Corona hat die Wirtschaft auf den Kopf gestellt: Einzelne Schweizer Bankmanager üben sich im Lohnverzicht. Warum sie das tun und 2021 ein hartes Jahr für Bankchefs wird, erklärt der Vergütungsspezialist Michael Kramarsch im Gespräch mit finews.ch.


Herr Kramarsch, wie wirkt sich die Coronakrise auf die Löhne der Bankbranche aus?

Bis jetzt sind die Auswirkungen der Coronakrise in der Finanzbranche bei weitem noch nicht so angekommen wie in anderen Branchen. Die grösste Sorge der Banken ist  noch vor den Anlageerträgen und dem Neugeld, wann sich die Kreditrisiken in ihren Büchern niederschlagen.

Allerdings haben die Finanzaufsichten die Banken davor gewarnt, Dividenden und Boni zu bezahlen. Ausserdem haben einige Banken wie zum Beispiel HSBC oder auch die Credit Suisse mit Gehaltsverzichten agiert.

Gehaltsverzichte werden immer geläufiger. Gab es das schon einmal?

Ich kann mich nicht erinnern, dass Manager irgendwann in der Vergangenheit auf so breiter Front auf Gehälter verzichtet haben, das ist schon erst- und bisher einmalig.

Und wie erklären Sie sich dieses Phänomen?

Das ist ein solidarisches Zeichen in Richtung der Aktionäre und der Mitarbeiter. Wenn weder Dividenden noch Mitarbeiter-Boni sprudeln, hilft es schon, wenn sich auch die Obersten im Unternehmen etwas in Bescheidenheit üben.

Bescheidenheit als Akt der uneigennützigen Solidarität?

Nun, aus meiner Sicht gibt es zwei Gründe dafür: Einer ist wahrscheinlich nicht sehr rühmlich, aber dieser dürfte die Angst der Banker sein, was die Politik machen könnte, wenn sie nicht in Vorleistung gehen. So könnten Vergütungsdeckel, wie wir sie bereits nach der letzten Krise in den Jahren 2010 und 2011 gesehen haben, plötzlich ihren Weg in den Diskurs zurückfinden.

«Die Abkopplung kann einen Reputationsschaden riesigen Ausmasses auslösen.»

Das zweite ist aber schon auch, dass in unseren Zeiten mit Social Media und öffentlicher Wahrnehmung viele Manager begreifen, dass, wenn sie sich in ihrem Elfenbeinturm einschliessen und gänzlich von den ökonomischen Belastungen ihrer Angestellten und Aktionäre abkoppeln, dies einen Reputationsschaden riesigen Ausmasses auslösen kann. Gerade dazu gab es doch kürzlich in der Schweiz eine Diskussion um den Luxuskonzern Richemont.

Also kann man sagen, dass die Coronakrise die Banker zurück in die Realität geholt hat?

Das wäre zu hoffen! Und im Moment kann man das an einzelnen Instituten tatsächlich auch erkennen. Ob das aber ein Trend ist, kann man nach vier Monaten mit dem neuen Coronavirus noch nicht sagen. Jedoch: Es wird kein Unternehmen einen Rekordgewinn abliefern, nur weil die Geschäftsleitung auf ein paar Tausend oder Hunderttausend Franken verzichtet. Aber selten war ein gutes Gewissen billiger zu haben.

Ich glaube schon, dass da einerseits in Sachen Aussenwirkung, andererseits aber auch in der Frage, wie man im Unternehmen glaubwürdig weiter agieren kann, ein Schritt nach vorne gemacht wird. Das wird sich auch nicht mehr löschen lassen.

Wie meinen Sie das?

Gehen wir mal davon aus, wir gehen in drei, vier, fünf Jahren wieder in eine Krise. Aktionäre wie auch Angestellte leiden. Dann wird dieses Muster, als Geschäftsleitungsmitglied selbst einen solidarischen Beitrag zu leisten, nicht mehr ausradiert werden können. Ich glaube, da hat die Coronakrise dem Vergütungswerkzeugkasten der Unternehmern ein weiteres Instrument hinzugefügt.

Sie haben vorhin auch den Regulator angesprochen. Gibt es inzwischen schon konkrete Anzeichen dafür, der Wind wieder rauer werden könnte?

Nun, wir haben eine heftige gesellschaftspolitische Debatte um Managersaläre, und das ist auch gut so. Denn die sind für die meisten Menschen in der Bevölkerung unerreichbar hoch, so dass man meiner Meinung nach gut tut, immer wieder darüber zu diskutieren.

Die Diskussion ist aber eigentlich uralt, oder?

