Paola Bissoli: «Ich bin noch mit einer Casio-Taschenrechneruhr aufgewachsen»
Im finews.privé geben interessante Persönlichkeiten aus der Finanzwirtschaft und darüber hinaus jeden Mittwoch Auskunft über ihre ganz persönlichen Vorlieben.
Was tun Sie morgens als Erstes?
Je nachdem, wo ich aufwache – in Lugano, Zürich oder Genf – variiert meine Morgenroutine ein wenig. Sie umfasst immer einen starken Espresso oder Cappuccino und entweder 15 Minuten Stretching und ein paar spezielle Übungen mit einem Fitball oder einen Spaziergang, um den Tag zu beginnen.
Was ist das Beste an Ihrem Beruf?
Die Menschen, mit denen ich zusammenarbeiten darf, die Vielfalt der Themen und das kontinuierliche Lernen. Jeden Tag habe ich Kontakt zu Fachexperten, Kollegen, Geschäftspartnern und Investoren in der ganzen Schweiz und weltweit.
Ein Moment, der Ihr Leben veränderte?
Ein entscheidender Moment war, als ich meine Stelle als Prozessingenieurin aufgegeben habe, um bei einem Hedgefonds anzufangen – ohne jegliche Erfahrung im Finanzbereich. Ein Kollege sagte mir, ich sei verrückt, da ich damit im Grunde ein fast zehnjähriges Kapitel (mein Studium mitgerechnet) abschloss. Mein ehemaliger Vorgesetzter hingegen sagte: „Sie bringen die strukturierte Denkweise und die Fähigkeit, mit Komplexität umzugehen, mit.“ Er zeigte mir die „übertragbaren Fähigkeiten“, als ich mich auf einen neuen Weg begab.
Welche Autos besitzen Sie?
Einen alten Mercedes C220 CDI aus dem Jahr 2007, der inzwischen gut amortisiert ist. In der Schweiz fahre ich meistens mit dem Zug. Mein GA ist mein Lieblings-Transportmittel.
Welchen Rat würden Sie Ihrem 20-jährigen Selbst geben?
Du kannst mehr Risiken eingehen, als du denkst. Deine konservative Herangehensweise an das Skifahren ist allerdings in Ordnung.
Worauf sind Sie besonders stolz?
Persönlich auf die starken Bindungen innerhalb meiner Familie und darauf, wie wir uns gegenseitig helfen. Beruflich erinnere ich mich noch gut an eine Episode als junge Ingenieurin, als ich einer Task Force für ein Projekt in unserer Pharmasparte zugeteilt wurde. Da ich aus der Öl- und Gasbranche kam, war ich nervös, weil ich mit den dortigen Prozessen nicht vertraut war. An meinem ersten Tag wurde ich gebeten, bis Mittag eine Schätzung der Grösse der Versorgungseinrichtungen zu erstellen. Da ich nur begrenzte Informationen über den Umfang des Projekts hatte und keine Daten zu den zu verarbeitenden Flüssigkeiten vorlagen, schien mir das unmöglich. Eine anteilige Schätzung auf der Grundlage ähnlicher Projekte hätte zwar ausgereicht, aber ich entschied mich für einen solideren Ansatz. Letztendlich habe ich eineinhalb Tage gebraucht und mich intensiv mit dem Rest des Teams ausgetauscht, aber die zuverlässigeren Zahlen, die ich so liefern konnte, dienten unserem Team viel besser. Ich erinnere mich noch gut an die fantastische Zusammenarbeit mit meinen Kollegen, die mir eine Lektion in Sachen Belastbarkeit und die Kraft der Zusammenarbeit erteilt haben.
Was tun Sie, wenn Sie Zweifel haben?
Ich sammle weitere Informationen, wäge Vor- und Nachteile ab und treffe auf der Grundlage meines Wissens die vernünftigste Entscheidung.
Was ist Ihr Lieblingswein?
Obwohl ich aus dem Piemont komme, einer weinreichen Region Italiens, trinke ich nur gelegentlich lokale leichte Süssweine wie Malvasia, Moscato oder Brachetto.
An welchen Projekten arbeiten Sie momentan?
Ich kümmere mich in der Regel um mehrere Projekte gleichzeitig. Neben meiner Tätigkeit bei Aberdeen engagiere ich mich leidenschaftlich für Finanzbildung und die Stärkung von Frauen. Vor kurzem habe ich meine siebenjährige Amtszeit als Vorsitzende des CAIA Zurich Chapter beendet und bin gerade dem Global Advisory Council von 100 Women in Finance beigetreten. Innerhalb unseres Unternehmens bin ich auch aktives Mitglied des EMEA DEI Forum, und persönlich engagiere ich mich für den Soroptimist International - Club Zurich.
Was bewundern Sie an anderen Menschen?
Neugier, Leidenschaft, Bescheidenheit und Grosszügigkeit.
Was wäre die grösste Überraschung für jemanden, der Ihren Job einen Tag lang übernehmen müsste?
Der Segen und Fluch meines Jobs ist, dass jeder Tag anders sein kann. Es passiert viel, aber es gibt auch viel Lärm, und man muss einschätzen, wann die Richtung, in die man sich bewegt, sinnvoll ist und wann es besser ist, innezuhalten und umzudenken. Auf dieser Reise werden Sie von Investoren und Kollegen begleitet, und das macht sie so bedeutungsvoll.
Welches ist Ihr persönlicher Antrieb?
Teil des Erfolgs unserer Investoren und unseres Teams zu sein und ständig dazuzulernen.
Wovor fürchten Sie sich?
Beruflich fürchte ich Langeweile – was in diesem Bereich selten vorkommt. Persönlich fürchte ich mich davor, meinem jüngeren Bruder bei seinen Freestyle-Ski-Abenteuern zu folgen. Er sagt, ich hänge vielleicht zu sehr an meinem Leben, aber ich möchte lieber überleben, so dass ich auch den nächsten Skiausflug wieder geniessen kann.
Ihre Lieblingsuhrenmarke?
Ich benutze eine Fitbit oder Apple Watch. Ich bin in den 80er Jahren mit einer Casio-Taschenrechneruhr aufgewachsen.
Gibt es einen unerfüllten Traum, den Sie noch verwirklichen möchten?
Es bringt viel zu viele blaue Flecken mit sich, um es einen Traum zu nennen – aber Kitesurfen lernen?
Ihr bestes Investment?
Zeit, die ich mit Lernen, der Zusammenarbeit mit Gleichgesinnten und sinnvollen Gesprächen verbracht habe. Der Weg ist genauso wichtig wie das Ziel. Was das Finanzielle anbelangt, kann ich die Shoppingtouren mit meiner Schwägerin zwar nicht in diese Liste aufnehmen. Aber wir haben viel Spass dabei.
Paola Bissoli ist Director Business Development und Verwaltungsrätin bei Aberdeen Investments Switzerland AG. Sie kam 2015 von Saint George Capital Management, wo sie CEO und Investmentmanagerin war. Zuvor war sie Hedgefonds-Managerin. Sie engagiert sich für Finanzbildung, leitete 2017–2024 die CAIA Association Zürich und war 2013–2018 Direktorin von 100 Women in Finance. Sie hat einen MSc in Chemieingenieurwesen und einen CAS in Sustainable Finance.















