LLB Schweiz-Chef: «Die Zeit war reif, in Zürich ein Zeichen zu setzen»
René Zwicky, Sie präsidieren die Jury für das «Finanzwort des Jahres». Sind Sie zufrieden mit dem diesjährigen Ergebnis?
Natürlich gibt es in der Jury immer Diskussionen und Abwägungen, aber ich bin wirklich zufrieden. Spannend war vor allem der Weg dorthin: Wir sichteten zahlreiche Vorschläge, diskutierten Favoriten und wägten die Entwicklungen im Markt ab. «KI-Fieber» wurde nicht zufällig gewählt. Der Begriff widerspiegelt die enorme Dynamik, die Begeisterung und gleichzeitig das Risiko einer Überhitzung. KI verändert auch den Beratungsalltag.
Sie sprechen etwa von Beratungssituationen oder sogar Transaktionen, bei denen Menschen wieder sichtbarer werden müssen?
Genau. Wenn nicht mehr klar ist, ob die Stimme oder das Gegenüber authentisch ist, entstehen Unsicherheiten. Bei sensiblen Transaktionen, wichtigen Entscheidungen oder komplexer Beratung kann künstliche Intelligenz unterstützen, aber sie ersetzt das persönliche Gespräch nicht.
«Das KI-Fieber hat bei uns eine sehr gesunde Temperatur.»
Wie manifestiert sich die KI-Entwicklung in Ihrem Haus, der LLB Schweiz?
Ich würde sagen: Das KI-Fieber hat bei uns eine sehr gesunde Temperatur. Auf den ersten Blick fragt man sich vielleicht, was wir überhaupt machen. Doch schaut man genauer hin, wird klar: Wir nutzen KI bereits konkret.
Ein Beispiel ist die Anwendung von «Copilot» in einer geschützten Umgebung. Wir erleichtern uns damit den Berufsalltag, weil Informationen schneller zusammengefasst, gefunden oder miteinander verglichen werden können. Früher hat man sich minutenlang durch PDFs geklickt, heute geht es spielerisch und präzise.
René Zwicky ist seit Januar 2024 Vorsitzender der Geschäftsleitung der LLB Schweiz. Er verfügt über 30 Jahre Berufserfahrung, die er in verschiedenen Bereichen und Funktionen bei der UBS stetig vertieft hat. Er besitzt fundierte Kenntnisse im Private Banking und hat langjährige Erfahrung als Führungskraft.
Es gibt also produktive Anwendungsfälle?
Ja. Ein weiteres Beispiel: Das Tool kann Mails analysieren. Es weist darauf hin, wenn irgendwo noch eine Abklärung offen ist, etwa eine Ferienanfrage oder ein wichtiges Meeting. Natürlich ersetzt das nicht die eigene Sorgfalt, aber es hilft, Prioritäten zu setzen.
Wir sind mit verschiedenen Anwendungsfällen in der Pilotphase und arbeiten daran, die Datenbasis auszuweiten. Aber schon jetzt zeigt sich: KI macht unseren Alltag effizienter.
«In der Breite der Finanzindustrie sehe ich noch keinen KI-Hype.»
Haben Sie den Eindruck, andere Institute seien eher überhitzt – im Sinne eines KI-Hypes?
In der Breite, zumindest im klassischen Bankensektor, sehe ich das weniger. Viele Institute haben komplexe Legacy-Systeme und können Innovation nicht einfach auf der grünen Wiese aufbauen. Ein Start-up hat hier natürlich Vorteile.
Einige grosse Player investieren stark, das ist offensichtlich. Aber insgesamt würde ich nicht von einem flächendeckenden «Fieberschub» sprechen.
«Die neue Präsenz an der Bahnhofstrasse stärkt unsere Positionierung.»
Ihr Institut selbst ist ebenfalls in einer Transformationsphase und expandiert stark in Zürich. Eigentlich war dies in diesem Ausmass nicht geplant – oder?
