«In Dubai kommt es zu einer Konsolidierung bei den Vermögensverwaltern»
Herr Pellet, Lombard Odier rühmt sich auf seiner Website als Vermögensverwalter, der das «Beste aus zwei Welten» anbietet. Was meinen Sie damit?
Unsere Kunden wünschen einerseits Nähe und hochgradig personalisierte Betreuung durch einen festen Relationship-Manager. Andererseits erwarten sie Unabhängigkeit und andererseits keine Interessenkonflikte, was ganz entscheidend ist.
Externe Vermögensverwalter (External Asset Managers, EAMs) sind nicht an eine einzelne Bank gebunden. Das bedeutet, Sie können für jeden Klienten die jeweils passende Depotbank auswählen. Je nach Bedarf und Kunde eignen sich bestimmte Banken besser als andere. Da EAMs per definitionem unabhängig sind, sollten sie stets die besten Produkte und Dienstleistungen auswählen können – ohne Interessenkonflikte. Genau deshalb spreche ich vom Besten aus zwei Welten.
In der Regel arbeiten sie mit mehreren Finanzinstituten zusammen. Manche mögen argumentieren, das seien zu viele, doch letztlich bietet dies den Mandanten eine echte Auswahl. Dieser Ansatz ist zudem vollständig mit der strategischen Ausrichtung unserer Gruppe vereinbar.
Wie ist Ihr EAM-Geschäft geografisch aufgestellt?
Aktuell arbeiten bei Lombard Odier 75 Mitarbeitende weltweit im EAM-Bereich. Unsere Booking-Center und Teams befinden sich in der Schweiz, in Luxemburg, in Singapur und auf den Bahamas. In Dubai sind wir mit Business-Development-Teams präsent, verfügen dort jedoch über keine Booking-Center-Funktion.
Ist ein Booking-Center in Dubai geplant?
Derzeit eher nicht. Diese Frage geht über das reine EAM-Geschäft hinaus und betrifft auch das Private-Client-Banking.
«Dubai heute ähnelt Singapur vor etwa zehn Jahren.»
Ich bin seit über 15 Jahren in der Region Naher Osten tätig. Ich bin nicht davon überzeugt, dass ein Booking Center in Dubai für EAMs zwingend notwendig ist. EAMs im Nahen Osten suchen nicht primär eine Schweizer Privatbank mit lokaler Booking-Funktion. Vielmehr wünschen sie sich Zugang zu Offshore-Booking-Centern mit Multi-Jurisdiktions-Angeboten. Für lokale Buchungen stehen ihnen zahlreiche starke regionale Banken zur Verfügung.
Viele Kunden im Nahen Osten bevorzugen es jedoch weiterhin, Vermögenswerte ausserhalb ihres Heimatlandes zu buchen. Genau darauf zielt unsere Strategie ab: Wir bieten entsprechende Booking-Möglichkeiten ausserhalb der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE). Der EAM-Markt in der Region ist noch jung und wächst stark. Dieses Modell passt sehr gut zu diesen Bedürfnissen.
In der Schweiz ist External Asset Management seit Langem etabliert. Wie beurteilen Sie die Branche im Nahen Osten?
Der Markt ist noch jung, nähert sich jedoch einem Wendepunkt. Wenn ich einen Vergleich ziehen müsste, würde ich sagen: Dubai heute ähnelt Singapur vor etwa zehn Jahren.
Das Wachstum ist bemerkenswert. Allein im DIFC gibt es rund 300 reine Wealth-Management-Firmen mit entsprechender Lizenz. In den vergangenen zwei Jahren wurden dort rund 200 neue Asset-Manager gegründet – ein aussergewöhnlich starkes Wachstum.
Solche Entwicklungen sehen wir häufig kurz bevor ein Markt reift. Viele dieser Firmen sind derzeit noch profitabel, verfügen jedoch nicht über ausreichende Skalierung, Expertise oder Infrastruktur. Gleichzeitig entwickeln sich die Kundenbedürfnisse sehr schnell – sowohl bei Produkten als auch bei Dienstleistungen – und die regulatorischen Kosten steigen kontinuierlich.
Sie halten diesen Boom also für nicht nachhaltig?
Ich habe keine Kristallkugel, aber ich bin überzeugt, dass wir in naher Zukunft eine Konsolidierung erleben werden: Nicht erst in zehn Jahren, sondern bereits kurz- bis mittelfristig. Kleinere Anbieter werden sich zusammenschliessen oder grösseren Plattformen sich anschliessen müssen, um Effizienz, Skalierbarkeit und fehlende Expertise zu gewinnen.
«Saudi-Arabien könnte künftig eine Rolle spielen, aber noch sind wir nicht so weit.»
Die treibende Kraft in dieser Entwicklung ist die digitale Transformation. Diese erfordert erhebliche finanzielle und personelle Ressourcen, über die viele kleinere Unternehmen schlicht nicht verfügen.
Wie schätzen Sie die Entwicklung des EAM-Marktes in Saudi-Arabien ein?
Aktuell gibt es in Saudi-Arabien noch kein echtes EAM-Ökosystem. Es existieren möglicherweise einzelne Single-Family-Offices. Es gibt aber kein etabliertes Multi-Family-Office- oder EAM-Geschäft im klassischen Sinne.
