Krypto-Treasury-Modell: Neue Strategie findet in die Schweiz
In dieser Rubrik nehmen Autorinnen und Autoren Stellung zu Wirtschafts- und Finanzthemen.
Seit der erfolgreichen Einführung einer Bitcoin-Strategie durch Micro Strategy entstehen zunehmend börsenkotierte Unternehmen, die digitale Assets als bilanzielle Reserve halten. Nun betritt zum ersten Mal eine Schweizer Firma den Markt.
Kürzlich hat die neu gegründete Zürcher Future Holdings AG in einer Finanzierungsrunde 28 Millionen Franken eingesammelt, um das von Strategy (ehemals Micro Strategy) geprägte Bitcoin-Treasury-Modell in Europa voranzutreiben.
USA geben den Takt vor
Zu den Mitgründern zählen bekannte Bitcoin-Persönlichkeiten aus der Schweiz und Europa. Laut eigenen Angaben basiert das Geschäftsmodell auf einer Bitcoin-dominierten Bilanz, ergänzt durch weitere Dienstleistungen. Damit reiht sich Future in die wachsende Liste von Unternehmen ein, die sich von Strategy inspirieren lassen. Es liegt nach Bilanzgrösse weltweit auf Rang 75 dieser sogenannten Treasury-Gesellschaften.
Michael Saylors Strategy markierte vor fünf Jahren einen Wendepunkt in der institutionellen Bitcoin-Adoption. Als erstes kotiertes Unternehmen richtete die einstige Business-Intelligence-Gesellschaft ihren gesamten Fokus auf die Anhäufung des «digitalen Goldes».
Ziel: Akkumulation von Bitcoin
Die Marktkapitalisierung hat sich seither verzwanzigfacht und liegt heute bei rund 54 Milliarden Dollar. Strategy nutzte den Kapitalmarkt gezielt, um ihre Bitcoin-Position auszubauen. Dies geschah zunächst über Aktienemissionen, später über Wandelanleihen und Vorzugsaktien. Der gesamte Finanzierungszyklus verfolgte ein klares Ziel: die Bilanzreserven konsequent in Bitcoin zu erhöhen.
Der enorme Erfolg blieb nicht unbemerkt. Inzwischen halten über 200 kotierte Unternehmen Bitcoin auf der Bilanz. Unter den 15 grössten Akteuren stammen bis auf eine Ausnahme alle aus den USA. Insgesamt befindet sich mehr als 1 Million Bitcoin in Unternehmenshand, das entspricht rund 5 Prozent der Umlaufmenge oder über 90 Milliarden US-Dollar.

Anzahl Gesellschaften mit Bitcoin in der Bilanz (Grafik: Digital Asset Solutions/Bitcoin Treasuries.net)
Ein Teil entfällt auf Gesellschaften, deren Geschäftsmodell vollständig auf Treasury-Strategien ausgerichtet ist. Andere, etwa Miner oder Handelsplattformen wie Coinbase, halten Bitcoin als strategische Bilanzreserve im operativen Geschäft. Unternehmen wie Tesla nutzen digitale Assets primär als Wertaufbewahrungsmittel.
Treasury-Unternehmen gewinnen an Bedeutung
Insbesondere der Sektor der Digital Asset Treasury Companies (DATs, in der Grafik unten im Segment «Public Companies» aufgeführt) gewinnt rasant an Bedeutung. Diese bilanzgetriebenen Investmentvehikel integrieren Kryptowährungen wie Bitcoin, aber zunehmend auch alternative digitale Assets aktiv in ihre Kapitalstruktur.