Wir sind seit rund einem Jahr in Zürich aktiv und wachsen stark. Mit dem Modissa-Gebäude haben wir die einmalige Chance erhalten, unsere Sichtbarkeit zu erhöhen. Die Zeit war reif, in Zürich ein Zeichen zu setzen.
Wir sind 2024 mit wenigen Beraterinnen und Beratern gestartet, haben aber viel schneller zusätzliche Talente gewinnen können als vorgesehen. Die neue Präsenz an der Bahnhofstrasse bringt uns näher zu Kundinnen und Kunden und stärkt unsere Positionierung.
Warum gelingt Ihnen dieses Wachstum gerade jetzt?
Weil der Markt offener geworden ist. Die Konsolidierung bei den Privatbanken – insbesondere die Integration von Credit Suisse in UBS – hat viele Kundinnen und Kunden verunsichert. Wer plötzlich neue Preise, neue Ansprechpartner oder geringere Aufmerksamkeit erhält, beginnt sich umzuschauen.
Wir positionieren uns bewusst zwischen Kantonalbanken und Privatbanken: mit internationalem Zugang, einer starken Gruppe im Rücken und dennoch der Nähe und Agilität einer Regionalbank mit kurzen Entscheidungswegen.
«Unsere Agilität ist ein Vorteil gegenüber grösseren Instituten.»
Wie wirkt sich das Marktumfeld im Firmenkundengeschäft aus?
Im ersten Halbjahr waren wir eher in einer Konsolidierungsphase. Wir haben die neuen Eigenmittelvorschriften ins Pricing einfliessen lassen und gleichzeitig eine hohe Dynamik im Markt erlebt. Im zweiten Halbjahr zeigte der Trend klar nach oben. Die Nachfrage ist hoch und unser Appetit ebenfalls.
Wir entwickeln derzeit eine neue Firmenkundenstrategie, die 2026 lanciert wird. Ab 2026 wird Adrian Eggenberger, ein ausgewiesener Spezialist aus der Schwyzer Kantonalbank, als Leiter Firmenkunden und Mitglied der Geschäftsleitung zu uns stossen.
Und im Private Banking?
Auch dort wachsen wir bewusst weiter. Wir reagieren schnell auf Kundenbedürfnisse, etwa mit einkommensgenerierenden Mandaten wie dem «Quality Income Mandat», das wir 2024 aufgrund klarer Nachfrage lanciert haben. Diese Agilität ist ein Vorteil gegenüber grösseren Instituten.
«Unsere Herkunft als Regionalbank ist und bleibt wichtig.»
Ihr Haus betont häufig die «beidseitige Bilanz» und die Rolle zwischen Privat- und Firmenkundengeschäft. Warum ist das zentral?
Weil wir Kundinnen und Kunden ganzheitlich begleiten: privat wie geschäftlich. Wir bieten Finanzierungslösungen, Anlageprodukte, Liquiditätsmanagement, Private Banking und Firmenkundenservices aus einer Hand.
Unsere Herkunft als Regionalbank ist und bleibt wichtig, ebenso die starke Mutterhaus-Struktur mit einer über 160-jährigen Geschichte, Stabilität und einer breit abgestützten Eigentümerschaft. Das schafft Vertrauen.
Die LLB Schweiz hat in den vergangenen zwei Jahren Rekordzahlen geliefert. Wie fällt 2025 aus?
Das Zinsgeschäft bleibt ein kritischer Faktor, das ist allgemein bekannt. Gleichzeitig profitieren wir im Kommissionsgeschäft dank neuer Mandate und stärkerer Fokussierung auf Vermögensverwaltungslösungen.
Auf der Kreditseite konnten wir selektiv wachsen und regulatorische Anpassungen umsetzen. Insgesamt bin ich zuversichtlich, dass auch 2025 ein erfolgreiches Jahr für uns wird.















