Credit Suisse: Die dunkle Seite der One Bank

Es sind eigentümliche Sanktionen, welche die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finma) am gestrigen Dienstag gegen die Credit Suisse (CS) verhängt hat. Als Reaktion auf das Greensill-Debakel, bei dem die Aufsicht einen schweren Verstoss gegen das Aufsichtsrecht festgestellt hat, werden nicht etwa Gewinne eingezogen oder ein interner Aufpasser mandatiert.

Stattdessen ist die Grossbank künftig gehalten, auf Stufe Geschäftsleitungsmitglied periodisch die wichtigsten rund 500 Geschäftsbeziehungen insbesondere auf Gegenpartei-Risiken überprüfen. Weiter muss das Institut die Verantwortlichkeiten ihrer rund 600 höchsten Mitarbeitenden in einem Dokument festhalten.

Fast mythische Dimension

Dies wird einen riesigen Dokumentationsaufwand nach sich ziehen und vermutlich Heerscharen von Compliance-Experten auf Trab halten. Derweil müssen sich Manager und Kader der Bank genau überlegen, welche Geschäftsbeziehungen sie überhaupt noch eingehen wollen, wenn sie jedesmal schriftlich in der Verantwortung stehen. Und dies immer wieder aufs Neue.

Das verleiht dem Finma-Verdikt eine beinahe mythische Dimension. Sie mahnt an die Bestrafung von Prometheus in der antiken Sage, dem ein Adler täglich die Leber aus dem Leib hackte.

Geschäftspartner waren oftmals auch Kunden

Tatsächlich passen die Massnahmen aber sehr gut zu den unheimlichen Verstrickungen, welche das Greensill-Debakel von anderen Pleiten und Pannen in der jüngeren Vergangenheit der zweitgrössten Schweizer Bank abheben. Bei den Lieferketten-Fonds mischten diverse Sparten der Bank mit. Geschäftspartner waren oftmals auch Kunden, was die Komplexität noch steigerte. Bankgeschäfte wurden alimentiert, die eigentlich mit dem Fondswesen auf den ersten Blick wenig zu tun hatten.

Und für Gegengeschäfte wurden Ausnahmen von der Regel gestattet, was sich später als fatal erweisen sollte.

Dies alles kann als die Auswüchse eines vermeintlichen Ideals betrachtet werden, das im Swiss Banking immer wieder Anhänger gefunden hat: die «One Bank». Gemeint ist dabei die Fähigkeit, den Kundinnen und Kunden diverse Bankdienstleistungen aus einer Hand anzubieten – und daran gleich mehrfach zu verdienen. Die Idee fand in Ex-CS-Chef Tidjane Thiam ab dem Jahr 2015 den wohl konsequentesten Vertreter: Unter ihm wurde das Institut zur «Unternehmerbank», mit dem erklärten Ziel, reiche Entrepreneure sowohl bei ihren Firmen wie auch ihrem Vermögen zu bedienen.

Greensill 500

(Bild: Greensill Capital)

Ein idealer Kunde?

Der australische Financier Lex Greensill (Bild oben), die Schlüsselperson in der gleichnamigen Affäre, musste vor diesem Hintergrund als idealer Kunde erscheinen. Er alimentierte die CS-Lieferketten-Fonds mit Debitorenrechnungen, war aber mit seiner Unternehmung auch Kunde der Investmentbank und, angelsächsischen Medienberichten zufolge, Klient des Private Banking.

Die Finma hat diese Verstrickungen in der Mitteilung zum Enforcement-Verfahren schwarz auf weiss festgehalten. «Greensill kündigte der Bank an, einen Börsengang mit der Credit Suisse zu planen. Zuvor benötigte Greensill einen Überbrückungskredit. Der für den Kredit zuständige Risikomanager der Credit Suisse erkannte eine Reihe von Risiken im Geschäftsmodell von Greensill. Er empfahl daher bankintern, den Kredit nicht zu gewähren. Ein hohes Kadermitglied überstimmte diese Empfehlung», ist dort nachzulesen.

Risikochefin überstimmt Risikomanager