Sie reicht bis in die Dreissigerjahre des letzten Jahrhunderts zurück. Und wenn Sie ein paar Schlagzeilen von damals nehmen und die Unternehmensnamen austauschen, könnte man das heute wieder so drucken, ohne dass es jemand merken würde. Folglich wird diese Diskussion auch kein Ende finden. 

«Die Schweiz war in der Vergangenheit in Europa eine Insel der Glückseligen»

Im Nachgang der Bankenkrise haben die Staaten überall dort, wo Unternehmen auf Staatshilfe angewiesen waren, Vergütungsdeckel und weitere Vergütungsauflagen als Bedingung gefordert. Und diese Tendenz sieht man auch jetzt wieder, insbesondere in Deutschland, beispielsweise bei der Rettung von Lufthansa oder von Tui.

Aber generelle Vergütungsdeckel sind auch weiterhin kein Thema?

Nein. Aber es gibt einen Trend zu erhöhter Transparenz bei Vergütungsfragen im generellen. Und der führt dazu, dass Investoren viel informierter über das Thema sprechen können, und darüber kommt Druck auf die Unternehmen. Denn Investoren haben sich vor allem früher nur für das «Wie?» der Vergütung interessiert, also wie sie ausgestaltet ist, aber nicht für das «Wie viel?».

Schaut man sich die Entwicklung der Abstimmungsrichtlinien an, sieht man, dass da zunehmend der eine oder andere einflussreiche Aktionär sagt, man solle die Höhe der Vergütungen mit vergleichbaren Peer-Firmen vergleichen, oder zum Beispiel fragt, ob im Zeitverlauf auffällige Gehaltssprünge stattgefunden haben. Und so steigt  der Rechtfertigungsdruck für die Unternehmen.

Steigt er wirklich? Hierzulande hat man eher das Gefühl, dass gerade bei grossen Finanzunternehmen die wirklich relevanten Aktionäre so oder so mit der Geschäftsleitung stimmen.

Sehen Sie, die Schweiz war in der Vergangenheit in Europa eine Insel der Glückseligen: wenig Vergütungstransparenz und die höchsten Vergütungen in Europa.

«Auf der Generalversammlung 2021 wird mehr als nur ein laues Lüftchen wehen.»

Auch wenn die Illusion, dass Volksbegehren wie die Minder-Initiative auch nur im Ansatz etwas bewirken, binnen kurzem zerstoben ist: Meine Vorhersage ist, dass die Generalversammlungen 2021 bei dem einen oder anderen Unternehmer zu einem bösen Erwachen führen werden.

Sicher?

Ja, denn wenn Dividenden ausfallen oder gekürzt werden, wenn Mitarbeiter Bonusverzicht üben, während die Geschäftsleitung weiterhin mit bekannt hohen Vergütungen aufschlägt, dann wird auf der Generalversammlung 2021 mehr als nur ein laues Lüftchen wehen.

Was hat sich denn auf der Investorenseite verändert?

Früher haben die Investoren einfach geschaut, dass die Systeme in ihrem Sinne ausgestaltet waren, aber die Euro-Beträge waren ihnen egal. Jetzt muss man aber sehen, dass die Investoren-Community selber ihren Geldgebern gegenüber immer stärker unter Rechtfertigungsdruck kommt, also den grossen Anlagevehikeln wie Rentnerfonds. Und wer steht dort dahinter? Rentner. 

Und so kommt immer mehr Druck auf und gewisse gesellschaftspolitische Ansprüche, wie zum Beispiel die Vergütungsgerechtigkeit, werden noch viel öfter über den Dialog mit den Investoren an die Unternehmen herangetragen.


Michael H. Kramarsch zählt zu den führenden Experten für wertorientierte Unternehmensführung, Corporate Governance, Performance Management und Board Compensation und hat in diesen Themen als Sachverständiger verschiedene Regierungskommissionen beraten. Mit 40 Jahren kehrte er den Beratungskonzernen den Rücken und gründete 2011 mit anderen Partnern die «hkp/// group» mit Sitz in Zürich sowie Büros in Frankfurt, Amsterdam und Dordrechtt. 

War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
  • Ja, es gab keine andere, wirtschaftlich sinnvolle Alternative.
    26.64%
  • Nein, man hätte die Credit Suisse abwickeln sollen.
    19.09%
  • Nein, der Bund hätte die Credit Suisse übernehmen sollen.
    27.74%
  • Man hätte auch ausländische Banken als Käufer zulassen sollen.
    9.26%
  • Man hätte eine Lösung mit Schweizer Investoren suchen sollen.
    17.27%
pixel