Auf eine Schätzung der Bankiervereinigung zu den russischen Vermögen in der Schweiz richten sich die Augen der Welt – und das nicht in vorteilhaftem Sinne. Unter Bankern sorgt das nun offenbar für Verstimmung.

Nur ein halbes Jahr musste Marcel Rohner (Bild unten) als neuer Präsident der Schweizerischen Bankiervereinigung (SBVg) warten, bis eine Aussage von ihm um die Welt ging.

Anlässlich der Jahreskonferenz des Banken-Dachverbands vom vergangenen März liess der ehemalige UBS-Chef verlauten, dass auf Schweizer Bankkonti 150 bis 200 Milliarden Franken an russische Vermögen liegen würden. Eine Schätzung, die seither auch im Ausland immer wieder auftaucht – nicht selten in einem für den Finanzplatz wenig vorteilhaften Kontext.

Banker als Unschuldslämmer

So bezeichnete dieser Tage die britische Zeitung «Financial Times» (Artikel bezahlpflichtig) die Schweiz sinngemäss als sicheren Hafen für die russischen Kleptokratie. Nicht fehlen durfte da Rohners Globalschätzung, im Bericht gegengeschnitten mit den 7,5 Milliarden Franken an russischen Vermögen, welche das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) bisher bei hiesigen Geldinstituten sperren liess. Eine magere Ausbeute, befand das Blatt, und insinuierte, Schweizer Banker würden sich in der Angelegenheit als Unschuldslämmer präsentieren.

Entsprechend läuft die Branche Gefahr, dass wie jüngst bei der Munition für den deutschen Gepard-Panzer mit dem Finger Richtung Schweiz gezeigt wird. Der Vorwurf, die Schweiz und ihr Finanzplatz seien Nutzniesser des Konflikts, liegt da nichts weit, wie finews.ch bereits warnte.

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(Bild: SBVg)

«Verschiedene Markteinschätzungen»

Dem Vernehmen nach gibt nun die SBVg-Schätzung auch unter den Banken selber zu reden. So wird in der Branche einerseits an der Stichhaltigkeit der genannten Summe gezweifelt. Anderseits sind manche Akteure offenbar verärgert, dass sich Präsident Rohner mit der Zahl aus dem Fenster lehnte.

Wie weiter zu vernehmen war, stützt sich die Schätzung stark auf eine Studie der Boston Consulting Group (BCG). Die Firma dreht traditionell in der Beratung hiesiger Banken ein grosses Rad. Auf Anfrage von finews.ch bei der Banken-Lobby hiess es von der Stelle, bei der Zahl von 150 bis 200 Milliarden Franken handle es sich um eine Schätzung der SBVg zu den grenzüberschreitend verwalteten Vermögen russischer Kunden. «Basis der Schätzung sind verschiedene Markteinschätzungen», erklärte der Verband weiter.

Zu einer möglichen Verstimmung unter den eigenen Mitgliedern mochte sich die SBVg nicht äussern. Die Beratungsfirma BCG erklärte ihrerseits auf Anfrage, die Zahl könne weder bestätigt noch einer Studie des Unternehmens zugewiesen werden.

Nur den Daumen in den Wind gehalten?

Das tiefere Problem der SBVg-Summe ist dabei, dass sie augenscheinlich hoch liegt – und damit die Umsetzung von Sanktionen klein aussehen lässt. Das macht die Zahl politisch brisant. Dabei müsste die Frage eigentlich nach deren Plausibilität gehen. Haben Rohners Experten einfach mal den Daumen in den Wind gehalten? Oder sind sie dank des Zugangs zu geheimen Daten genau im Zielbereich gelandet?

Seit diverse führende Privatbanken zum Geschäft im ersten Quartal berichtet haben, lässt sich das Total der russischen Vermögen auf Schweizer Bankkonti etwas genauer fassen. So verwies die UBS zuletzt darauf, dass 0,7 Prozent der insgesamt verwalteten Vermögen auf «russische Personen ohne Wohnsitz im Europäischen Wirtschaftsraum oder in der Schweiz» entfielen – gemessen an den verwalteten Vermögen im Kerngeschäft wären dies gegen 22 Milliarden Dollar.

