Der Investmentbranche kommt eine entscheidende Rolle zu, wenn es darum geht, den Frauenanteil auf den Chefetagen zu erhöhen – über Abstimmungen als auch durch den Dialog mit anderen Unternehmen.

Von Michael Herskovich, Global Head of Stewardship, Sustainability Centre, BNP Paribas AM

Gleichberechtigung und integratives Wachstum sollten Teil der Zukunftsperspektive aller verantwortungsbewussten langfristigen Anleger und Vermögensverwalter sein – und diese sollten Firmen dazu ermutigen, Frauen auf allen Ebenen des Unternehmens bessere Chancen zu bieten. Das Kapital sollte konsequent denjenigen Firmen zugewiesen werden, die Frauen vermehrt Chancen eröffnen.

Wichtigkeit der Geschlechter

Warum spielt das eine Rolle? Die Gleichstellung der Geschlechter hat einen wesentlichen Einfluss auf das Gedeihen von Wirtschaft und Gesellschaft. Da Frauen weltweit die Hälfte der Talente stellen, ist es sowohl aus wirtschaftlicher als auch geschäftlicher Sicht sinnvoll, das Beste daraus zu machen.

Dies stimmt mit den Aussagen des «Global Gender Gap Report 2021» des Weltwirtschaftsforums (WEF) überein, der die Wichtigkeit der Geschlechterparität unterstreicht. Der Bericht stellt fest, dass zu den Möglichkeiten, die Kluft zwischen den Geschlechtern zu schliessen, auch Managementpraktiken gehören, die vernünftige, offene Einstellungs- und Beförderungsverfahren einschliessen.

Warum ist Vielfalt in den Verwaltungsräten wichtig?

Vielfalt führt sowohl zu überdurchschnittlicher finanzieller Leistung als auch zu nachhaltiger Wertschöpfung. Zahlreiche Untersuchungen belegen, dass es fürs Geschäft gut ist, Frauen in einer Firmenleitung zu haben.

So erklärt beispielsweise die «Harvard TH Chan School of Public Health»: «Würde man die Fortune-500-Unternehmen nach dem Frauenanteil in ihren Verwaltungsräten ordnen, würden die Unternehmen im höchsten Quartil eine um 42 Prozent höhere Umsatzrendite und eine um 53 Prozent höhere Eigenkapitalrendite aufweisen.»

Und dennoch ist in vielen Ländern der Anteil der Frauen in Führungspositionen noch weit von einer Parität entfernt. Laut dem «BoardEx Global Gender Balance Report» reicht die durchschnittliche Vertretungsquote von Frauen in Verwaltungsräten von 44 Prozent (in Frankreich) bis zu bloss 12 Prozent (in Brasilien).1

Weltweite Studie zu Frauenanteil im Verwaltungsrat

Eine von BNP Paribas Asset Management durchgeführte Studie2 untersuchte im Vorfeld der Generalversammlungssaison 2022 weltweit den Frauenanteil in den Verwaltungsräten von 3'500 börsennotierten Firmen: Frauen machten dabei insgesamt nur 18 Prozent der Verwaltungsratsmitglieder aus.

Die regionalen Unterschiede sind beträchtlich. Europa, Südafrika und Australien sind bezüglich der paritätischen Besetzung der Firmenleitung am meisten fortgeschritten; Asien, Südamerika und der Nahe Osten weisen eine weniger ausgeprägte Vielfalt auf.

Die Grösse des Unternehmens, das Land, in dem es gegründet wurde, und die örtlichen Vorschriften haben einen grossen Einfluss auf die Anzahl der weiblichen Verwaltungsratsmitglieder und sind Faktoren, die Anleger berücksichtigen sollten. So hat etwa in Deutschland und Frankreich die gesetzliche Quotenregelung einen erheblichen Einfluss auf den Frauenanteil in den Aufsichtsgremien.

Dialog und konkrete Umsetzung

Um für Unternehmen Anreize zu schaffen, die Vielfalt in den Verwaltungsräten zu fördern, könnten Vermögensverwalter und andere Grossinvestoren Abstimmungsrichtlinien mit ausdrücklichen Vorgaben zur Geschlechtervielfalt einführen, das heisst sie könnten sich gegen alle männlichen Kandidaten für eine Führungsposition aussprechen, wenn im Verwaltungsrat der Beteiligungsfirma keine Frauen vertreten sind.

Sie könnten von den Gesellschaften, in die sie investieren, eine Mindestquote für den Frauenanteil in den Verwaltungsräten verlangen. Diese Mindestquoten sollten in Bezug auf die Geschlechterparität den Reifegrad einer Region widerspiegeln und könnten zwischen 15 Prozent, in weniger fortgeschrittenen, und 30 Prozent oder mehr, in fortschrittlicheren Regionen liegen.

Neben der Abgabe ihrer Stimme könnten Grossanleger auch das direkte Gespräch mit Unternehmen suchen, die sich nicht an die Weisungen ihrer Abstimmungspolitik halten. Ausserdem sollte die Finanzbranche das Prinzip der Vielfalt in der Firmenleitung fest in ihr ESG-Ratingverfahren einbeziehen.

Geschlechter haben Einfluss auf die Wirtschaft

Bei der Erhöhung des Frauenanteils in den Verwaltungsräten kommt den Anlegern eine entscheidende Rolle zu, sowohl über GV-Abstimmungen als auch durch einen verstärkten Dialog mit anderen Unternehmen. Die Vielfalt der Geschlechter ist ein zentraler Pfeiler jedes Konzepts zur Förderung der sozialen Unternehmensverantwortung; im Hinblick auf ein ausgewogeneres Geschlechterverhältnis in der Wirtschaft sollte sich die Investmentbranche also entsprechende Ziele setzen.

Um einen zweckdienlichen Beitrag zu leisten und die Kraft und das Know-how von Frauen zu nutzen, sollten alle Mitglieder des Verwaltungsrats für Massnahmen zur Verbesserung der Geschlechtervielfalt eintreten. Es ergibt nämlich keinen Sinn, wenn man einen Grossteil der Hälfte der weltweit vorhandenen Talente aussen vor lässt.

1Daten vom BoardEx Global Gender Balance Report
2Durchgeführt im August 2021, in 92 Ländern, am Ende der Generalversammlung-Saison

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