Verteilung der Bitcoin über ausgewählte Marktsegmente (Grafik: Digital Asset Solutions/Bitcoin Treasuries.net)
Ihr Geschäftsmodell beruht auf drei zentralen Elementen. Erstens investieren sie ihre Bilanz in eine Kernposition aus digitalen Assets, meist Bitcoin oder Ethereum. Zweitens nutzen sie gezielt Eigen- und Fremdkapital zur Hebelung, Liquiditätssteuerung oder Refinanzierung. Drittens reagieren DATs auf ihren Börsenwert und dessen Verhältnis zum bilanziellen Net Asset Value (NAV), der die Markterwartungen an Managementqualität, Leverage und künftige Preisentwicklung widerspiegelt. Allerdings werden Kryptowährungen je nach Jurisdiktion bilanziell unterschiedlich bewertet, so dass es zu Abweichungen zum eigentlichen Marktwert (Fair Value) kommen kann.
Ein Aufschlag auf den market NAV (mNAV) signalisiert Vertrauen in die Kapitaldisziplin und künftige Wertsteigerung, während ein Abschlag auf Refinanzierungsrisiken oder mögliche Verwässerung hinweist. DATs sind damit weder klassische Investmentfonds noch operative Unternehmen, sondern hybride, kotierte Haltegesellschaften mit aktiv gesteuerter Bilanzstruktur und marktgetriebener Bewertung.
Kann die Schweiz mitmischen?
Die Stabilität einer DAT wird im Wesentlichen von zwei Faktoren bestimmt: dem Preis des zugrunde liegenden digitalen Assets und dem Verschuldungsgrad der Bilanz. Das Verhältnis von Eigen- zu Fremdkapital definiert dabei den Performance-Hebel. Eine hohe Leverage kann Kursgewinne überproportional verstärken, erhöht jedoch zugleich die Volatilität des mNAV und damit das Risiko von Abschlägen. Der Marktpreis spiegelt diese Dynamik in Form von Auf- oder Abschlägen gegenüber dem bilanziellen Wert direkt wider.
Das erste Schweizer Bitcoin-Treasury-Unternehmen sieht konkret in den makroökonomischen Rahmenbedingungen des Landes mit einem Basiszinssatz von 0 Prozent und negativ verzinsten Staatsanleihen – einen strategischen Vorteil gegenüber dem US-Modell. Der Verschuldungsgrad der Bilanz hängt jedoch stark von der Basiswährung ab. Wer günstige Kredite in Franken aufnimmt, steht einer der stärksten Währungen der Welt gegenüber. Da die überwältigende Mehrheit des Bitcoin-Volumens in Dollar stattfindet, kann dies schnell zum Nachteil werden. Nicht zuletzt deshalb spielt die Musik vor allem in den Vereinigten Staaten.
Spiel mit dem Feuer – und die jüngste Korrektur
Für die meisten Anleger bleibt der Zugang über regulierte Anlagevehikel wie Exchange Traded Funds bzw. Exchange Traded Products die effizienteste Wahl, da weder Unternehmensrisiken noch Bewertungsprämien bestehen.
Langfristig profitieren die Kurse der zugrunde liegenden digitalen Assets – etwa Bitcoin, Ethereum und Solana – von den Akkumulationsstrategien der DATs. Unternehmen mit hoher Verschuldung oder ausgeprägter mNAV-Prämie gelten hingegen als spekulative Vehikel, deren Marktwert stark von Anlegerstimmung und Bilanzmanagement abhängt.
Selbst den Pionier Strategy (MSTR) traf es in der laufenden Korrektur hart. Seit dem jüngsten Allzeithoch gab die Aktie 59 Prozent nach, während Bitcoin im selben Zeitraum lediglich 27 Prozent verlor. Noch schmerzhafter fiel die Entwicklung bei den zahlreichen Nachahmern aus, deren weniger ausgereiften Strategien und höheren Einstiegskurse die Verluste weiter verstärkten.
Leon Curti ist Head of Research bei Digital Asset Solutions, das Finanzinstitute auf ihrem Weg in die Welt der digitalen Assets in den Bereichen Bildung, Research und Vermögensverwaltung begleitet und berät.














