Banken und Behörden müssen im Ukraine-Krieg Farbe bekennen. Nach der schleppenden Umsetzung von Sanktionen ist der Vorwurf nicht weit, die Schweiz und ihr Finanzplatz seien Nutzniesser des Konflikts, wie finews.ch in sieben Punkten aufzeigt.

Alles Zufall? Just an dem Tag, als US-Politiker bei der Credit Suisse (CS) anklopfen, um zu sehen, wie diese das Sanktions-Regime umsetzt, ringt sich die Grossbank zu einer Massnahme durch. Am (gestrigen) Montag sickerte ein bankinternes Schreiben durch, demzufolge das Institut kein Neugeschäft von russischen Kunden mehr annehme und Personal aus Moskau zurückziehe.

Die Lokalrivalin UBS hatte enstprechende Schritte schon vor einer Woche angekündigt. Noch früher versprach dies die Schweizer Privatbank Julius Bär.

Alle drei Schweizer Bluechip-Banken bleiben jedoch mit ihren Niederlassungen in Russland vor Ort. Sie riskieren damit nicht nur, dass es einsam wird um sie – sie zementieren damit auch Klischees, die der Finanzplatz eigentlich längst überwunden zu haben glaubte.

1. Knapp der «Hall of Shame» entronnen

Hunderte westlicher Konzerne haben sich mittlerweile als Reaktion auf die Invasion in der Ukraine aus Russland zurückgezogen oder ihre Geschäftstätigkeiten eingeschränkt. Der Rückzug wird argwöhnisch beobachtet: Eine viel zitierte Auswertung der amerikanischen Yale School of Management unterteilt in die «guten» Unternehmen, die sich verabschieden, und nennt die «schlechten» Firmen, die mit dem Rückzug zögern.

Wie finews.ch berichtete, fand sich in der «Hall of Shame» der Wissenschafter auch die CS wider – das Geldhaus ist nun mit dem jüngsten Stopp von Neugeschäft auf die Liste der Firmen gerückt, die ihr Russland-Geschäft zurückfahren. Dort findet sich die Schweizer Grossbank mit Konkurrenten wie der britischen HSBC und dem US-Haus Goldman Sachs wieder.

Wobei die Liste impliziert, dass damit nur der erste Schritt auf die «gute» Seite getan ist. Insofern könnten die Institute schon bald wieder zur Zielscheibe von Akteuren gelangen, die noch drastischere Massnahmen fordern.

2. Vogel-Strauss-Taktik taugt nicht mehr

Zuwarten und wegschauen, ist als Taktik überholt. Das bekräftigte jüngst die britische Polit-Analystin und Beraterin Tina Fordham in einem Beitrag für das Finanz-Portal «Financial News» (Artikel bezahlpflichtig). Die Zeiten, in denen sich Banken in geopolitischen Krisen neutral verhalten konnten, seien vorbei, sagt die Finanzfrau, die einst für die US-Bank Citigroup, aber auch für die Uno arbeitete.

Dass manche Institute mit Massnahmen gegenüber Russland zögerten, wertet sie als blosses Abwarten, wie sich der Kriegsverlauf entwickelt. In Zeiten der «neuen politischen Verantwortung» von Unternehmen sei dies kein gangbarer Weg mehr, findet Fordham. Das habe bereits die «Black Lives Matter»-Bewegung in den USA aufgezeigt. Nun spielten sich gegenüber Russland die gleichen Vorgänge ab. Verstärkt durch die Sozialen Medien sind Kunden und Grossinvestoren hoch sensibel geworden, mit wem sie noch geschäften wollen.

Wohl nicht von ungefähr haben Institute wie die Deutsche Bank im Ukraine-Krieg innert Tagen eine 180-Grad-Wende vollzogen. Bei den Schweizer Grossbanken dauert der Abschied vom Russland-Geschäft nun etwas länger (vgl. Punkt 1).

3. Das Bild von den «Suisse Secrets» bestätigt

Die Informationen aus den «Suisse Secrets»-Enthüllungen vom vergangenen Februar mögen nicht mehr ganz frisch sein. Dennoch erwiesen sie sich als brisant genug für die CS; sie sieht sich weltweit als vermeintliche Hausbank von Potentaten und Kriminellen an den Pranger gestellt. Das Datenleck mit detaillierte Akten zu 18'000 Konten bei der Grossbank hat den «Suisse Secrets» unweigerlich eine Dimension verliehen, die auch den gesamten Schweizer Bankenplatz angeht. Nicht zuletzt, weil damit das (klischierte) Bild des Swiss Banking, das Gelder jedwelcher Herkunft annimmt und darüber schweigt, zementiert wird.

Dieses (Zerr-)Bild dürften auch die US-Kongressabgeordneten im Kopf gehabt haben, als sie den Brief an CS-Chef Gottstein schrieben; ebenso Artem Rybchenko, der ukrainische Botschafter in der Schweiz, der vom Land öffentlich härtere Sanktionen gegenüber dem russischen Feind einforderte. Rybchenko ist dabei überzeugt, dass gerade im Finanzwesen die meiste Wirkung erzielt werden könne.

Der gedankliche Sprung, die Schweiz und ihren Finanzplatz als Nutzniesser des Kriegs darzustellen, ist da wohl nicht mehr weit. Die scheinbare Trägheit, mit der sich Bund, Kantone und Behörden den Sanktionen annehmen, droht entsprechende Vorurteile zu bestätigen.

4. Magere Ausbeute

Die Liste der Institutionen in der Schweiz, die bei der Umsetzung der Sanktionen gegen natürliche Personen, Firmen und Organisationen aktiv werden müssen, ist lang. Angaben dazu, wie viele der insgesamt im Zusammenhang mit der Ukraine sanktionierten 874 Personen sowie 64 Unternehmen und Organisationen in der Schweiz aufgetaucht sind, gibt es hingegen nicht. Vornehmlich ist es erst einmal an den Banken, ihre Kundenregister mit den Sanktionslisten abzugleichen.

Dann müssen Gelder und Vermögenswerte gesperrt und an das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) gemeldet werden. Aber auch Vermögensverwalter, Beteiligungs-Gesellschaften und Fondshäuser unterliegen der Sperr-Verpflichtung und müssen ihre Geschäftsbeziehungen prüfen.

Beim Seco laufen zwar die Informationen zusammen; besonders auskunftsfreudig zum Stand der Dinge hat man sich dort bisher aber nicht gezeigt. Vergangene Woche hiess es seitens des Staatssekretariats lediglich, bisher seien 5,75 Milliarden Franken an Vermögenswerten gesperrt worden. Gemessen an den bis zu 200 Milliarden Franken an russischen Vermögen, die nach Schätzungen der Schweizerischen Bankiervereinigung (SBVg) auf Schweizer Konten liegen, nimmt sich dieser Wasserstand als minimal aus.

Immerhin: Das Seco rechnet damit, dass die Sperr-Summe noch zunimmt. Auffällig war, dass die Aussagen von letzter Woche jedes Gefühl von Dringlichkeit vermissen liessen. Auch von Unterstützung oder Koordinierung für die einzelnen Stellen und Behörden war nicht die Rede. Das könnte sich noch rächen.

5. Kantone wollen keine Detektive sein

War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
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