Lex Greensill hat nicht nur Milliarden für die Credit Suisse verwaltet, sondern war offenbar auch sonst ein wichtiger Kunde. Trotz offensichtlicher Turbulenzen hat die Grossbank lange am australischen Financier und seinen Fonds festgehalten – und steht nun vor einem Scherbenhaufen.

Es ist, als würde ein Windstoss in ein Kartenhaus fahren. Eben noch verwaltete Lex Greensill mit seiner australischen Fondsfirma Greensill Capital gegen 8 Milliarden Dollar für die Credit Suisse (CS) und zählte Grössen wie den japanischen Technologie-Konzern Softbank zu seinen Sponsoren.

Bis die Schweizer Grossbank am vergangenen Montag überraschend mitteilte, dass sie ihre vier Greensill-Fonds vom Handel aussetzt; die Schweizer Fondsfirma GAM zog am (gestrigen) Dienstag nach und will ihren Greensill-Fonds mit Vermögen von 725 Millionen Franken abwickeln.

Mittlerweile interessiert sich auch die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finma) für den Fall. «Wir stehen mit der CS und den Partnerbehörden in dieser Sache in Kontakt», hiess es auf Anfrage beim Regulator.

Rote Flaggen

Für den Highflyer von einst könnte das fatal werden. Bereits ist die Rede von einer Insolvenz von Greensill Capital. Die auf die Vorfinanzierung von Debitoren spezialisierte Firma ersucht einem Bericht der britischen Zeitung «Financial Times» (Artikel bezahlpflichtig) zufolge in Australien um Gläubigerschutz.

Mit den Turbulenzen werden die Warnsignale wieder deutlich sichtbar, von denen es gerade in den vergangenen Monaten so einige gegeben hat. Waren dies die «red flags», auf welche die CS frühzeitig hätte reagieren müssen?

  • 2017 lancierte die Fondssparte der CS (CSAM) die ersten gemeinsamen Produkte mit Greensill Capital; ein Jahr später kam es beim Schweizer Fondshaus GAM zum Debakel, wie auch finews.ch berichtete. 2018 musste GAM Fonds mit Verbindung zu Greensill Capital schliessen und wurde in einen Strudel von Geldabflüssen und Verlusten gerissen. Auch damals befanden sich offenbar Finanzierungen für GFG Alliance an der Wurzel des Problems; das Firmenkonglomerat des indischen Stahlmagnaten Sanjeev Gupta soll Berichten zufolge nun zur Schieflage von Greensill beigetragen haben.
  • Anfang 2020 schreckte eine Reihe von Insolvenzen die Öffentlichkeit auf, bei denen sich Verbindungen zu Greensill Capital zeigten. Ein Bericht der «Financial Times» (Artikel bezahlpflichtig) nannte damals die britische Spitalgruppe NMC Health, die Immobilienfirma Bright House sowie die Singapurer Rohwaren-Handelsfirma Agritrade. Laut der Zeitung tauchten alle drei Firmen als Positionen in den Greensill-Fonds der CS auf, mit ausstehenden Finanzierungen von fast 120 Millionen Dollar per Oktober 2019. Dank Absicherungen und Mechanismen in den Fonds gelang es Greensill und der Grossbank, Verluste für die Anleger zu vermeiden.
  • Im Juni vergangenen Jahres sorgten die diversen Verbindungen zwischen Softbank und Greensill sowie den Fonds der CS für Schlagzeilen. Auf vermutete Interessenskonflikte agierten die Parteien mit einem Schnitt: Der Technologie-Konzern Softbank zog sich vergangenen Juli aus den Greensill-Vehikeln der Schweizer Grossbank zurück.
  • Ab August 2020 machten Berichte die Runde, wonach sich die deutsche Bankenaufsicht Bafin die dortige Bank von Greensill unter die Lupe nehme. 2014 hatten die Australier die Bremer Nordfinanz Bank erstanden. Nach dem Einstieg der Softbank bei Greensill Capital mit 1,5 Milliarden Dollar blähte sich plötzlich die Bilanz des Instituts auf, was die Behörde auf den Plan rief. Die Bafin soll inbesondere Finanzierungen für GFG Alliance von Stahlbaron Gupta unter die Lupe genommen haben.
  • Bis im ersten Quartal 2021 wollte Greensill Capital bei Investoren bis zu 600 Millionen Dollar aufnehmen, als Vorbereitungen für einen noch im selben Jahr geplanten Börsengang (IPO). Die Kapitalspritze kam jedoch nicht zustande, trotz bestehender Sponsoren wie dem Wagniskapital-Fonds von Softbank und dem New Yorker Finanzinvestor General Atlantic.

