Wer gehofft hatte, mit der Übernahme der Sanktionen gegen Russland verstummten die kritischen Stimmen gegenüber der Schweiz und ihren Banken, sieht sich eines Besseren belehrt. Doch wie stichhaltig ist die Schelte noch?

Der 28. Februar 2022 nimmt in der jüngeren Schweizer Geschichte eine Sonderrolle ein. Zwar übernahm die Schweiz schon früher Sanktionen gegen fremde Staaten, aber im Prinzip nur dann, wenn die Uno diese abgesegnet hatte.

Nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine war dieses Prinzip indes nicht mehr zu halten. Der Bundesrat verpflichtete sich, die Sanktionen der EU in ihrer Gesamtheit zu übernehmen. Dies, so ging wohl auch die Hoffnung in Bundesbern, würde die Schweiz von allfälligen Vorwürfen schützen, sie sei eine Kriegsgewinnlerin. Das sind Vorwürfe, welche die Schweizer Neutralitäts-Politik seit dem Zweiten Weltkrieg begleitet haben.

Zwei Industrien

Diese Verwundbarkeit ist heute hoch relevant und handelt im Kern von zwei Industrien, welche die Schweiz bis heute prägen – die Finanzindustrie und die feinmechanische Produktion. Letztere war schon zu Zeiten der grossen Sanktionspakete gegen Länder wie Nordkorea und Iran von Bedeutung, weil in der Herstellung von verbotenen Waffensystemen viele Güter aus dem «Dual use»-Bereich verwendet werden.

Filter, Sensoren, Werkzeugmaschinen und vieles mehr sind und waren schon immer begehrte Güter weltweit. Festzustellen, für welche Zwecke ein Produkt verwendet wird, wurde für gewisse Firmen zu einem Überlebenskampf. Denn wehe dem, der die Sanktionen brach.

Falscher Umgang kann fatal sein

Der Finanzbranche kam bekanntlich eine ganze andere Rolle zu. Die einstmals strikte Auslegung des Bankgeheimnisses verhalf dem Bankenplatz zu seinem zweifelhaften Ruf als Hort von Geldern, die zu grossen Teilen unversteuert und im schlechtesten Fall eine kriminelle oder despotische Herkunft hatten.

Diese Zeiten sind seit der Beilegung des Steuerstreits mit dem Ausland und insbesondere aus den USA verhängten Milliardenbussen Geschichte. Es ist wohl keine Übertreibung zu sagen, dass die Prämissen inzwischen genau gegenteilig sind: Gelder mit dem falschen Etikett sind heute ein Risiko für die Banken der Schweiz. Die Institute handeln dabei im Wissen, dass ein falscher Umgang fatal sein kann.

So haben die Banken Gelder, die von russischen Staatsangehörigen in der Schweiz gehalten werden, sozusagen auf Vorrat blockiert. Als der Bund vergangenen April dazu ein Fazit gezogen hat, wurde auch bekannt, dass 3,4 Milliarden Franken nach einer vorsorglichen Sperre wieder freigegeben worden sind (total waren Ende April 6,3 Milliarden Franken blockiert). Dies zeigt, dass die Banker sich ihrer besonderen Verantwortung bewusst sind.

Das «Russenbanking» lohnt nicht mehr

Mit den Sanktionen ist mittlerweile ein ganzes Business blockiert. «Das Geschäft mit russischen Kunden lohnt sich für die meisten Banken aus betriebswirtschaftlicher Sicht und unter der Annahme, dass das Geschäft in verantwortungsvoller Art getätigt wird, nicht mehr», sagt Veit Bütterlin (Bild unten), Managing Director und Experte in Sanktionsfragen beim Beratungsunternehmen Alix Partners.

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(Bild: Alix Partners)

Grundsätzlich gilt die Gleichung: Je höher das Risiko eines Geschäfts, desto höher sind die Compliance-Kosten. Und letztere fressen den Banken die Margen weg.

Durch das Netz geschlüpft

Nach Expertenmeinung betreiben die Banken also einen hohen Aufwand, um die Gelder der sanktionierten Russen aufzuspüren. Dies allerdings auch mit dem Ziel, damit später nicht selber belangt zu werden. Das Problem für die Industrie sind diejenigen Fälle, welche hätten auffallen müssen, aber durch das Netz der Compliance geschlüpft sind. Grundsätzlich gilt es dabei, zwischen der Geldwäscherei und Sanktionen zu unterscheiden, auch wenn gewisse Muster in beiden Fällen zur Anwendung gelangen.

