In gesättigten Private-Banking-Märkten wie der Schweiz konzentrieren sich die Institute auf die Kunden von anderen. Ein asiatisches Fintech bietet Werkzeuge, um interessante Kunden zu finden und höhere Erlöse zu erzielen.

Im Retailbanking ist es der Begriff «Personal Finance», im Private Banking ist es die «Account Aggregation». Beides bedeutet im Prinzip dasselbe: Durch die Darstellung verschiedener Konten und Bankbeziehungen ergibt sich ein besserer Überblick über die Finanzen einer Person oder eines Bankkunden.

Die Konto-Konsolidierung ist im Private Banking seit einigen Jahren ein Thema. Verschiedene Fintech-Anbieter haben sich darauf spezialisiert. Das Zuger Unternehmen Altoo beispielsweise bietet eine Vermögensplattform an. Ein Pionier ist das Singapurer Fintech Canopy, das im Jahr 2017 mit der Credit Suisse (CS) in Asien eine Kooperation eingegangen ist.

Anderes Geschäftsmodell

Seit dem Jahr 2018 hat Canopy auch einen Fuss im Schweizer und im europäischen Markt. Das bedeutet für das Fintech, im Vergleich zu Asien ein etwas anderes Geschäftsmodell zu verfolgen, wie der Leiter des Europa-Geschäfts, Sinan Biren im Gespräch mit finews.ch sagt.

In Asien würden täglich neue vermögende Kunden an die Pforten einer Privatbank klopfen. Auch diese legen nicht alle «Eier in den gleichen Korb» legen – sie pflegen in der Regel mehrere Bankbeziehungen, so dass die Konto-Konsolidierung zum Bedürfnis wird. «In reifen Märkten wie in der Schweiz arbeiten wir mit Privatbanken zusammen, um ihnen zu mehr Kunden zu verhelfen und um den 'Share of Wallet' mit bestehenden Kunden zu erhöhen», so Biren.

Versprechen von Wettbewerbsvorteilen

Insgesamt 2'300 Kunden würden die Canopy-Dienste beanspruchen. Kooperationsbanken sind neben der CS auch Julius Bär, Union Bancaire Privée, LGT, HSBC und Bank of Singapore.

Laut Canopy erhält eine Privatbank durch die Konto-Konsolidierung entscheidende Wettbewerbsvorteile: Sie kann aufgrund des Überblicks das Verhalten des Kunden mit anderen Banken analysieren und ein besseres Angebot ausarbeiten, um den Kunden abzuwerben.

Das 80/20-Problem im Private Banking

Der Bankberater kann mit Hilfe der Canopy-Daten und -Analyse auch eigenen Kunden spezifischere und bessere Dienstleistungen bieten. «Privatbanken stehen dem klassischen 80/20-Problem gegenüber: Nur 20 Prozent der Kunden schaffen 80 Prozent der gesamten Bankerlöse», sagt Siren. «Was ist mit den übrigen 80 Prozent der Kunden? Mit unseren Tools können Privatbanken die Aktivität von eher passiven Kunden stimulieren und so mehr Erlöse erzielen.»

Beispielsweise können je nach Marktentwicklung individuelle Anlagevorschläge ausgearbeitet werden. Durch den Überblick kann nach einer Marktbewegung auch der Balancing-Bedarf auf anderen Konti analysiert werden. Dies alles ermöglicht zwischen Berater und Kunde mehr Kommunikationsmöglichkeiten – und der Kunde fühlt sich ernst genommen.

Die Idee des Open Banking

Canopy versucht, sich den harten Wettbewerb unter den Banken zunutze zu machen, nach dem Motto: Nur wer den Gegner und dessen Handeln kennt, kann im Kampf um Marktanteile bestehen. Im Prinzip ist Canopy ein Vorreiter der Open-Banking-Bewegung, in der Schnittstellen für Dritte geöffnet werden, die Finanzdienstleistungen für bestehende Kunden anbieten möchten.

Doch die Spezialität von Canopy ist das Lesen und Auswerten von PDF-Dokumenten, das Standardformat von Bank-Statements. Mittels Algorithmen werden die relevanten Daten aus den Dokumenten extrahiert und strukturiert, einerseits für den Kunden und andererseits für den Berater.

Canopy startete im Jahr 2014 vielversprechend. Doch als «Disruptor» des Wealth Managements hat sich das Fintech bislang nicht beweisen können. Bislang sind rund 58 Milliarden Dollar durch Canopy konsolidiert. 

Vorbehalte von Kunden

Eine Schwierigkeit liegt darin, dass das Fintech erst die Bank von der Lösung überzeugen muss, damit diese dann das Einverständnis der Kunden gewinnen kann. Kunden wiederum können auch aus Sicherheitsgründen Vorbehalte haben, ihre anderen Bankbeziehungen offenzulegen.

Canopy verkauft die Aggregierungslösung und das Datenmanagement darum als strategische Notwendigkeit für Privatbanken, um sich einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen und sich von anderen Anbietern abzuheben.

Dabei macht Biren auch klar, dass sich diese Wettbewerbsvorteile für die «First Mover» ergeben und diese die Vorteile ausnützen könnten. «Canopy ist kein Fintech, dass die Banken untergehen sehen will», sagt er. «Im Gegenteil: Wir helfen den Banken, höhere Ziele zu erreichen.»

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