Credit Suisse als Spitzenreiterin

Die Credit Suisse (CS) wiederum gab vergangenen März zu Protokoll, dass russische Vermögen rund 4 Prozent der Kundengelder in der Wealth-Management-Sparte ausmachten; dies ergibt einen Betrag von rund 33 Milliarden Franken. Bei der Privatbank EFG International beliefen sich die Gelder von in Russland domizilierten Kunden auf 2 Prozent der verwalteten Vermögen, sprich 3,3 Milliarden Franken.

Mehr bedeckt hielt sich die Privatbank Julius Bär, die im März zugab, Kredite bei sanktionierten Personen ausstehend zu haben. Und von der grössten Genfer Privatbank Pictet weiss man nur, dass seit dem 2015 das verwaltete Vermögen von osteuropäischen Kunden um 50 Prozent gestiegen ist.

In der Tendenz belaufen sich die Gelder der einst heftig umworbene russische Klientel bei den Schweizer Privatbanken also maximal auf einen tiefen einstelligen Prozent-Anteil der «Assets under management» – was zumindest in die Nähe der SBVg-Schätzung käme. Denn die 200 Milliarden Franken machen nach der offiziellen Nationalbank-Statistik 4 Prozent des Gesamtbestands der in der Schweiz liegenden Vermögen ausländischer Kunden aus.

«Viel Geld fliesst ab»

Eine gute Kennerin des Russen-Banking in der Schweiz hält die SBVg-Schätzung jedenfalls für plausibel. Allerdings dürfte die Summe rasch abnehmen, mahnt sie. «Viel russisches Geld, das nicht direkt sanktioniert worden ist, fliesst derzeit in die USA, nach Dubai und nach Asien ab.»

Derweil ist man beim Bund weiterhin zufrieden mit dem «Job», denn die Banken bei der Meldung von Vermögen unter der Kontrolle von sanktionierten Personen, Unternehmen und Organisationen machen. «Die Prozesse funktionieren gut» sagt eine Sprecherin des Seco. Das Staatssekretariat fungiert als Sammelstelle für die Meldungen und ist für die Umsetzung der Sanktionen zuständig.

Man stelle dabei fest, so die Sprecherin, dass die Banken in der Regel «overcompliant» seien. Sie blockierten vorsorglich mehr Gelder, als sie von Schweizer Vorgaben her müssten.

Genaueres ab dem Juni

Beim Seco selber will man keine Schätzung zu den russischen Vermögensbeständen im Land wagen. Hingegen hält das Staatssekretariat fest, dass die wenigsten russischen Personen mit Vermögen in der Schweiz sind sanktioniert seien. Bei den gesperrten Vermögenswerten handle es sich folglich nur um einen Bruchteil der russischen Gelder und Vermögen in der Schweiz.

Immerhin: die Banken sind aufgefordert, bis im Juni alle russischen Vermögen über 100’000 Franken dem Seco zu melden, sofern die Eigentümer nicht ihren Wohnsitz im Land oder den Schweizer Pass haben. Dannzumal wird die genaueste Zahl vorliegen, die unter den gegenwärtigen Bedingungen zu haben ist.

Doch die Auswertungen dieser Meldungen wird erneut Zeit in Anspruch nehmen. Insofern wird es noch Monate dauern, bis mit Sichherheit gesagt werden kann, ob sich SBVg-Präsident Rohner wirklich zu weit aus dem Fenster gelehnt hat.

Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
  • Julius Bär, weil der Kurs seit dem Signa-Debakel genügend gesunken ist.
    20.33%
  • Vontobel, weil das Unternehmen 2024 die Wende im Asset Management schaffen wird.
    8.79%
  • EFG International, weil die Bank keinerlei interne Probleme bekundet und stark wächst.
    14.87%
  • UBS, weil die Grossbank auch als Privatbank enormes Potenzial bietet.
    46.4%
  • Banque Cantonale Vaudoise, weil sie unter den Kantonalbanken ein grosses Private Banking anbietet.
    9.62%
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