Aber, wie Bütterlin ausführt, ist die Geldwäscherei-Abwehr auf das Monitoring und Melden ausgerichtet, während im Sanktions-Screening der Fokus auf die Verhinderung von Zahlungen durch und an sanktionierte Personen gelegt wird. Das heisst, dass die Banken an der Front jede Transaktion auf die öffentlich bekannten Namenslisten durchleuchten und verdächtige Transaktionen stoppen müssen. Dies geschieht grundsätzlich mithilfe von spezialisierter Software, die im Fall eines «Treffers» manuell geprüft wird.

Erinnerungen an den «russischen Waschsalon»

Die Suche nach den verbotenen Transaktionen stellt die Institute vor grosse Herausforderungen. Wie auch in der Geldwäscherei sind die Mechanismen in der Sanktionsumgehung wohlbekannt, aber trotzdem nicht einfach abzuwehren.

Bereits bei der Abwehr von Geldwäscherei zeigte sich ausserdem, dass Akteure aus der ehemaligen Sowjetunion sehr erfahren sind im Umgang mit Bankwesen auf der einen Seite, der Nutzung von Strohmännern und -firmen und geneigten Behörden anderseits. Was nach 2010 auch schon unter dem Begriff «Russian Laundromat» bekannt wurde, ist der gezielte Einsatz von Firmen und Justizbehörden in CIS-Staaten mit dem Ziel, Geld im Namen von unverfänglichen Personen im Westen unterzubringen.

Ob dies nun Vermögenswerte bei Banken, Immobilien, Beteiligungen an Firmen, Kunst, Kryptowährungen oder Sportklubs waren, spielte eine untergeordnete Rolle. Die Aufdeckung der wahren Besitzer bleibt eine grosse Herausforderung, wie Experte Bütterlin betont.

Komplizierter Krypto-Rücktausch

Viel wurde seit Ausbruch des Krieges auch von Investitionen in Krypto-Währungen gesprochen, die Sanktionierten einen Ausweg böten. Adrian Mom, auch er ist Experte bei der Alix Partners, ist der Ansicht, dass zwar die reine Anlage in Krypto-Währungen tatsächlich relativ einfach zu bewerkstelligen ist. Auch gibt es tatsächlich Sanktionsumgehungen in Verbindung mit Krypto-Anlagen. Trotzdem glaubt Mom nicht an eine Flucht in Krypto im grossen Stil.

Erstens wollen die Sanktionierten ihre Vermögenswerte eines Tages wieder in klassische Währungen umtauschen. Dies ist aber nur bei sehr wenigen Instituten in dieser Grössenordnung möglich, weil die meisten nicht über die nötigen Mengen an Fiat-Geld verfügen. Zweitens sind Firmen, die tatsächlich in der Lage sind, solche Transaktionen zu tätigen, mittlerweile so etabliert, dass sie vergleichbare Mittel in der Aufdeckung von Geldwäscherei und Sanktionsumgehung einsetzen wie die Banken.

Die alten Vorwürfe bleiben

Weiterhin unter Umgehungs-Verdacht steht auch die Schweiz. So schwang Anfang Mai das Helsinki-Komitee, eine parteiübergreifende Kommission von amerikanischen Parlamentariern, die Moralkeule. Die US-Politiker unterstellten der Schweiz, Wegbereiter von Wladimir Putin und seinen Kumpanen zu sein, wie auch finews.ch berichtete. Dabei zeigte sich, dass das Land wohl auch in Zukunft mit plakativen Vorwürfen rechnen muss, und dass die Übernahme von Sanktionen an sich noch nicht viel zu ändern vermag.

Aber es könnte sein, dass die mutmasslichen Milliarden von sanktionierten Oligarchen nicht nur in der Schweiz vermutet werden – sondern auch etwa in Nahost.

So ist es bekanntlich mittlerweile für russische Staatsbürger um ein Vielfaches einfacher, an den Golf zu fliegen als nach Westeuropa, da der Flugraum für Direktflüge in den Westen gesperrt bleibt. Und die Scheichtümer am Golf haben bekanntlich noch ein gewichtiges Wort mitzureden, wenn es mit einem Ölembargo ernst werden sollte. Dies gibt ihnen bei Bedarf einen Hebel gegenüber dem Westen, über den die Schweiz so nicht verfügt.

Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
  • Julius Bär, weil der Kurs seit dem Signa-Debakel genügend gesunken ist.
    20.28%
  • Vontobel, weil das Unternehmen 2024 die Wende im Asset Management schaffen wird.
    8.72%
  • EFG International, weil die Bank keinerlei interne Probleme bekundet und stark wächst.
    14.91%
  • UBS, weil die Grossbank auch als Privatbank enormes Potenzial bietet.
    46.32%
  • Banque Cantonale Vaudoise, weil sie unter den Kantonalbanken ein grosses Private Banking anbietet.
    9.77%
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