Der wichtigste Standort im Nahen Osten bleibt derzeit Dubai. Zwar hat auch der ADGM in Abu Dhabi wichtige Initiativen gestartet und entsprechende Lizenzen eingeführt, doch dort gibt es bislang weniger als 20 EAMs. Kurz- bis mittelfristig wird Dubai das Zentrum bleiben. Saudi-Arabien könnte künftig eine Rolle spielen, aber noch sind wir nicht so weit.
Der intergenerationelle Vermögenstransfer gewinnt an Bedeutung. Welche Auswirkungen hat das auf EAMs und Privatbanken?
Das ist eine der grössten Herausforderungen für EAMs, Privatbanken und die Branche insgesamt. Die nächste Generation hat andere Erwartungen. Sie möchte aktiv in Anlageentscheidungen eingebunden sein und nicht nur Berichte erhalten. Sie erwartet digitale Interaktion über Apps, Echtzeit-Zugriff auf Portfolios und die Möglichkeit, Transaktionen digital abzuwickeln.
Auch die Anlagepräferenzen verändern sich. Private Markets, Private Equity, alternative Anlagen und teilweise auch Kryptowährungen gewinnen an Bedeutung. Entscheidend ist jedoch weniger die Anlageklasse als der Wunsch, aktiv an Entscheidungsprozessen teilzunehmen. Wenn EAMs die nächste Generation ihrer Kunden behalten wollen, müssen sie ihr Geschäftsmodell anpassen. Andernfalls werden diese Kunden neue Anbieter suchen.
Sie engagieren sich auch im Bereich Blockchain. Welche Rolle spielt diese Technologie?
Es geht hier nicht um Kryptowährungen, sondern um Blockchain als Technologie. Einer der vielversprechendsten Anwendungsfälle ist die Effizienzsteigerung von Prozessen. Im Rahmen der «Blockchain Association for Finance» arbeiten wir daran, KYC- und Onboarding-Prozesse für EAMs und deren Endkunden zu vereinfachen. Ein aktuelles Projekt ermöglicht die Kundenonboardings über eine blockchainbasierte Plattform.
«Die Erwartungen von Kunden verändern sich schneller denn je.»
Das Konzept ist einfach: Die KYC-Daten eines Kunden werden einmal auf einer sicheren Blockchain-Plattform erfasst. Anschliessend kann der EAM mehreren Depotbanken Zugriff gewähren, ohne den gesamten Onboarding-Prozess jedes Mal neu durchlaufen zu müssen. Das reduziert Reibungsverluste erheblich und steigert die Effizienz für alle Beteiligten. Dubai ist in diesem Bereich besonders fortschrittlich und offen für neue Technologien – teilweise sogar weiter als einige asiatische Märkte.
Stellt der Wunsch der jüngeren Generation nach ständiger Einbindung eine Herausforderung für Privatbanken dar?
Dies hängt stark vom Geschäftsmodell ab. Wir sind eine Privatbank mit Fokus auf vermögende Privatiers und verbinden persönliche Betreuung mit digitalen Lösungen. Unsere Kunden können in Echtzeit auf ihre Portfolios zugreifen, Zahlungen ausführen und sicher über unsere App interagieren. Zudem haben wir digitale Call-back-Lösungen zur Erhöhung der Cybersicherheit eingeführt.
Die persönliche Beziehung bleibt zentral. Kunden möchten ihre Berater weiterhin persönlich treffen. Was sich verändert, sind die Kommunikationskanäle und die Frequenz – nicht jedoch die Bedeutung von Vertrauen.
Welche Ratschläge würden Sie jungen Aspiranten geben, die eine Karriere im Private Banking oder im External Asset Management anstreben?
Kontinuierliches Lernen ist unerlässlich. Die Zeiten, in denen eine einzelne Person alles abdecken konnte, sind vorbei. In der heutigen Zeit braucht es Teamarbeit, Neugier und die Bereitschaft, sich laufend an neue Produkte, regulatorische Anforderungen und Kundenbedürfnisse anzupassen. Vor allem aber muss man den Kunden zuhören. Ihre Erwartungen verändern sich schneller denn je.
Sind Fremdsprachenkenntnisse im Zeitalter von KI und automatischer Übersetzung noch wichtig?
Absolut. KI ist ein wertvolles Hilfsmittel, kann jedoch die emotionale Verbindung, die durch das Sprechen der Sprache eines Kunden entsteht, nicht ersetzen. Sprache schafft Nähe und Vertrauen. Dies ist etwas, das keine Maschine leisten kann.
Sind Sie selbst polyglott?
Ich selbst spreche vier Sprachen: Deutsch, Französisch, Englisch und Türkisch. Daher bin ich der festen Ansicht, dass dies weiterhin eine Schlüsselkompetenz bleibt. Beziehungen im Private Banking entstehen über Zeit, durch echte Gespräche und persönlichen Austausch.
Laurent Pellet, Limited Partner und Global Head of External Asset Managers (EAM) bei Lombard Odier in Genf.















