LFDE: Indien zwischen Herausforderungen und Chancen

Von Kévin Net, Leiter des Bereichs Asien bei LFDE

GST 2.0: Das ist der Name der neuen Steuer auf indische Güter und Dienstleistungen, die auf einer massiven Senkung, Rationalisierung und Vereinfachung der vorherigen Besteuerung basiert. Diese drastische Senkung erfolgt im Rahmen einer umfassenden Steuerreform Indiens zur Ankurbelung des Binnenkonsums des Landes, teilweise zur Abfederung der Auswirkungen der US-Zölle, aber auch als Reaktion auf den schwachen Konsum seit der Pandemie.

So hat die indische Regierung am 4. September mit der Vereinfachung der Goods and Services Tax (GST) eine wichtige Steuerreform offiziell beschlossen. Die GST wurde ursprünglich 2017 eingeführt und bestand aus vier Steuersätzen (5, 12, 18 und 28 Prozent), die nunmehr auf zwei (5 und 18 Prozent) reduziert wurden. Hinzu kommt eine Sondersteuer von 40 Prozent auf Luxusgüter und Tabak.

Zölle seit dem 1. August

Konkret sind seit dem 22. September 2025 – wenige Tage vor Beginn des Lichterfests, das mit einem erhöhten Konsum einhergeht – 90 Prozent der verkauften Waren für indische Verbraucher billiger, wobei die Preise für Basis- und Massenkonsumgüter deutlich sinken. Die Auswirkungen auf die Steuereinnahmen sollen sich nach Angaben der Regierung auf 480 Milliarden Rupien belaufen, was 0,13 Prozent des indischen BIP entspricht.

Indien war eines der ersten Länder, das mit den USA in Verhandlung über ein Handelsabkommen trat. Dennoch kündigte Donald Trump am Liberation Day Zölle in Höhe von 25 Prozent an. Die angekündigten Zölle traten am 1. August in Kraft und wurden am Ende des Monats sogar verdoppelt, wobei Trump als Grund Indiens Käufe von russischem Öl seit Beginn des russisch-ukrainischen Konflikts anführte. Zölle in Höhe von 50 Prozent könnten zu einem Rückgang des indischen BIP um 0,8 Prozent führen, da die USA mit 20 Prozent der gesamten indischen Exporte das wichtigste Zielland sind.

Langfristige Situation noch unklar

Der scheinbare Stillstand der Verhandlungen ist ein Zeichen für eine deutliche Verschlechterung der Beziehungen zwischen den beiden Ländern. Indien treibt derweil die Annäherung an China voran, zu dem seit den tödlichen Kampfhandlungen an der Grenze der beiden Länder im Himalaya im Jahr 2020 ein schwieriges Verhältnis besteht.

Dieser Umschwung ist auch angesichts der strategischen Annäherung zwischen Neu-Delhi und Washington seit Trumps erster Amtszeit überraschend. Es ist jedoch noch zu früh, um sagen zu können, ob er auch von Dauer sein wird.

Überdurchschnittliche Marktentwicklung

Vor diesem Hintergrund und angesichts einer zyklischen Verlangsamung, die zu deutlichen Abwärtskorrekturen bei den Erwartungen für das Gewinnwachstum in diesem Jahr geführt hat, entwickelt sich der indische Markt unterdurchschnittlich. Der MSCI India liegt seit Jahresbeginn in US-Dollar lediglich etwas über 2,5 Prozent im Plus, während der MSCI EM Index im selben Zeitraum 30 Prozent zulegte. Dennoch bietet Indien weiterhin Aufwärtspotenzial.

Auf mittlere Sicht gibt es viele gute Gründe für eine Anlage am indischen Markt.

Rückkehr ausländischer Investoren?

Zunächst einmal scheinen die schlechten Nachrichten bereits in den Börsenkursen eingepreist zu sein. Die Underperformance des indischen Marktes gegenüber den anderen Schwellenländern im gleitenden Jahresdurchschnitt war noch nie so ausgeprägt. Wenngleich sie nach wie vor hoch ist, hat die Bewertung mittlerweile wieder ein akzeptableres Niveau erreicht, nämlich das 20.7-fache der Gewinne3 gegenüber dem 23-fachen zu Beginn des Jahres.

Verkäufe ausländischer Investoren führten innerhalb von zwölf Monaten zu Nettoabflüssen von mehr als 17 Milliarden Dollar (davon 15 Milliarden seit Jahresbeginn). Aktuell sind sie um mehr als 200 Basispunkte untergewichtet. Wenngleich die Kapitalzuflüsse inländischer Anleger solide blieben und eine allzu deutliche Korrektur verhinderten, könnte die Rückkehr ausländischer Anleger einen echten Aufschwung begünstigen.

LFDE bleibt positiv

Der kurz vor Diwali – dem traditionellen Lichterfest und Auftakt der indischen Festtagssaison – angekündigte Konsumanreiz verstärkt die Faktoren, die für eine mittelfristige Erholung des indischen Marktes sprechen, der für uns nach wie vor einen der Schwellenmärkte mit der beeindruckendsten strukturellen Entwicklung darstellt.


Kévin Net ist Leiter des Bereichs Asien bei LFDE – La Financière de l’Échiquier.

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