Das asiatische Fintech Canopy arbeitete zunächst mit der UBS zusammen, wechselte dann aber zur Credit Suisse, die im Private Banking nun einen enormen Wettbewerbsvorsprung herausgeholt hat. 


Von Shruti Advani, Gastautorin für finews.asia


Ein klassischer Private-Banking-Kunde unterhält heute in der Regel vier bis fünf verschiedene Bankbeziehungen. Vor diesem Hintergrund arbeitet die Schweizer Grossbank Credit Suisse (CS), namentlich im Asien, mit dem Singapurer Fintech Canopy zusammen.

Die beiden Unternehmen bieten den Kunden über eine Plattform die Möglichkeit, unterschiedlichste Vermögenswerte, wie Aktien, Obligationen, aber auch Oldtimer oder Schmuck, übersichtlich zu konsolidieren, wie finews.ch schon früher berichtete.

Neue Kommunikation mit dem Kunden

Dabei erhält der CS-Relationship-Manager, sofern der Kunden dies zulässt, einen Einblick auf die aggregierten Daten. Mit ein paar Klicks kann er so beispielsweise sehen, zu welchen Preisen konkurrierende Banken eigene Finanzprodukte den Kunden verkaufen, wie sich diese über die Zeit wertmässig entwickelt haben. Daraus kann er je nach Entwicklung der Märkte sehr individuelle Anlageempfehlungen formulieren. Insofern verändert sich die Kommunikation zwischen Bank und Kunde dadurch erheblich.

Soweit bekannt ist die CS bis jetzt die einzige Bank, die eine solche Dienstleistung der Private-Banking-Klientel anbietet. Tanmai Sharma, der Gründer und Geschäftsführer von Canopy, spricht in diesem Zusammenhang von einer «Dynamisierung von Daten», indem sich diese viel gezielter verwenden lassen. Wie in Branchenkreisen zu vernehmen ist, beobachtet die Rivalin UBS diese Entwicklung sehr genau, zumal sie vor einigen Jahren selber sehr eng mit Canopy verbunden war und das Unternehmen sogar mit einem Fintech-Innovationspreis auszeichnete.

Verpasste die UBS eine Chance?

In der Folge trennten sich diese Wege jedoch, und Canopy heuerte bei der CS an. Allerdings gibt es auch zahlreiche Skeptiker, die einige Fragezeichen hinter dieses Modell setzen. Sie bezweifeln, dass vermögende Privatkunden bereit sind, einem Kundenberater den Zugang zu ihrer gesamten Vermögenssituation zu geben.

Canopy-Gründer Sharma musste denn auch einige Vorarbeit leisten, um mit den Banken überhaupt ins Gespräch zu kommen. Das gelang ihm erst, nachdem er selber einige Kunden mit mehreren Millionen Franken an Vermögenswerten auf seiner Plattform vereint hatte. So konnte er den Banken aufzuzeigen, dass die Klientel von heute durchaus offen sei für entsprechende Lösungen. Inzwischen soll bereits ein Drittel der vermögenden CS-Kundschaft in Asien ihre Zustimmung gegeben haben, wonach die Bank die aggregierten Abschlüsse aller Konten einsehen kann.

Enormer Vorteil

Dennoch befindet sich Canopy nach wie vor in den Kinderschuhen, zumal verschiedene Banken in der Anfangsphase nicht bereit waren, die Forschungs- und Entwicklungsarbeiten des Unternehmens zu finanzieren. Sie warteten ab. Seit sich die Anwendung bei der CS jedoch bewährt, stehen nun einige Institute unmittelbar davor, die Lösung zu übernehmen. Dazu gehört die Bank of Singapore, die seit langem versucht, die zahlreichen Fintech-Initiativen der Erzrivalin DBS zu kontern.

«Unsere Partnerschaft mit Canopy ist zwar nicht exklusiv, aber wir ziehen daraus einen wesentlichen Vorteil», erklärt François Monnet, Chef der Credit Suisse für das Private Banking in China. «Die Kunden aggregieren ihre Vermögenswerte nicht mehrmals bei verschiedenen Banken, sondern nur bei einer – und das ist im Moment die CS», so Monnet. Oder anders ausgedrückt: Die Plattform, die den Kunden zuerst erreicht, hat gegenüber der Konkurrenz einen enormen Vorteil.

Kosten wieder einspielen

Kunden müssen zwar für Canopy tief in die Tasche greifen, beläuft sich doch die jährliche Gebühr auf rund 5'000 Franken. Doch genügt in den meisten Fällen eine einzige gute Anlageempfehlung – der Bank, in diesem Fall der CS –, um diese Ausgaben wieder einzuspielen. Auch vor diesem Hintergrund werden die Kunden ihre Vermögenswerte nicht noch bei einer anderen Bank aggrerieren lassen.

Umgekehrt deutet einiges darauf hin, dass diese Lösung über kurz oder lang zu einem Branchenstandard avancieren dürfte, ähnlich dem Bloomberg-Terminal, den sich viele sehr vermögende Kunden auch leisten. Denn Anlageentscheide im Kontext der gesamten Vermögenssituation sind vermutlich das Wertvollste, was eine Bank respektive ein Kundenberater anbieten können.

 

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