Jahren?

Der Weg ist mein Ziel. Ich werde weiterhin versuchen, das zu tun, was mir Spass macht. Aber ein fixes Karriereziel hatte ich noch nie.

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