Krux der Unternehmerbank

Dass die CS an der Partnerschaft festhielt und nach der Schliessung der Greensill-Fonds nun vor heiklen Verhandlungen mit den betroffenen Profiinvestoren steht, ist Fakt. Medienberichten deuten allerdings darauf hin, dass im Fall von Greensill mehrere Fäden zwischen der Schweizer Bank einerseits und Lex Greensill sowie seiner Fondsboutique anderseits bestanden haben dürften.

Dies entspräche den Muster, welches das Institut als selbsternannte «Unternehmerbank» anstrebt – und das sich in den veergangenen Monaten in Zusammenhang mit Personen wie Masayoshi Son und Lu Zhengyao mitunter als heikel erwies.

  • Erneut war es die «Financial Times» (Artikel bezahlpflichtig), die eine Brückenfinanzierung im Umfang von 140 Millionen Dollar der CS für Greensill zutage förderte. Für die Kreditlinie vom letzten Oktober garantierte die britische Niederlassung von Greensill Capital. Gedacht war die Finanzierung in Zusammenhang mit der genannten Kapitalerhöhung für Greensill, die sich aber nie materialisieren sollte.
  • Sehr unwahrscheinlich ist damit auch der Börsengang von Greensill Capital geworden, der ebenfalls für 2021 geplant war. Im Vorfeld wurde berichtet, dass die CS-Investmentbank als Beraterin beim Börsendebut zum Zug kommen würde.
  • Laut der «Financial Times» verbindet den 44-jährigen Ex-Investmentbanker Greensill, der sich mit dem Titel eines «Commander of the Order of the British Empire» (CBE) schmücken darf, mit der Schweizer Grossbank noch ein weiteres Band: Er soll Kunde der CS-Privatbank sein. Dank des Einstiegs des Tech-Konzerns Softbank 2019 war der Financier wenigstens auf dem Papier zu einem Milliardenvermögen gekommen, was ihn in den Augen von Private Bankern zum begehrten UHNWI-Kunden machte.

Auf Anfrage von finews.ch wollte sich die CS nicht zu den diversen Verbindungen zu Greensill und dem weiteren Vorgehen äussern.

Eine Erfolgsgeschichte?

Gesichert ist, dass zumindest die Fondsparte CSAM bis zuletzt eisern an den Greensill-Fonds festhielt. Gegenüber Kunden wurden die Supply-Chain-Finance-Strategien als Erfolgsgeschichte präsentiert, mit Verweis auf die steten Renditen seit der Lancierung 2017 und 2018. Letztes Jahr warf ein risikoreicherer Greensill-Fonds mehr als 6 Prozent Performance ab, womit er deutlich besser Abschnitt als viele Anleihen-Investments.

Gemäss der Risiko-Einstufung der Fonds war aus Anlegersicht mit Kreditausfällen zu rechnen – diverse Tranchen verfügten dazu eigens über eine Versicherung. Dass ihre Gelder bis auf Weiteres in den Greensill-Vehikeln blockiert sind, dürfte für die Investoren nun dennoch ein böse Überraschung sein.

War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
  • Ja, es gab keine andere, wirtschaftlich sinnvolle Alternative.
    26.67%
  • Nein, man hätte die Credit Suisse abwickeln sollen.
    18.62%
  • Nein, der Bund hätte die Credit Suisse übernehmen sollen.
    28.16%
  • Man hätte auch ausländische Banken als Käufer zulassen sollen.
    9.07%
  • Man hätte eine Lösung mit Schweizer Investoren suchen sollen.
    17.48%
pixel